Ist der Salzstock in Gorleben für ein atomares Endlager geeignet?
6. Juni 2012 Axel Frohn ist froh, endlich sein Büro erreicht zu haben. Seit 14. August letzten Jahres blockieren Demonstranten die Zugänge zum Erkundungsbergwerk Gorleben in Ostniedersachsen.
"Dadurch wird die Stimmung unter den Bergleuten nicht besser", gibt der 53-Jährige zu, der bei der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) angestellt ist: "Es ist auch nicht lustig, wenn man nach der Arbeit feststellt, dass die Autoreifen platt gestochen sind."
Es sind Atomkraftgegner aus allen Teilen Deutschlands, die protestieren: "Die meisten waren nie hier im Salzstock, glauben, dass die Castoren hier eingelagert würden", glaubt der Vermessungstechniker für den Bergbau, der Besucher durch den Schacht im Salzbergwerk führt und immer wieder versichert, dass hier überhaupt kein hochradioaktiver Abfall einlagert.
In Gorleben wird (noch) kein Atommüll endgelagert
Seit 1981 arbeitet Frohn in Gorleben. "Wir machen gute Arbeit, das sagen auch unsere Kritiker, aber im falschen Projekt", sagt Frohn. Im Bergwerk wird auf wissenschaftlicher Basis erkundet, ob der Salzstock in Gorleben als Endlager für hochradioaktive Abfälle geeignet ist. Insgesamt 309.000 Kubikmeter Atommüll müssen für immer entsorgt werden, nur zehn Prozent davon sind hochradioaktiv. "Diese zehn Prozent aber sorgen für 99 Prozent der Radioaktivität, die die Entsorgung so heikel machen", erklärt Axel Frohn.
In den Sicherheitsanforderungen des Bundesumweltministeriums ist festgelegt, dass der Atommüll für eine Million Jahre sicher eingeschlossen werden muss. Denn die radioaktiven Isotope, die bei der Atomspaltung entstehen, strahlen über so eine lange Zeit.
"Aus historischen Gründen hat man sich bei uns auf Salz als Wirtsgestein verständigt", sagt Frohn, "die deutsche Montanindustrie hatte viel Erfahrung mit dem Salzbergbau." Kalisalz, Grundlage für Dünger, zählt zu den meist exportierten Bodenschätzen Deutschlands. Außerdem gibt es Eigenschaften, die das Salz als Wirtsgestein prädestinieren. Hier im Salzstock bei Gorleben lagern rund 3000 Meter Salz übereinander. Der Bestand ist somit höher als die Zugspitze, Deutschlands höchster Berg. Es entstand, als vor 250 Millionen Jahren an dieser Stelle ein Zechsteinmeer austrocknete. Aber ist das Gelände auch geeignet, den hochradioaktiven Atommüll der gesamten Bundesrepublik dauerhaft zu verschließen?
"Alle Leute, die wissen, Gorleben ist geeignet, wissen mehr als die Experten, die es erkunden", sagt Florian Emrich vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).1,6 Milliarden Euro und fast vier Jahrzehnte Erforschung reichten nicht aus, um Klarheit zu bekommen.
Salz ist nach Einschätzung von Geologen als Wirtsgestein für Wärme entwickelnde hochradioaktive Abfälle gut geeignet, weil es undurchlässig für Gase und Flüssigkeit ist und Wärme gut leitet. Allerdings ist Salz gut löslich, Wasser und Laugen könnten deshalb durch das Steinsalz dringen und radioaktive Strahlung aufnehmen.
Die Lehren aus der Asse
Im Versuchsendlager Asse bei Wolfenbüttel in Niedersachsen wurden bereits 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll aus Industrieproduktionen eingelagert. Sie müssen geborgen werden, weil täglich bis zu 12.000 Liter Wasser in die Anlage eindringen und das Grundwasser verseuchen könnte. In der Asse wurde Kali gefördert, schon um 1900 gab es 160 Schachtanlagen. Infolge der großen Schächte bildeten sich Risse, die Feuchtigkeit durchlassen. Die Bergung der gefährdeten Fässer könnte nun mehrere Milliarden Euro kosten.
In Gorleben will man auf Nummer sicher gehen. Hier wird nur gebohrt, um zu forschen. Um konkrete Aussagen machen zu können, müssten die Geologen noch ein Jahrzehnt weiter erkunden. Die einzelnen Schichten des Gebirge, inklusive Bewegungen, Temperaturmessungen- und Wärmeentwicklung müssen bewertet werden.
Alternativen zu Salz und zu Gorleben
In anderen Regionen Deutschlands gibt es Granit- und Tonvorkommen. Beide Wirtsgesteine vertragen keine Temperaturen von über 100 Grad. "Die Castoren brauchen aber schon 30 Jahre zur Abkühlung auf 200 Grad. Der Inhalt könnte dann in Salz eingelagert werden", rechnet Axel Frohn vor, "der erste Castor, der 1995 in Gorleben zwischengelagert wurde, ist also nicht vor 2025 endlagerbar."
Und nun wollen die Politiker in Berlin neue Standorte erkunden lassen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung bleibt unklar, ob die mehr als 200 Bergleute in Gorleben weiter im Schacht forschen oder für immer in dem Salzstock die Lichter ausgehen. "Glück auf", sagt Axel Frohn, wie bei Bergleuten üblich, zum Abschied. Nicht nur er und seine Kumpel können es gebrauchen.