Salzburger Festspiele: Zwischen Machtspielen und Hoffnung
17. Juli 2025
Das Theater ist ein Spiegel des menschlichen Lebens mit all seinen Erfahrungen, Emotionen und Konflikten. Dementsprechend stellte das Team der Salzburger Festspiele mit Intendant Markus Hinterhäuser an der Spitze ein Programm zusammen, das einen Kommentar zu den Krisen rund um den Globus liefert. Und so prägen blutige Konflikte und Machtspiele nicht nur das aktuelle Weltgeschehen, sondern auch die Festspiele (18. Juli bis 31. August). Sie spannen den Bogen von brutalen Rivalitäten in der Antike bis hin zum Ersten Weltkrieg. Die Trumps und Putins habe es schon immer gegeben, sagt Hinterhäuser. Machthunger gehört zum Lauf der Welt.
Macht im Fokus
Die Universaldroge Macht hat, wen wundert's, zahlreiche Opernsujets inspiriert. So kommt Georg Friedrich Händels "Giulio Cesare in Egitto" über den römischen Feldherrn ebenso auf die Bühne wie Gaetano Donizettis "Maria Stuarda", das der schottischen Königin gewidmet ist. Mozart ist mit seiner Oper "Mitridate, re di Ponto" vertreten, in der es um den Herrscher des untergegangenen Reiches Pontus in Kleinasien geht, und Verdis "Macbeth" erzählt die Geschichte des königlichen Heerführers und späteren schottischen Königs. Und schließlich rechnet "Die Letzten Tage der Menschheit", ein Theaterstück nach Karl Kraus' verstörendem Buch, mit den Schrecken des Krieges zwischen 1914 und 1918 ab.
Eines haben die Herrscher der Vergangenheit gemeinsam: Ihre Macht bröckelt. Sie reagieren unterschiedlich auf das unvermeidliche Ende - ob mit Starre, Furcht, Verzweiflung oder dem cholerischen Versuch, dem Schicksal zu entkommen. Oper, Musiktheater und Bühnenspiel sind dabei ein Brennglas, das unterschiedliche Abgangsszenarien beleuchtet. "Daraus erwachsen uns als Publikum Möglichkeiten des Handelns", so Markus Hinterhäuser. Die Bühnenkunst eröffne "Räume der Verwandlung, der Transformation".
Ein Programm für "Jedermann" - und jede Frau
Unter diesem programmatischen Ansatz locken insgesamt 174 Opern-, Theater- und Konzertaufführungen mit rund 223.000 schon jetzt fast ausverkauften Tickets die Besucherinnen und Besucher an. Flaggschiff des Programms ist traditionell das Musiktheater, diesmal mit zwölf Inszenierungen zwischen Barock und zeitgenössischen Werken.
Mit großen Solistennamen, Ausgefallenem und Traditionellem - wie dem alljährlichen Schauspiel "Jedermann" auf den Stufen des Salzburger Domes - bleibt das Festival dem vor über 100 Jahren von den Theatermachern Max Reinhardt und Hugo von Hoffmannsthal erklärten Prinzip treu, für jeden Geschmack etwas zu bieten.
Hier eine subjektive Auswahl der DW-Redaktion: Das bewährte Tandem von Regisseur Peter Sellars und Dirigent Esa-Pekka Salonen am Pult der Wiener Philharmoniker präsentiert eine gewagte Neuinszenierung; unter dem Namen "One Morning Turns into an Eternity" wird ein Doppelpack zu hören sein: Die beiden kombinieren Arnold Schönbergs Monodram "Erwartung" mit dem "Abschied" aus der Symphonie "Lied von der Erde" Gustav Mahlers, dem großen Vorbild Schönbergs.
Signifikant für den Salzburg-Geist ist auch das Theaterstück "Schneesturm" nach einem Buch von Vladimir Sorokin - einem bekannten russischen Schriftsteller, der vor Putin und seinen Unterstützern floh. In einem todbringenden Sturm sucht sein Held, ein junger Arzt, nach Licht und Hoffnung.
Auch der griechische Stardirigent Teodor Currentzis, wegen seiner russischen Zweitbürgerschaft und nie erfolgten Distanzierung vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine umstritten, ist 2025 wieder dabei - mit seinem Utopia Orchester, einem Klangkörper, den Currentzis eigens für Auftritte im Westen gegründet hat.
Viele russische Künstler - aber keine Davydova
Im Dezember 2024 überschattete der Eklat um die Kündigung der russischen Festival-Chefin Marina Davydova die Präsentation des Salzburg-Programms. Man trennte sich von der Dramaturgin - die auch eine konsequente Kritikerin des Putin-Regimes ist - wegen der Nichteinhaltung der vertraglichen Modalitäten, weil sie ohne Ankündigung für ein weiteres Festival tätig gewesen war.
Ansonsten zeigt das Programm der Festspiele eher eine große Solidarität mit Kulturschaffenden, die dem Putin-Reich den Rücken gekehrt haben: So wirken in Salzburg die russischen Regisseure Kirill Serebrennikov (Sorokins "Schneesturm") und Dmitri Tcherniakov (Händels "Giulio Cesare in Egitto") oder Evgeny Titov (Tschechows "Drei Schwestern" in der Fassung des vor kurzem verstorbenen Peter Eötvös) mit.
"Ich verhehle auch nicht, dass ich als Pianist ein großer Bewunderer der russischen Klavierschule bin", sagte Salzburg-Intendant Hinterhäuser der DW. In Salzburg werden Grigori Sokolow, Arkadi Volodos, Evgeny Kissin, Daniil Trifonow und Alexander Malofeev auftreten. Mit einer Konzertreihe ehren sie insbesondere den Komponisten und Pianisten Dmitri Schostakowitsch anlässlich seines 50. Todestages am 9. August.
Geplant ist auch eine Lesung der Ukrainerin Marianna Kijanowska aus ihrem mehrfach preisgekrönten Werk "Babyn Jar. Stimmen". Die Dichterin erzählt von der Ermordung von mehr als 33.000 Juden, fast der gesamten jüdischen Bevölkerung Kyjiws, durch die Nazis im September 1941.