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Samantha Smith: Friedensikone im Kalten Krieg

Brenda Haas
29. Juni 2022

1982 schrieb Samantha Smith im Alter von zehn Jahren einen Brief an den damaligen Kremlchef Juri Andropow. 40 Jahre später ist er erschreckend aktuell.

US Schülerin und Friedensaktivistin Samantha Smith spricht in eine Reihe vor ihr aufgestellter Mikrofone.
Friedensaktivistin mit 10 Jahren: Samantha SmithBild: Alexander Yakovlev/ITAR-TASS/IMAGO

Bei dem Begriff "junge Aktivistin" denken wir heute an Namen wie Malala Yousafzai und Greta Thunberg.

Die Pakistanerin Yousafzai überlebte 2012 einen Kopfschuss durch die Taliban, sie hatte sich für das Recht von Mädchen auf Bildung eingesetzt. Die Schulstreiks der Schwedin Greta Thunberg gegen den Klimawandel waren 2018 der Beginn der globalen Jugendbewegung "Fridays for Future". Beide Mädchen waren 15 Jahre alt, als sie anfingen, für ihre Anliegen zu kämpfen.

In den 1980er-Jahren, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen den USA und der ehemaligen UdSSR, sorgte ein zehnjähriges US-amerikanisches Mädchen ebenfalls für Schlagzeilen.

Ihr Wunsch nach Frieden und der Verhinderung eines Atomkriegs ist auch 40 Jahre später noch aktuell: Im gegenwärtigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat Russland verschleierte Drohungen in Bezug auf einen möglichen Atomangriff ausgesprochen.

Der Name des Mädchens war Samantha Reed Smith.

"Nie wieder Krieg!"

Die am 29. Juni 1972 in Houlton im US-Staat Maine geborene Samantha Smith war erst fünf Jahre alt, als sie einen Brief an Königin Elizabeth II. schrieb, in der sie ihre Bewunderung für die Queen zum Ausdruck brachte.

Als Samantha zehn Jahre alt war, dominierten der Kalte Krieg und das nukleare Wettrüsten zwischen ihrem Land unter Präsident Ronald Reagan und Russland.

"Im Fernsehen lief immer etwas über Raketen und Atombomben", schrieb sie damals, zu lesen auf der Webseite samanthasmith.info. Sie habe einen Wissenschaftler im Fernsehen gesehen, der sagte, "dass ein Atomkrieg die Erde zerstören und die Atmosphäre vernichten würde. Niemand würde einen Atomkrieg gewinnen."

Leonid Breschnews Nachfolger im Kreml: Juri Andropow

Dann zeigte ihre Mutter ihr eine Ausgabe des Time Magazine vom 22. November 1982, in der der neue Sowjetführer Juri Andropow vorgestellt wurde. In der Titelgeschichte wurde deutlich, dass sowohl die Sowjets als auch die USA befürchteten, dass der jeweils andere einen Atomkrieg anzetteln würde. Zu diesem Zeitpunkt herrschte das "Gleichgewicht des Schreckens": Beide Staaten waren bis an die Zähne bewaffnet, das Zerstörungspotenzial ihrer Atomraketen hätte die Menschheit mehrfach vernichten können.

"Das kam mir alles so dumm vor. Ich wusste von den schrecklichen Dingen, die während des Zweiten Weltkriegs passiert waren, und dachte, dass niemand jemals wieder einen Krieg wollen würde", so die Zehnjährige. "Ich sagte meiner Mutter, sie solle an Herrn Andropow schreiben, um herauszufinden, wer den ganzen Ärger verursachte. Sie sagte: 'Warum schreibst du ihm nicht selber?' Also habe ich das getan."

Ein Brief an den Kreml

Samanthas Brief vom November 1982 lautete:

"Lieber Herr Andropow,

mein Name ist Samantha Smith. Ich bin 10 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Job. Ich mache mir Sorgen, dass Russland und die Vereinigten Staaten in einen Atomkrieg geraten könnten. Werden Sie für einen Krieg stimmen oder nicht? Wenn nicht, dann sagen Sie mir bitte, wie Sie dazu beitragen wollen, einen Krieg zu verhindern. Diese Frage müssen Sie nicht beantworten, aber ich würde mich freuen, wenn Sie es täten. Warum wollen Sie die Welt oder zumindest unser Land erobern? Gott hat die Welt für uns geschaffen, damit wir sie uns teilen und uns gemeinsam um sie kümmern. Nicht um zu kämpfen oder damit einer Gruppe von Menschen alles gehört. Bitte lassen Sie uns tun, was er (Gott) wollte, damit alle glücklich sein können."

Am Ende fügte sie hinzu: "P.S. Bitte schreiben Sie zurück."

Der Brief kam an. Und fand Beachtung - er wurde in der russischen Zeitung "Prawda" abgedruckt. Nur Andropows Antwort ließ mehrere Monate auf sich warten. Im April 1983 kam sie schließlich. "Deine Frage ist die drängendste, die jeder denkende Mensch stellen kann", schrieb der russische Staatschef.

Auf die Frage nach den katastrophalen Auswirkungen von Atomwaffen schrieb er: "In Amerika und in unserem Land gibt es Atomwaffen - schreckliche Waffen, die Millionen von Menschen in einem Augenblick töten können. Aber wir wollen nicht, dass sie jemals verwendet werden." Und deshalb habe sein Land erklärt, dass es Atomwaffen nicht zuerst gegen andere Länder einsetzen werde.

"Ja, Samantha, wir in der Sowjetunion versuchen alles zu tun, damit es auf der Erde keinen Krieg gibt. Das will jeder Sowjetmensch. Das hat uns der große Gründer unseres Staates, Wladimir Lenin, gelehrt", schrieb Andropow.

Samantha Smith packt ihre KofferBild: Pat Wellenbach/AP/picture alliance

Abschließend lud er das Mädchen zu einem Besuch in der Sowjetunion ein, den sie mit ihren Eltern im Juli 1983 antrat - trotz der Spannungen zwischen den beiden Supermächten.

Ein sowjetisches Propagandainstrument?

Stationen ihrer zweiwöchigen Reise waren Moskau, Leningrad und Artek, ein Ferienlager am Schwarzen Meer. Zu einem persönlichen Treffen mit Andropow kam es allerdings nicht: Er war zu diesem Zeitpunkt bereits schwer erkrankt. Sie sprachen jedoch per Telefon miteinander.

Smiths Besuch wurde sowohl in Russland als auch in den USA von der Presse verfolgt. Während die russischen Medien und die Öffentlichkeit ihren Besuch begrüßten, sahen einige Vertreter der US-Presse darin eine PR-Aktion. Sie erhielt auch Briefe, in denen sie gefragt wurde, ob sie ein Werkzeug der sowjetischen Propaganda sei.

Smith, die den Spitznamen "Amerikas jüngste Botschafterin" erhielt, nahm im Dezember 1983 am Internationalen Kindersymposium in Kobe, Japan, teil. In einer Rede schlug sie vor, dass die Staatsoberhäupter der USA und der Sowjetunion jedes Jahr für zwei Wochen ihre Enkelinnen in das jeweils andere Land schicken sollten, da ein Staatsoberhaupt kein Land bombardieren werde, "in dem seine Enkelin zu Besuch ist".

Artek war Samanthas liebste Station auf ihrer Reise durch die SowjetunionBild: ITAR-TASS/IMAGO

Sie gab Fernsehinterviews und moderierte im Februar 1984 eine Kindersendung für den Disney Channel, "Samantha Smith Goes to Washington: Campaign '84", in dem sie verschiedene politische Führer zu Wahlkampfthemen interviewte. Es folgten Gastauftritte in Komödien und eine regelmäßige Rolle in einer Fernsehserie.

Menschlichkeit übertrumpft Krieg

Auch wenn ihre Aktionen nicht zum Abbau der politischen Spannungen des Kalten Krieges beitrugen, so halfen ihre Beobachtungen während und nach ihrer Reise nach Russland dabei, das gegenseitige Misstrauen zwischen Russen und Amerikanern ein wenig zu zerstreuen.

"Manche Leute haben ein falsches Bild von den Sowjets", sagte sie gegenüber Reportern während ihrer Reise durch Russland. "Sie wollen Frieden, genau wie ich." Auch russische Kinder seien genau so wie die, die sie in den USA kenne. "Ich fand, sie waren richtig nette Menschen." Über ihre Reise schrieb Samantha Smith 1985 ein Buch mit dem Titel "Journey to the Soviet Union".

Die Sowjetunion ehrte Samantha Smith nach ihrem Tod mit einer BriefmarkeBild: Boris Yurchenko/AP/picture alliance

Gorbatschow: "Sie hätte viel Gutes tun können"

Wenige Zeit später passierte das Unglück: Auf einem Rückflug von Dreharbeiten für die Serie "Lime Street" in London stürzte das Flugzeug ab, alle Insassen kamen ums Leben, darunter Samantha und ihr Vater. Sie war erst 13 Jahre alt.

Zu den vielen Menschen, die ihre Bestürzung über den frühen Tod des Mädchens kundtaten, gehörte auch Michail Gorbatschow, der neue Generalsekretär der KPdSU und spätere Staatspräsident der Sowjetunion, dessen freiheitlichen Konzepte der Perestroika und Glasnost den Zusammenbruch der Sowjetunion einleiteten.

"Ich glaube, wenn Samanthas tragischer Tod nicht gewesen wäre, hätte sie sich aktiv am gesellschaftlichen Wandel beteiligen und viel Gutes tun können", schrieb er damals.

Am 29. Juni wäre Samantha Reed Smith 50 Jahre alt geworden.
 

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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