1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Kunst

Vom Aufbruch in die Traumstadt San Francisco

11. September 2019

Sehnsuchtsort San Francisco: Die Bundeskunsthalle in Bonn zeichnet ein Porträt der kalifornischen Pazifikmetropole. Doch für viele, die bis heute dem Ruf San Franciscos folgten, zerplatzten die Träume.

Ein Kunstwerk von Ricardo Duffy
Collage von Ricardo Duffy (Leihgabe des Los Angeles County Museum of Art)Bild: bpk / Los Angeles County Museum of Art / Art Resource, NY

Vom indigenen Kopfschmuck aus Krähen- und Elsterfedern bis zur Jeans von Apple-Gründer Steve Jobs ist alles da, was die Traumwelten San Franciscos hergeben. Über 400 Jahre Stadtgeschichte spannt die Schau ihren Bogen, von den spanischen Eroberern Ende des 18. Jahrhunderts bis zu den digitalen Eroberern der Jetztzeit. "Kaum eine andere Stadt war in ihrer Geschichte so sehr Sehnsuchtsort für Menschen aus aller Welt", sagt Kuratorin Sylvia Kasprycki. "Gleichzeitig gingen von hier aus wichtige Impulse in die ganze Welt."

Die Ausstellung schickt ihre Besucher auf eine multimediale kulturhistorische Entdeckungsreise. Eine Fülle historischer Originalobjekte, garniert mit alten wie zeitgenössischen Kunstwerken, illustriert die Geschichte der Westküstenstadt. Programmatisch hängt gleich am Anfang das Gemälde "Westwärts Ho" (1986) des US-Malers Ed Ruscha. Ein hart am Wind segelnder Dreimaster taucht unversehens aus dem braunen Nebel auf - Aufbruch ins Ungewisse. Für Kinder hat man ein bewegliches Modell eines Cable Cars, der historischen Kabelstraßenbahn, in die Ausstellung gehievt.

Neuanfang nach dem Erdbeben

Chronologisch beginnt die Ausstellung mit den Anfängen der Stadt als spanischer Militärstützpunkt. Thematisiert wird auch die brutale Verdrängung der Ureinwohner. Die Einwanderungswellen, unter anderem deutscher Immigranten, und erst recht der Goldrausch ab 1850 lassen die Stadt sprunghaft wachsen. Das fatale Erdbeben vom 18. April 1906, das hunderttausende Menschen obdachlos macht, zwingt die Stadt zu einem Neuanfang.

Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung: Die Regenbogenfahne hat Erfinder Gilbert Baker 1978 eigenhändig genähtBild: GLBT Historical Society, San Francisco

Berühmt wird San Francisco nach dem Zweiten Weltkrieg als Hochburg der Hippie- sowie der Schwulen- und Lesben-Bewegung. Deren weltweites Erkennungszeichen, die Regenbogenfahne, ist ein Highlight der Bonner Ausstellung. Erfinder Gilbert Baker hat sie 1978 selbst genäht.

Ein Deutscher erfand die Blue Jeans

Von Anfang an galt San Francisco als toleranter und liberaler Fluchtpunkt - "großzügiger noch als das auch vom puritanisch-protestantischen Geist geprägte New York", wie Museumschef Rein Wolfs betont. Auch aus diesem Grund siedelten sich hier bevorzugt deutsche Juden an. Einer von ihnen war der Franke Levi Strauss (1829-1902), der die Blue Jeans erfand - aber selbst nie trug, denn sie war Kleidung für Arbeiter. Die Bundeskunsthalle zeigt ein frühes Exemplar.

Ausgestellt wird auch eine Levis 501 des verstorbenen Apple-Gründers Steve Jobs. Denn in den 1980er Jahren ging vom Silicon Valley bei San Francisco eine technische Revolution aus, die mit der Entwicklung von Computern und Smartphones den Alltag der Menschen rund um den Globus veränderte. Zu allen Zeiten zog San Francisco Menschen aus aller Welt an - verschiedene Kulturen prallten aufeinander oder verschmolzen miteinander. Um 1900 war ein Viertel der Einwohner deutschsprachig. "San Francisco war neben New York immer der zweite große Einwanderer-Hafen", sagt Ko-Kuratorin Henriette Pleiger.

Schiefes Pflaster, bewegte Geschichte - die Straßen von San Francisco im Bild "Potrero Houses - Pennsylvania Avenue" von Robert Bechtle (1988)Bild: Fine Arts Museum of San Francisco

Einwanderer aus Europa und Asien prägten das Bild der Stadt. "Diese kulturelle Vielfalt darf aber nicht über die ethnischen und sozialen Hierarchien hinwegtäuschen", warnt Kuratorin Sylvia Kasprycki. "Die Träume des einen gingen allzu oft auf Kosten des anderen!" So waren bereits um 1850 vier Fünftel der Stadt im Besitz von weniger als fünf Prozent ihrer weißen Bevölkerung. Die Chinesen, lange als billige Arbeitskräfte willkommen, wurden zunehmend als Bedrohung empfunden. "Chinatown entstand als Reaktion auf die Ausgrenzung durch die weiße Bevölkerung", erklärt das Museum. "Als Überlebensstrategie machten die Chinesen ihr Viertel zu einer Touristenattraktion."

Träume zulasten anderer

Die Ausstellung klammert solche Kapitel nicht aus. Auch die heute führende Stellung der Stadt im Umwelt- und Klimaschutz gründe auf schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit, meint Pleiger: "Die Bucht von San Francisco ist bis heute mit Quecksilber verseucht, weil man während des Goldrauschs mit Quecksilber Gold gelöst hat." Eine andere Schattenseite der Traumstadt ist die weit verbreitete Obdachlosigkeit aufgrund der enorm hohen Mieten und Hauspreise.

Erst vor wenigen Tagen hat das Stadtparlament von San Francisco die amerikanische Waffenlobby-Organisation NRA zur inländischen Terrororganisation erklärt. Mit dieser provokanten Entscheidung bekam die Westküstenmetropole weltweit Aufmerksamkeit, wieder einmal. Bonns Museumschef Rein Wolfs schickt denn auch ein großes Kompliment über den Pazifik: "San Francisco bleibt eine sehr mutige Stadt."

San-Francisco-Gemälde von Tom E. Lewis (ca. 1936)Bild: bpk / Los Angeles County Museum of Art / Art Resource, NY

Die Ausstellung "California Dreams - San Francisco: ein Porträt" in der Bundeskunsthalle in Bonn dauert noch bis 12. Januar 2020.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen