Sanierung des Freiburger Münsterturms ist abgeschlossen
12. Juni 2018
Wahrzeichen, Werbe-Ikone und Wunder der Architektur: Der Turm des Freiburger Münsters zieht die Blicke auf sich. Jahrelang aber war er von Baugerüsten verhüllt.
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Das Freiburger Münster
Ein Höhepunkt der Gotik und eine der wenigen Kirchen dieses Baustils in Deutschland, die noch im Mittelalter vollendet wurden, ist das Freiburger Münster. Bilder eines beeindruckenden Bauwerks.
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Schönster Turm der Christenheit…
… so nennen die Freiburger den Münsterturm selbstbewusst. Am 5. Dezember 1513 ist der Hochchor des Münsters geweiht worden. Dieser dem Kirchturm gegenüber liegende Teil war der letzte Bauabschnitt des Bauwerks. Seit seiner Vollendung hat das Freiburger Münster sein heutiges Aussehen.
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Dem Himmel so nah…
… wie nur irgend möglich sein, das ist die Idee aller mittelalterlicher Kirchenbauten. Beim Freiburger Münsterturm wurde sie ganz neu und revolutionär umgesetzt: Der durchbrochene, zum Himmel hin offene Turmhelm war der erste seiner Art weltweit. In nur 60 Jahren wurde der 116 Meter hohe Turm fertig gestellt. Eine Meisterleistung für die damalige Zeit.
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Gerüst gegen Gefahren
So präsentiert sich der Turm nun schon seit rund 10 Jahren. Geplant war ursprünglich eine Reparaturzeit von vier Jahren. Doch die Schäden am Bauwerk waren massiver als angenommen. Größter Feind des Münsters war und ist die Luftverschmutzung. Aber auch Risse gefährden die Stabilität der filigranen Turmspitze.
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Der Münsterturm steht noch...
... dachten viele Freiburger erleichtert, nachdem ein britischer Bombenangriff am 27. November 1944 einen Feuersturm entfacht und drei Viertel der Altstadt zerstört hatte. Und so wurde der Turm zum Symbol für den Wiederaufbau der Stadt. Aber viele der Risse, die die Statik des Turms heute gefährden, sind Spätfolgen der Druckwellen, die die Bombeneinschläge rund um die Kirche damals auslösten.
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Erbin der früheren Baumeister
Yvonne Faller ist seit 2005 Münsterbaumeisterin in Freiburg und damit für den Erhalt des Bauwerks zuständig. 14 Steinmetze sind dauerhaft mit Reparaturen beschäftigt, acht weitere sanieren den Turm. Die Baumeister des Mittelalters sind nahezu alle unbekannt, erst die Architekten des Hochchores sind überliefert. Sie haben sich mit Steinbüsten an der Kirche verewigt.
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Immer mit der Mode
Um das Jahr 1200 begann der Münsterbau in romanischem Stil. Langhaus und Turm wurden zwischen 1270 und 1330 in gotischem Stil errichtet. Kaum war die Kirche vollendet, erschien der Altarraum schon wieder altmodisch: er war klein und dunkel, wie in romanischen Kirchen üblich.
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Spätgotik vom Feinsten
Zwischen 1354 und 1510 wurde deshalb um den romanischen Altarraum herum ein neuer Hochchor erbaut. Dann wurde der Altbau im Neubau abgerissen. Der neue Altarraum konnte am 5. Dezember 1513 nach langer Bauzeit geweiht werden. An keiner anderen Stelle des Münsters sind die Fenster größer und die Verzierungen reichhaltiger als bei diesem spätgotischen Hochchor.
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Eine Kirche freier Bürger
Erst seit 1821 ist das Münster Sitz des damals neu gegründeten Erzbistums Freiburg. Gebaut und unterhalten wurde es über Jahrhunderte hinweg allein von den Bürgern der Stadt Freiburg als ihre Pfarrkirche. Das kommt auch in den mittelalterlichen Fenstern zum Ausdruck: Sie wurden von den Handwerkszünften gespendet, was hier am Wappen der Schneider zu erkennen ist.
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Als Marktplatz zu Wohlstand
Der Aufstieg Freiburgs begann 1120, als dem Ort das Stadt- und Marktrecht verliehen wurde. Die Silbererzminen des nahen Schwarzwalds sowie die verkehrsgünstige Lage machten die Stadt zu einem attraktiven Handelsplatz. Um 1200, bei Baubeginn des Münsters, lebten rund 6000 Menschen in der Stadt - eine Großstadt des Mittelalters. Noch heute ist jeden Vormittag Markt rund um das Münster.
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Die Kirche als Maß und Mitte
Die eingemeißelten Maße am Fuß des Münsterturms setzten einst Normen für Größen, Längen und Umfänge: Hier konnte jeder überprüfen, ob er auf dem Markt korrekt bedient worden war. Die Glocken des Münsters rufen nicht nur zum Gottesdienst, sondern verkündeten im Mittelalter auch Anfang und Ende des Markttages. Und damals wie heute ist das Münster geografischer Mittelpunkt der Freiburger Altstadt.
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Die Kirche als Bilderbuch
Nur wenige Menschen im Mittelalter konnten lesen. Die Bibel existierte ausschließlich in lateinischer Sprache, die ebenfalls nur die Wenigsten verstanden. Wissen über die Bibel wurde daher über bildliche Darstellungen vermittelt. Gott und der gekreuzigte Christus als Richter und Weltenherrscher sind klassische Motive über den Hauptportalen gotischer Kathedralen, so auch in Freiburg.
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Dämonen als Wächter
Wasserspeier sind notwendig, um den Regen abzuleiten und das Kirchengebäude vor schneller Verwitterung zu schützen. Sie als Fratzen und Dämonen darzustellen, folgt wiederum mittelalterlicher Symbolik: Die Kirche verdrängt das Böse nach draußen, an die Außenmauern und zwingt es dort sogar noch in sinnvolle Aufgaben.
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Mittelalterliche Schatzkammer
Innen ist das Freiburger Münster reich an Kunstschätzen. Der Hochaltar von Hans Baldung Grien stammt aus dem 16. Jahrhundert, das Kreuz über dem Altar aus der Zeit der Grundsteinlegung um 1200. Ein Höhepunkt in der Geschichte des Münsters war der Besuch des Papstes am 24. September 2011. Sein Stuhl stand damals im Zentrum des Altarraums.
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Noch wenige Wochen, dann kann der Freiburger Münsterturm erstmals seit 2006 ohne Baugerüst bewundert werden. "Eine Mammutaufgabe liegt hinter uns. Jetzt müssen nur noch die Gerüstbauer die verbliebene Konstruktion sicher auf den Boden zurückbringen", sagt Münsterbaumeisterin Yvonne Faller. Mitte September soll es so weit sein. Dann lädt die Münsterbauhütte zum Abschlussfest auf den Münsterplatz ein.
Im Verhältnis zur sieben Jahrhunderte dauernden Geschichte des Freiburger Wahrzeichens sind zwölf Jahre Sanierung ein Wimpernschlag. Und doch wuchs zuletzt bei vielen die Ungeduld, "ihr Münster", ihre Bürger- und Bischofskirche, endlich gerüstfrei erleben zu können. "Natürlich wären wir gerne schneller fertig geworden", sagt Faller. "Aber zu Beginn hätten wir nie gedacht, welche enormen Herausforderungen auf uns warten."
Das Ausbessern schadhafter Buntsandsteine, filigraner Zierelemente, die Restaurierung von Maßwerken und Figuren - das war Routine. Schockiert waren die Experten, als sie entdeckten, dass das von den Baumeistern im Mittelalter erdachte Ringankersystem Schaden genommen hatte und die Stabilität des gesamten "Turmhelms", der luftig konstruierten 40 Meter hohen Turmspitze gefährdet war. Mehrere Ecksteine, auf denen ein Großteil des Gewichts des insgesamt 620 Tonnen schweren Turmhelms liegt, waren beschädigt. Und die in ihrem Inneren verbauten Metallringe, die als Anker für stabilisierende Metallstangen dienen, durchgerostet.
Münsterturm mit GerüstBild: picture-alliance/dpa
"Es war der kritischste Moment der gesamten Sanierung", erinnert sich Projektleiter Thomas Laubscher. Erfahrungen von anderen Kirchtürmen gab es nicht, da die Freiburger Konstruktion weltweit einzigartig ist. Erst nach aufwendigen statischen Modellrechnungen und monatelange Debatten konnten Lösungen gefunden werden, um die Stabilität des Turms zu sichern und gleichzeitig keine weithin sichtbaren Eingriffe nötig zu machen. Kurzzeitig war angedacht worden, große Metallseile von außen um den Turm herum zu legen. "Das konnten wir zum Glück verhindern", so Laubscher. Stabilisierende Verspannungen wurden nahezu unsichtbar eingebaut.
Insgesamt ersetzten die Steinmetze 121 schadhafte Steine und reparierten 225 Steinteile. Dabei musste fast keiner der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Originalsteine ausgetauscht werden. "Die meisten Beschädigungen gab es bei Bauteilen, die bei vorherigen Sanierungen, vor allem in den 1920er und 1960er Jahren, schon einmal ersetzt wurden", so Laubscher. Bis heute sind mehr als 80 Prozent der Buntsandsteine Turmhelms die Originale. "Die Fähigkeiten unserer mittelalterlichen Vorgänger sind verblüffend."
Ein Prinzip der Sanierung war es, wo immer möglich, auf moderne Materialien zu verzichten. Und diese Bewahrung des historischen Schatzes hat nun sogar die Weltkulturorganisation geadelt: Die Deutsche Unesco-Kommission nahm das Münsterbauhütten-Handwerk als Immaterielles Kulturerbe in das nationale Verzeichnis auf.
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Die Restauratoren sind sich sicher, dass der Turm für die kommenden Jahrzehnte gut dastehen wird. "In 50 Jahren wäre es sicher gut, mal wieder einen genaueren Blick darauf zu werfen, um erste kosmetische Reparaturen anzugehen. Aber unser Anspruch ist schon, für die Ewigkeit zu arbeiten", sagt Laubscher. Vorausgesetzt, dass Schäden nicht durch Vandalismus entstehen. Zuletzt kletterten Unbekannte nachts auf den Turm und hängten ein Kinderfahrrad und eine Gitarre auf.
Der Respekt für die gotische Kathedrale aber überwiegt. Dies wird auch bei der Finanzierung der Sanierung deutlich: Denn ein Löwenanteil des Gesamtetats von 13 Millionen Euro stammt aus Spenden und Stiftungen. Von Kirche, Stadt und Land kamen rund 5 Millionen Euro. Und Spenden und öffentliche Mittel werden auch künftig dringend gebraucht, wie Münsterbauvereinschef Sven von Ungern-Sternberg betont. "Das Münster in Ehren zu halten und zu erhalten, das ist eine Herausforderung für jede Generation." Nach dem Turm geht es jetzt an den Chor. Geplante Sanierungsdauer: zehn Jahre.