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Aufschwung vertagt

Sabine Kinkartz14. August 2014

Die erfolgsverwöhnte deutsche Export-Wirtschaft gerät ins Stottern. Grund sind die weltweiten geopolitischen Krisen. Auch die Auslandshandelskammern schicken zunehmend negative Nachrichten nach Berlin.

Symbolbild Großbritannien rutscht tiefer in Rezession
Bild: Reuters

Einen weltweiten Aufschwung hatten die Wirtschaftsexperten für das Jahr 2014 vorausgesagt. Doch der findet erst einmal nicht statt. Das Jahr entpuppt sich als geopolitisches Sorgenjahr. Die Kriege im Nahen Osten, aber vor allem der Krieg in der Ukraine und die politischen Spannungen mit Russland beeinflussen die Wirtschaft bereits deutlich.

So senkt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag seine Exportprognose für dieses Jahr von 4,5 auf 3,5 Prozent - und das sei auch noch optimistisch, meint DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. "Die Werte für Juli und August haben wir noch nicht. Sollte der Export im Verlauf des weiteren Jahres stagnieren, dann kommen wir nicht auf die 3,5 Prozent, sondern würden bei 2,1 Prozent landen." Eine weitere Eskalation ändere die Situation und damit das Prognose-Szenario.

Auslandshandelskammern warnen

Aktuell geht der DIHK davon aus, dass die Exporteure elf Milliarden Euro weniger umsetzen werden als erwartet. 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland seien gefährdet. Negative Signale erhält der DIHK auch aus seinen Auslandshandelskammern, das sind die offiziellen Vertretungen der deutschen Wirtschaft im Ausland.

"Die AHKs in nahezu allen Ländern der EU erwarten durch die Sanktionen und die russischen Reaktionen im weiteren Verlauf des Jahres weitere Beeinträchtigungen ihrer Konjunktur durch die Lieferstopps bei Lebensmitteln und im Agrarbereich", so Treier. Die Entwicklung der Konjunktur in der Eurozone werde dadurch nicht vollkommen gekippt, aber es sei eine weitere Belastung.

"Wir sind auf einem gefährlichen Pfad", warnt Außenwirtschaftsexperte Volker Treier

Doch die kann die EU im Moment gar nicht brauchen. Frankreichs Wirtschaftswachstum bleibe mit kaum mehr als einem Prozent auch im kommenden Jahr unter seinen Möglichkeiten, so Treier. Noch mehr Sorgen bereite Italien, das in einer Rezession zurückgeglitten sei. Doch auch Russland und die Ukraine leiden unter der Krise. Der DIHK hatte für Russland ein Wachstum von zwei Prozent vorausgesagt, jetzt ist im besten Fall von einer Stagnation der Konjunktur die Rede. Für die Ukraine wird sogar ein Minus von sieben Prozent für das laufende Jahr erwartet.

Wirtschaft ist verunsichert

Die Krise hat neben den unmittelbaren Belastungen für die deutsch-russischen und die europäisch-russischen Wirtschaftbeziehungen auch mittelbare Folgen. Denn auch die europäischen Lieferungen in russische Nachbarstaaten sind betroffen. "Kasachstan beispielsweise muss durch Russland beliefert werden, und das sind jetzt alles Fragezeichen für die Unternehmen, wie man damit umgehen kann", so Treier.

Eine Unsicherheit, die der Wirtschaft mehr zu schaffen macht, als man angesichts der Tatsache meinen sollte, dass Russland nur knapp 3,5 Prozent der gesamten deutschen Exporte abnimmt. Die Bedeutung Russlands schwankt jedoch in einzelnen Branchen. Rund 6000 deutsche Unternehmen sind in dem Land engagiert. Im Maschinenbau ist Russland der viertwichtigste Markt. Konkret befürchten viele Unternehmen, dass sich die Russen neue Geschäftspartner suchen werden. Im Visier sind China, Korea, eventuell auch Japan.

Erfahrungen mit Sanktionen

DIHK-Außenwirtschaftschef Treier vermutet, dass es außerdem zu einem Umlenken der Handelsströme kommen könnte. "Schauen Sie auf die Liste der Länder, die keine Sanktionen gegen Russland verhängt haben und dann schauen wir uns mal in ein paar Monaten oder im kommenden Jahr mal an, wie sich die Exporte - ich sag' jetzt nicht von Deutschland - aber von Europa und den USA in diese Länder nach oben entwickeln, weil sie dann doch nach Russland reinkommen wollen." Das sei ein Erfahrungswert. "Ich will das jetzt keinem empfehlen, aber das sehen wir bei Sanktionsregimen."

Die Wirtschaft werde sich mit den Gegebenheiten arrangieren und dann werde es "eine neue Realität" geben, analysiert der Volkswirt. "Wenn ein Schock eintritt - und dieser Konflikt ist wie ein exogener Schock - dann muss der erst einmal verdaut werden. In diesem Prozess des Verdauens bremst es, aber dann kommt man auch wieder in eine gewisse Normalität."

Sollten sich die Krisen in der Welt, auch im Nahen Osten und im Irak, nicht zuspitzen und es nicht zu einer weiteren Spirale der Eskalation mit Russland kommen, sei daher auch Besserung für 2015 in Sicht: Die Weltwirtschaft könnte dann um 3,8 Prozent anziehen und die deutschen Exporte könnten sogar ein Plus von rund fünf Prozent verzeichnen.

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