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PolitikEuropa

Sanktionen des Westens treten in Kraft

23. Februar 2022

Die USA und Europa haben mit einem Paket von Strafen auf die jüngste Eskalation Moskaus in der Ukraine-Krise reagiert. Die Außenministerin Deutschlands und ihr französischer Kollege suchen nach angemessenen Worten.

Ukraine Konflikte | Weißrussland | zusammengebaute Fahrzeugen auf dem Flugplatz Bokov in der Nähe von Mazyr
Truppenansammlung auf dem belarussischen Flugplatz Bokov nahe der ukrainischen Grenze - aufgenommen von der US-Firma Maxar TechnologiesBild: 2022 Maxar Technologies via AP/picture alliance

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian in Berlin, dass Deutschland und die EU zu weiteren Sanktionen gegen Russland bereit sind. Die EU nähme auch für "eine demokratische, souveräne und freie Ukraine auch wirtschaftliche Folgen in Kauf. Frieden und Freiheit in Europa haben kein Preisschild", sagte sie. Gleichwohl gehe es darum, auch in der Krise das Fenster offenzuhalten für Gespräche. "Wir wollen keinen Krieg in Europa," sagte sie. Le Drian hatte zuvor als Ehrengast auch an einer Sitzung des Bundeskabinetts teilgenommen.

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian und seine deutsche Kollegin Annalena Baerbock am Rande der Kabinettssitzung in BerlinBild: MICHELE TANTUSSI/Reuters/AP/picture alliance

Die neuen, bislang von der EU beschlossenen Sanktionen sehen unter anderem vor, jene 351 Abgeordnete des russischen Parlaments auf die Sanktionsliste zu setzen, die für die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk gestimmt haben. Hinzu kommen Strafen gegen 27 weitere Personen und Organisationen. Darüber hinaus sollen der Zugang des russischen Staates zu den EU-Finanzmärkten beschnitten und der Handel der EU mit den abtrünnigen Regionen beschränkt werden. Die Sanktionen sollen schon an diesem Mittwoch in Kraft treten.

Gegen Putin persönlich wurden vorerst keine EU-Sanktionen verhängt, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach einem Sondertreffen der EU-Außenminister in Paris bestätigte. Man habe so entschieden, um weitere Maßnahmen in Reserve zu haben.

Die EU hält sich weitere Sanktionen gegen Russland vor - hier der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bei der Bekanntgabe der EU-SanktionenBild: Michel Euler/AP/picture alliance

Die US-Regierung kündigte Sanktionen gegen zwei große russische Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer Putins und deren Familien an. Biden betonte, die USA seien zu noch härteren Strafmaßnahmen bereit, falls Russland sein Vorgehen gegen die Ukraine weiter vorantreibe. Ein US-Regierungsbeamter sagte, in diesem Fall sei "keine russische Finanzinstitution sicher". Ebenso könnten Exportkontrollen folgen. Auch ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Bezahlungssystem Swift sei bei einer Eskalation immer noch möglich.

Großbritannien und Kanada verkündeten ebenfalls Strafmaßnahmen gegen Russland. Die Bundesregierung wiederum stoppte die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorerst, wodurch Putin milliardenschwere Geschäfte erst einmal abschreiben kann.

Nach der Aussetzung des Genehmigungsverfahrens für die deutsch-russische Gaspipeline durch die Bundesregierung bringen die USA nun doch Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG und deren Top-Manager auf den Weg. Das teilte US-Präsident Joe Biden am Abend mit. Er hatte zuvor aus Rücksicht auf Deutschland auf einen solchen Schritt verzichtet.

Diplomatische Gespräche erstmal auf Eis 

Die Amerikaner erklärten auch geplante hochrangige diplomatische Gespräche mit der russischen Regierung vorerst für hinfällig. Außenminister Antony Blinken sagte, mit Blick auf das Vorgehen Moskaus habe es keinen Sinn, an dem ursprünglich für diesen Donnerstag in Genf angesetzten Gespräch mit seinem Kollegen Sergej Lawrow festzuhalten. Die US-Regierung sei grundsätzlich weiter zu diplomatischen Gesprächen bereit. Doch die russische Regierung müsse zeigen, dass es ihr ernst sei. "Die vergangenen 24 Stunden haben das Gegenteil gezeigt."

In den vergangenen Tagen war auch ein persönliches Treffen von US-Präsident Joe Biden und Kremlchef Wladimir Putin im Gespräch gewesen. Das Treffen von Blinken und Lawrow hätte der Vorbereitung dienen sollen. Eine direkte Zusammenkunft von Biden und Putin ist nun aber vorerst vom Tisch, wie die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, erklärte. Aktuell, da Putin die Invasion eines souveränen Landes vorantreibe, sei nicht der richtige Zeitpunkt für ein solches Treffen, sagte sie.

Russlands Präsident Putin hält an seinen Forderungen festBild: Kremlin Pool Photo/Sputnik/AP Photo/picture alliance

Angesichts der Eskalation in der Ukraine-Russland-Krise hat EU-Ratspräsident Charles Michel einen Sondergipfel einberufen. Das Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs werde am Donnerstagabend stattfinden. "Die Anwendung von Gewalt und Zwang zur Veränderung von Grenzen hat im 21. Jahrhundert keinen Platz", twitterte Michel. Es sei wichtig, dass die EU weiter geschlossen und bestimmt handele, schrieb Michel und verurteilte die "aggressiven Aktionen" Russlands. Diese verletzten das Völkerrecht sowie die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine. Zudem würden sie die europäische Sicherheitsordnung untergraben.

Putin: Interessen Russlands sind bedingungslos

Russlands Präsident Putin sagte in einer Videobotschaft zum Tag des Vaterlandsverteidigers, dass sein Land immer offen für einen direkten und offenen Dialog sei, für eine Suche nach diplomatischen Lösungen für die schwierigsten Probleme. "Aber ich wiederhole:Die Interessen Russlands und die Sicherheit unserer Bürger sind für uns bedingungslos", betonte er anlässlich des Feiertags, an dem Russland und andere ehemals sowjetische Staaten ihre Streitkräfte ehren. "Heute bleibt die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes die wichtigste staatliche Aufgabe." Die Aufrufe Moskaus nach Garantien dafür, dass die Sicherheit eines Landes nicht auf Kosten eines anderen geht, seien bislang unbeantwortet geblieben, kritisierte Putin. Russland fordert unter anderem ein Ende der NATO-Osterweiterung und insbesondere einen Verzicht auf eine mögliche Aufnahme des Nachbarlands Ukraine in das westliche Militärbündnis.

Russland setzte am Mittwoch den angekündigten Abzug seines diplomatischen Personals aus der Ukraine in die Tat um. Ein Sprecher der russischen Botschaft in Kiew bestätigte die Evakuierung. Über dem Botschaftsgebäude hing kein russische Flagge mehr. Mehrere Menschen verließen die Botschaft mit Koffern.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat die Äußerung Putins zurückgewiesen, in der Ost-Ukraine werdeVölkermordan Russen begangen. "Ich glaube nicht, dass dies der Fall ist", sagte Guterres in New York. Nach internationalem Recht gilt als Völkermord die Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise auszulöschen.

Biden: Russlands Vorgehen größtmögliche Bedrohung für Europa

Biden rechnet indes weiter mit einem großangelegten Angriff Russlands auf das Nachbarland. "Wir glauben nach wie vor, dass Russland bereit ist, deutlich weiterzugehen und einen massiven Militärschlag gegen die Ukraine zu starten", sagte der US-Präsident im Weißen Haus. Er bezeichnete Moskaus Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk und die geplante Entsendung russischer Truppen dorthin als "Beginn einer Invasion". Putin liefere "eine Begründung für die gewaltsame Einnahme weiterer Gebiete".

Die US-Regierung hatte wochenlang eindringlich vor einer russischen Invasion gewarnt und sich so von mehreren Seiten den Vorwurf eingehandelt, Alarmismus zu verbreiten und die Lage nur anzuheizen. Nun fühlt sich die Biden-Regierung in ihrem Kurs bestätigt. Blinken sagte mit Blick auf Putin: "Sein Plan war von Anfang an, in die Ukraine einzumarschieren, um die Ukraine und ihre Bevölkerung zu kontrollieren, um die ukrainische Demokratie zu zerstören (...), um die Ukraine als Teil Russlands zurückzuerobern." Der Außenminister bezeichnete das Vorgehen Moskaus als "die größte Bedrohung für die Sicherheit in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg". Putin breche gewaltsam die Gesetze und Grundsätze, die seit Jahrzehnten den Frieden in Europa und der ganzen Welt bewahrt hätten.

Tür zur Diplomatie geschlossen?

Der estnische Europapolitiker Riho Terras geht davon aus, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Tür zur Diplomatie geschlossen habe. "Ich glaube nicht, dass Putin die Diplomatie versteht, denn bei jedem Versuch, ihm die Hand zu reichen, hat er nicht die friedliche Hand genommen", sagte Terras der Deutschen Welle. "Ich glaube also nicht, dass Putin eine diplomatische Lösung will", so der ehemalige Befehlshaber der estnischen Streitkräfte. "Wenn er (Putin) das tut, ist das natürlich sehr positiv", fügte das Mitglied des Europa-Parlaments hinzu, betonte aber zugleich, dass Putin dann von seinen Plänen bezüglich Donezk und Luhansk abrücken und die Krim an die Ukraine zurückgeben müsste.

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin geht davon aus, dass es härtere westliche Sanktionen im Energiebereich geben werde, wenn die Situation eskalieren sollte. "Denn Energie ist der relevante Schlüsselfaktor, mit dem Putin seinen Krieg gegen die Ukraine finanziert und die europäische Sicherheitsarchitektur untergräbt", sagt Trittin der Deutschen Welle. Der Bundestagsabgeordnete fügte hinzu: "Mittelfristig wird Putin ernsthafte Probleme haben, seinen Haushalt zu finanzieren." Derzeit gebe es "eine zweiseitige Abhängigkeit". Allerdings sei Europa dabei, seine Transportkapazitäten zu diversifizieren, die eigene Gas- und Ölnachfrage sowie die eigene Kohlenachfrage zu senken. Je schneller die Europäer also beim Dekarbonisieren vorankämen, desto schlechter werde die Situation für den russischen Präsidenten.

as/qu/kle/ml (dpa, afp, rtr, DW)

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