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Santorini: Steht ein großes Erdbeben erst noch bevor?

5. Februar 2025

Hunderte Erdstöße haben Santorini bereits erschüttert. Viele Menschen haben die griechische Mittelmeerinsel schon verlassen. Denn bislang ist nicht klar, ob ein noch größeres Erdbeben sogar noch bevorsteht.

Menschen gehen durch die engen Gassen zwischen weißen Häuser auf Santorini, dahinter öffnet sich der Blick auf das Meer und zwei kleine Inseln
Ein Bild aus ruhigeren Tagen auf Santorini - mittlerweile haben viele Menschen die griechische Insel verlassenBild: ARIS MESSINIS/AFP via Getty Images

Wackelnde Gebäude, Risse im Mauerwerk: Hunderte von Erdbeben haben die griechische Insel Santorini in der vergangenen Woche ins Wanken gebracht. Das beliebte Touristenziel liegt nicht nur im Herzen der Ägäis, sondern auch in einer vulkanisch sehr aktiven Region. Rund 6000 Einheimische, Besucherinnen und Besucher haben die Mittelmeerinsel bereits in Richtung Festland verlassen. Denn es besteht die Sorge, dass ein womöglich noch stärkeres Beben folgen und einen Vulkanausbruch oder einen Tsunami auslösen könnte.

Der Leiter der griechischen Erdbebenwarte, Efthimis Lekkas, erklärte am Dienstag gegenüber den Medien, dass "die Besonderheit der derzeitigen seismischen Aktivität darin besteht, dass bisher kein Beben beobachtet wurde, das als Hauptbeben bezeichnet werden könnte."

Wo genau ereignen sich die Erdbeben rund um Santorini?

Die Erdbeben gehen von einem Gebiet in der Nähe der kleinen Insel Anydros nordöstlich von Santorini aus. Auch auf anderen Inseln im Süden der Kykladen-Inselgruppe wurden Erschütterungen registriert, so auf Santorinis Nachbarinseln Amorgos, Ios und Anafi.

In der griechischen Ägäis grenzen zwei Kontinentalplatten aneinander: die Eurasische Platte und die Afrikanische Platte. Die Erdplattengrenze verläuft südlich der Insel Kreta. Dort wird die von Süden kommende Afrikanische Platte unter den ägäischen Teil der Eurasischen Platte in Richtung Norden geschoben. Die gigantischen Kräfte dieses Vorgangs an den Erdplattengrenzen machen damit den griechischen Archipel zu einem der seismisch aktivsten, also erdbebengefährlichsten Gebiete Europas.

Bislang halten sich die Schäden auf Santorini meist in GrenzenBild: Petros Giannakouris/dpa/picture alliance

Wie stark waren die Beben rund um Santorini?

Seit letzter Woche wurden hunderte einzelne Beben registriert. Viele von ihnen waren jedoch an Land kaum zu spüren, weil sie nur eine geringe Stärke hatten. Laut George Kaviris, Leiter des seismologischen Labors an der Universität Athen, hatte es in der Region bereits seit Juni 2024 immer wieder schwache Beben gegeben. Wie Kaviris im Gespräch mit der DW berichtet, kamen diese Aktivitäten am 25. Januar zum Stillstand.

Am darauffolgenden Tag begann dann eine neue Serie von Beben. "Wir haben mehr als 2300 Erdbeben erlebt, und viele von ihnen - inzwischen mehr als 45 - haben eine Stärke von über 4 [auf der Magnituden-Skala] - was ein sehr seltenes Phänomen ist." Solche "mäßigen" Erdstöße sind deutlich zu spüren und können auch kleinere Schäden an Gebäuden verursachen. Es waren diese Beben, die die Menschen veranlasst haben, die Inseln zu verlassen und aufs Festland zu gehen.

Welche Risiken haben die Erdbeben in der südlichen Ägäis?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können zwar die anhaltenden Beben messen, aber nicht vorhersagen, wo und wann es zu einer weiteren Erschütterungen kommen wird. Laut Kaviris ist jedoch eines von der beiden folgenden Szenarien am wahrscheinlichsten. "Das erste ist, dass es sich um einen 'seismischen Schwarm' handeln könnte." Solche Schwärme sind gebündelte seismische Ereignisse, also eine Häufung von Erdbeben, die zwar von Menschen wahrgenommen werden, aber für Gebäude und Infrastruktur relativ unproblematisch sind. "Dieses [Szenario] ist ein optimistisches. Es ist das, worauf wir hoffen", so Kaviris.

Das zweite Szenario wäre ein größeres Erdbeben mit einer Stärke von mehr als 5 auf der Magnituden-Skala, das größere Zerstörungen zur Folge haben könnte.

Könnte es einen Tsunami, Vulkanausbruch oder Erdrutsche geben?

Laut Kaviris ist die derzeitige Aktivität in der Ägäis tektonischer Natur und wird wahrscheinlich nicht zu einem Vulkanausbruch führen. Im Falle eines großen Erdbebens bestehe aber ein geringes Risiko für einen Tsunami. Das sei zwar unwahrscheinlich, aber bei einem Erdbeben im Jahr 1956 war es tatsächlich zu einem solchen Tsunami gekommen. Kaviris rät den Menschen in der Region daher, bei den aktuellen Beben höher gelegenes Gebiete aufzusuchen, anstatt mit Booten zum Festland zu fahren. "Sie sollten den Strand verlassen und sich an einen höher gelegenen Ort begeben."

Laut Jens Karstens vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR) im deutschen Kiel könnten die aktuellen Erdbeben allerdings zusätzlich auf vulkanische Aktivitäten zurückzuführen sein. "Eine wahrscheinliche Magmabewegung in das Vulkansystem von Santorini führt zu Spannungen in der Erdkruste. Diese Spannungen aktivieren die zahlreichen Verwerfungen im Umfeld von Santorini, an denen es dann zu Erdbeben kommt", so Karstens.

Auch Eleonora Rivalta von der Sektion Erdbeben- und Vulkanphysik am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung im deutschen Potsdam verweist darauf, dass Santorini ein aktiver Vulkan ist. "Es ist derzeit nicht eindeutig geklärt, ob die aktuelle seismische Krise rein tektonischen Ursprungs ist." Der Unterschied, so Rivalta: Tektonische Beben setzten in der Regel einzelne Spannungen frei. Sie führten selten zu größeren Beben. Vulkanische Prozesse können dagegen "potenziell mit weiterem Magmaaufstieg und einem erhöhten Ausbruchsrisiko verbunden sein."

Seit Beginn der größeren Beben Ende Januar gab es auf Santorini mehrere ErdrutscheBild: ARIS MESSINIS/AFP via Getty Images

Einig sind sich die Forschenden darüber, dass derzeit vor allem die Gefahr von Erdrutschen sehr hoch ist. "In den letzten beiden Tagen, als die seismische Aktivität in der Region zunahm, kam die Erde auf Santorini stellenweise ins Rutschen", berichtet Seismologe Basil Margaris vom griechischen Institut für Ingenieursseismologie und Erdbebentechnik der DW. 

Zwar müssen neuere Gebäude auf den griechischen Inseln strenge Erdbeben-Vorschriften erfüllen, doch die Erdrutsche könnte vor allem für ältere Gebäude eine Gefahr darstellen, so Margaris. "Die Menschen auf Santorini wohnen gerne am Rande eines Ortes mit Panoramablick, aber das hat den Nachteil, dass diese Gebiete sehr gefährlich sind. In einigen Fällen haben wir deswegen die örtlichen Behörden gewarnt, an diesen speziellen Orten besondere Vorsicht walten zu lassen."

Redaktion: Fred Schwaller, Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk