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KonflikteBelarus

In Sapads Schatten: Annäherung zwischen Belarus und den USA?

17. September 2025

Das russisch-belarussische Militärmanöver Sapad 2025 endet ohne Eskalation. Stattdessen spielte sich Erstaunliches ab: Die Regierung in Minsk knüpft zarte Bande nach Washington. Was ist von dieser Entwicklung zu halten?

Juni 2025: Alexander Lukaschenko schüttelt US-Sondergesandten Keith Kellogg die Hand
Schon im Juni begrüßte Alexander Lukaschenko den US-Sondergesandten Keith Kellogg in Minsk - nicht das einzige Treffen belarussischer und US-amerikanischer Vertreter in diesem Jahr Bild: Belarusian Presidential Press Service/AP/dpa/picture alliance

Die Sorgen der Staaten an der NATO-Ostflanke vor einer Eskalation waren groß. Insgesamt "100.000 Soldaten", erklärte Russlands Staatschef Wladimir Putin bei seinem Besuch des Manövers am Dienstag, hätten in den vergangenen fünf Tagen an der russisch-belarussischen Militärübung "Zapad 2025" teilgenommen. Dabei hätten sie zu Wasser, zu Land und in der Luft Verteidigungsstrategien trainiert. Geübt wurde jedoch auch die Einsatzplanung für die neue russische Mittelstreckenrakete Oreschnik, die atomar bestückt werden kann. Und schon im Vorfeld des Manövers hatten zahlreiche russische Drohnen für Aufregung gesorgt, von denen mehrere über polnischem Luftraum abgeschossen worden waren.

Zehntausende Soldaten waren am diesjährigen russisch-belarussischen Militärmanöver Sapad-2025 beteiligtBild: Russian Defence Ministry/AFP

Mittlerweile aber ist die Militärübung ohne weitere Eskalation zu Ende gegangen - und ob die Zahl der teilnehmenden Soldaten tatsächlich so hoch war wie vom russischen Staatschef angegeben, darf zumindest bezweifelt werden, auch wenn das Manöver Putin zufolge an "insgesamt 41" Schauplätzen zwischen Barentssee und Belarus stattgefunden haben soll. An den Übungen hatten sich laut Kreml zwar auch "Armeekontingente" aus Indien, Bangladesch, dem Iran und unter anderem Burkina Faso und Mali beteiligt. Indien hatte hierfür jedoch laut Verteidigungsministerium in Neu Delhi lediglich 65 Soldaten abgestellt; Zahlen aus den anderen Staaten sind zwar nicht bekannt, dürften aber nicht wesentlich höher gelegen haben. Und in Belarus sollen dem dortigen Verteidigungsminister zufolge lediglich "6000 belarussische und 1000 russische Soldaten" mitgemacht haben. 

Militärbeobachter aus den USA

Überhaupt setzte das Verhalten der belarussischen Staatsvertreter in den vergangenen Tagen einen erstaunlichen Kontrapunkt zum Auftritt des russischen Staatschefs. Während Wladimir Putin im russischen Nischni Nowgorod demonstrativ im Tarnfleckanzug mit großen Zahlen hantierte und davon sprach, die Übung solle "potenzielle Aggressionen abwehren", bemühte sich der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko um Deeskalation: "Wir haben keineswegs vor, irgendjemanden zu bedrohen", erklärte der belarussische Machthaber. Während in Russland keinerlei Beobachter zugelassen waren, ließ die Staatsspitze in Minsk gleich reihenweise Journalisten und Militärbeobachter ins Land, die sich die Übungen nahe Borisov vor Ort anschauen konnten. Eingeladen waren dabei sogar Armeeangehörige aus drei NATO-Staaten: der Türkei, Ungarn - und den USA.

Truppenbesuch im Tarnfleckanzug: Wladimir Putin begutachtet das Militärmanöver Sapad im russischen Nischni NowgorodBild: Mikhail Metzel/Sputnik/REUTERS

Es war das erste Mal seit 2017, dass zwei US-Militärs als Beobachter zugegen waren. Die beiden wurden dabei einem Bericht der New York Times zufolge vom belarussischen Verteidigungsminister Viktor Chrenin per Handschlag begrüßt: "Wir verstecken nichts. Wir zeigen Ihnen, was auch immer Sie wollen!" Und dann habe Chrenin seine Untergebenen angewiesen, die Delegation zu "den besten Plätzen" zu führen, um sich alles anzuschauen.

Minsker "Charmeoffensive"

Dieses jüngste Ereignis ist nur der Höhepunkt einer Entwicklung, die sich schon seit dem erneuten Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump am 20. Januar dieses Jahres angedeutet hatte. Nur eine Woche später hatte das Lukaschenko-Regime eine zuvor inhaftierte US-Bürgerin freigelassen - der Politologin Katsiaryna Shmatsina vom Washingtoner Lawfare Institute zufolge "eine kalkulierte Geste, um die Aufmerksamkeit Washingtons zu erlangen." Noch im Februar waren Mitarbeiter des US-Außenministeriums nach Minsk geflogen, um die Freilassung weiterer politischer Gefangener in Belarus auszuhandeln.

Das Muster wiederholte sich im Juni 2025, als nach einem Besuch des US-Sondergesandten Keith Kellogg in Minsk weitere 14 politische Häftlinge freigelassen wurden, darunter der prominente Oppositionelle Sergej Tichanowski - er hatte als Gegner Lukaschenkos bei den Präsidentschaftswahlen 2020 antreten wollen. Im Umfeld dieser Wahlen war es zu großen Massenprotesten gegen den Langzeitherrscher gekommen, auf die das Regime mit massiven Repressionen geantwortet hatte.

Herzlicher Empfang: Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko begrüßt den US-Vertreter John Coale am 11.September 2025 in MinskBild: President of Belarus/REUTERS

Und erst in der vergangenen Woche waren erneut US-Vertreter nach Minsk gereist; diesmal erreichten sie die Freilassung von 52 gefangenen Journalisten und Regimekritikern. Im Gegenzug dazu lockerten die USA bestehende Sanktionen gegen die staatliche belarussische Fluggesellschaft Belavia.

Was versprechen sich Trump und Lukaschenko davon?

Aber wie ernst ist es wirklich mit der Annäherung zwischen Minsk und Washington? "Präsident Trump glaubt offenbar, Lukaschenko könne ihm helfen, Putin zu einem Ende seiner Aggression in der Ukraine und einem Friedensprozess zu bewegen", erklärt John Herbst, ehemaliger US-Botschafter in Kyjiw und heute Leiter des Eurasien-Zentrums am Atlantic Council, gegenüber der DW. "Ich glaube aber nicht, dass sich diese Hoffnung erfüllen wird." Trump hatte versprochen, den Krieg in der Ukraine schnell zu beenden, sich am russischen Staatschef aber wiederholt die Zähne ausgebissen.

Zu den im Juni freigelassenen Gefangenen gehörte auch der belarussische Oppositionelle Sergej TichanowskiBild: Olga Kapustina/DW

Alexander Lukaschenko wiederum ist politisch und wirtschaftlich quasi völlig abhängig von Putin. "Ja, er ist fest in der Umarmung des Kremls", erklärt John Herbst, "aber er würde diese gerne lockern und hätte gern etwas mehr Spielraum - so, dass er nicht immer bloß Putins Wünsche erfüllen und Putins Willkür gehorchen muss. Lukaschenko strebte stets eine gewisse Nähe zum Westen und insbesondere zu den USA an."

Im Klammergriff des Kremls

Der belarussische Langzeitdiktator habe bereits seit der russischen Krim-Annexion 2014 immer wieder versucht, sich in Washington als "das geringere Übel" zu Wladimir Putin zu positionieren, schreibt auch Katsiaryna Shmatsina. Deshalb habe es immer wieder Kontakte zwischen beiden Administrationen gegeben. Unklar bleibt jedoch, wie ernst Lukaschenko es tatsächlich mit seiner "Charmeoffensive" Richtung Washington meint - und wie unabhängig von Moskau er wirklich agiert.

Demonstrative Einigkeit: Wie unabhängig von Putin kann Lukaschenko überhaupt agieren?Bild: Gavriil Grigorov/Sputnik/dpa/picture alliance

Während Donald Trump also darauf hofft, den belarussischen Langzeitdiktator als Hebel nutzen zu können, um an Wladimir Putin heranzukommen, ist es durchaus möglich, dass der Machthaber in Minsk seine Rolle nur in enger Absprache mit Moskau spielt. John Herbst jedenfalls warnt: "Lukaschenko ist ein Verbrecher. Er führt ein brutales autoritäres Regime. Er hat Putins Aggression in der Ukraine teilweise ermöglicht. Es steht außer Frage, dass Lukaschenko ein enger Partner des Kremls ist." Natürlich strebe er für Belarus eine Aufweichung der derzeitigen US-Sanktionen an. Dies sei aber ein zweischneidiges Schwert - gerade weil Russland und Belarus wirtschaftlich so eng miteinander verflochten sind: "In dem Maße, in dem es Lukaschenko besser geht," so Herbst, "hilft es letztendlich auch Putin."

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik
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