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Sarkozy wehrt sich gegen "Lügen"

16. Juli 2010

Nach wochenlanger Kritik an der französischen Regierung hat Staatschef Sarkozy versucht, einen Schlussstrich unter den mutmaßlichen Parteispendenskandal und andere Affären zu ziehen. Frankreich sei "kein korruptes Land."

Nicolas Sarkozy (Foto: AP)
Nicolas Sarkozy: Seine Popularität lässt nachBild: AP

Frankreich habe wichtigere Probleme zu lösen, als sich mit "Verleumdungen" und "Lügen" aufzuhalten, sagte Präsident Nicolas Sarkozy am Montagabend (12.07.2010) in einem einstündigen Fernseh-Interview. Es war das erste Mal, dass sich Sarkozy öffentlich zu der Spendenaffäre äußerte, die seit Wochen die politische Führung des Landes erschüttert.

Kampagne politischer Gegner?

Ausdrücklich sprach der französische Präsident seinem Arbeitsminister Eric Woerth, einem seiner engsten politischen Verbündeten, das Vertrauen aus. Woerth war unter Verdacht geraten, von der reichsten Frau des Landes, der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt, illegale Spenden zur Finanzierung von Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf 2007 angenommen zu haben.

Woerth sei "ein zutiefst ehrenhafter Mann", betonte Sarkozy. Zugleich deutete der Staatschef an, dass politische Gegner die Vorwürfe in Umlauf gebracht haben könnten, um die unliebsame Rentenreform zu torpedieren, für die Woerth als Arbeitsminister zuständig ist. Die konservative Regierung plant, das Renten-Eintrittsalter von 60 auf 62 Jahre anzuheben - was in Frankreich zu heftigen Protesten führt. Sarkozy ließ in dem TV-Interview jedenfalls keine Zweifel an seiner Entschlossenheit, die Reform bis Oktober dieses Jahres zu verabschieden.

"Umschläge voller Bargeld"

Liliane Bettencourt: Wie großzügig war sie?Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Die langjährige Buchhalterin Bettencourts hatte vor einer Woche bei der Polizei zu Protokoll gegeben, dass die Milliardärin und ihr mittlerweile verstorbener Mann regelmäßig großzügige Spenden an konservative Politiker verteilt hätten. Es sei "ein Kommen und Gehen" gewesen in der Villa im Nobelvorort Neuilly, sagte die frühere Angestellte aus. Bettencourts Vermögensverwalter habe das Geld seinerzeit dem Schatzmeister der Regierungspartei UMP - Eric Woerth - bei einem Abendessen in einem Umschlag zugesteckt.

Für sich selbst stellte Sarkozy klar: "Ich war kein Vertrauter der Bettencourts." Er sei nur zwei, drei Mal bei ihnen zum Essen gewesen, jeweils mit mehreren anderen Gästen. "Glauben Sie etwa, ich habe da jedes Mal Geld abgeholt?", fragte er ironisch. Eine Zeugin hatte ausgesagt, auch Sarkozy habe Umschläge voller Bargeld von der L'Oréal-Erbin angenommen - in seiner Zeit als Bürgermeister von Neuilly. Die Zeugin korrigierte ihre Aussage allerdings später.

"Niemals, in keiner Form"

Zu Unterstellungen, Woerth habe einen Steuerbetrug Bettencourts gedeckt, sagte Sarkozy: "Was für eine Zeitverschwendung!" Hintergrund: Woerths Frau hatte für die Vermögensverwaltung von Bettencourt gearbeitet, während er - damals noch als Haushaltsminister - zur Jagd auf Steuersünder geblasen hatte.

Eric Woerth: Als Schatzmeister der UMP zurückgetretenBild: UMP

Dazu erklärte Sarkozy: Inspekteure der Finanzdirektion hätten einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht und festgestellt, dass Woerth sich als Haushaltsminister "niemals, in keiner Form" mit Bettencourts Steuerakte befasst habe. Daher gebe es keinen Grund, den Minister zu entlassen. Er habe Woerth aber darum gebeten, sich künftig ganz der wichtigen Rentenreform zu widmen. Sein Rat an ihn sei, das Amt des Schatzmeisters der Regierungspartei UMP nicht länger wahrzunehmen." Diesem Rat ist Woerth nun auch gefolgt: Am Dienstag (13.07.2010) gab er sein Amt als Schatzmeister auf.

Die Opposition äußerte Zweifel an der Objektivität der Inspekteure der Finanzdirektion. Die Sozialisten forderten die Einsetzung eines von der Regierung unabhängigen Untersuchungsrichters. Sarkozys parteiinterner Rivale, der frühere Regierungschef Dominique de Villepin, räumte ein: Der Bericht der Finanzdirektion habe "natürlich nicht die gleiche Glaubwürdigkeit wie ein unabhängiges Prüfverfahren". Frankreich brauche "keinen Astronauten als Präsident". Sarkozy halte sich seit drei Jahren "in einer Blase" auf und müsse endlich "landen", forderte Villepin. In Umfragen steht der Präsident jedenfalls so schlecht da wie noch nie seit seinem Amtsantritt vor gut drei Jahren. Nur noch 30 Prozent der Franzosen sind demnach mit Sarkozy zufrieden.

Ermittler schlagen zu

Am Montagnachmittag - also wenige Stunden vor Sarkozys TV-Interview - durchsuchten Ermittler unter anderem den Pariser Wohnsitz des Fotografen François-Marie Banier, der als eine der Schlüsselfiguren des Skandals gesehen wird. Der Vertraute Bettencourts steht gemeinsam mit ihr unter Verdacht der Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Ihre enge Freundschaft war ein Auslöser der ganzen Affäre. Bettencourts Tochter hatte ihre Mutter verklagt, weil diese sich ihrer Ansicht nach von Banier ausnehmen ließ.

Autor: Christian Walz, Annamaria Sigrist (afp, dpa, apn, rtr)
Redaktion: Rainer Esser

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