Paris auf Kuschelkurs
25. November 2007"Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte". Dass dieses alte Sprichwort nicht nur auf kindische Zänkereien, sondern auch auf die Weltpolitik anwendbar ist, zeigt die Ankündigung des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy drei Tage vor seiner ersten Chinareise, die am Sonntag (25.11.2007) beginnt. Darin ließ er verlautbaren, die "Spannungen zwischen Peking und anderen Ländern nutzen zu wollen", um die Position Frankreichs zu stärken. Insbesondere dürfte dies zutreffen auf sein Treffen mit Chinas Staatspräsident Hu Jintao am Montag.
"Andere Länder", damit ist in erster Linie Deutschland gemeint. Denn die deutsch-chinesischen Beziehungen befinden sich zurzeit in einer schweren Krise. Peking nimmt der Bundeskanzlerin Angela Merkel übel, dass sie im September, nur zwei Wochen nach ihrem Peking-Besuch, den Dalai Lama im Kanzleramt empfing.
Die bilateralen Beziehungen erhielten dadurch einen Kälteschock. China sagte mehrere Treffen mit Deutschland ab. In der deutschen Wirtschaft machte sich die Sorge breit, der Besuch könnte sich auch negativ auf die Geschäfte mit dem Reich der Mitte auswirken.
Die Geschäftsführerin der deutschen Handelskammer (AHK) in Peking, Jutta Ludwig, hat den Stimmungsumschwung in China sehr wohl gespürt. In der Presse habe sich gezeigt, dass "die Chinesen tief beleidigt waren".
AHK: Deutscher Mittelstand nicht betroffen
Direkte Auswirkungen auf die Geschäfte der in der AHK organisierten Unternehmen kann Jutta Ludwig aber nicht verzeichnen. "Bei uns sind vor allem mittelständische Unternehmen vertreten, und da spielt die Politik nicht so eine durchschlagende Rolle." Ihrer Einschätzung nach handeln Chinesen in der Wirtschaft sehr rational und lassen sich nicht von politischen, sondern von sehr pragmatischen Ideen leiten.
Einen politischen Einfluss auf deutsch-chinesische Geschäfte kann es Experten zufolge dort geben, wo das chinesische öffentliche Auftragswesen beteiligt ist. Hier könne ein verstimmtes bilaterales Verhältnis eventuell auch Auswirkungen auf Auftragsvergaben haben. Aber auch hier warnt Jutta Ludwig vor Panikmache.
Atomenergie und Luftfahrt
Sarkozy hat auf seiner Reise stark politisierte Wirtschaftsbereiche im Blick. Er hat angekündigt, vor allem im Bereich friedliche Atomenergie und in der Luftfahrt große Deals anleiern zu wollen.
Menschenrechtsfragen stehen Wirtschaftsinteressen unversönhlich gegenüber. Eigentlich ein altes Lied, aber dieses Mal klingt es doch anders: Jetzt spielt China zwei befreundete Staaten gegeneinander aus. Und Sarkozy macht mit. Der französische Präsident hat sich durch sein Statement drei Tage vor seinem ersten Chinabesuch klar für Wirtschaftsinteressen ausgesprochen. Mit im Gepäck hat er eine große Wirtschaftdelegation von 40 Unternehmensbossen. Seine Staatssekretärin für Menschenrechte, Rama Yade, ist nicht dabei, wogegen sie lautstark protestierte. In einem Zeitungsinterview mahnte sie an, man werde ihre Abwesenheit in Peking bemerken.
Menschenrechtler ermahnen Sarkozy
Rückendeckung bekommt Yade von der Internationalen Liga für Menschenrechte (FIDH), die den Präsidenten im Vorfeld des Staatsbesuchs in einem offenen Brief dazu aufgefordert hat, die Menschenrechtsproblematik in China offen anzusprechen. Isabel Brachet, die Asien-Beauftragte der FIDH, ist gespannt, ob Sarkozy auch unbequeme Punkte wie die Todesstrafe auf die Agenda setzen wird. Die "Rupture", das heißt der von Sarkozy versprochene Neuanfang der französischen Politik, zumindest auf symbolischer Ebene sei noch möglich, je nachdem wie der Präsident diese Reise gestalte, so Brachet. Sie persönlich sei in dieser Frage aber wenig optimistisch.
Auch der deutsche Chinaexperte der deutschen Gesellschaft für Politik, Eberhard Sandschneider, glaubt, dass Paris das Thema Menschenrechte zurzeit bewusst tief hängt, um sich in Peking lieb Kind zu machen. "Schon jetzt sagt die chinesische Regierung, Frankreich sei der wichtigste Partner Chinas im Westen", sagt Sandschneider. Da zeige sich, dass Frankreich - trotz einer angeblichen gemeinsamen Chinastrategie - sich jetzt anschickt, die "Früchte dessen zu ernten, was die deutsche Bundesregierung verspielt hat".
Frankreichs Nachholbedarf
Und die chinesischen Früchte sind verführerisch. "Das chinesische Eldorado zieht französische Unternehmen massiv an, aber wir müssen noch Anstrengungen unternehmen, um unseren Rückstand aufzuholen", hieß es am Donnerstag noch aus dem Elysée-Palast in Paris. Tatsächlich liegt Frankreich deutlich hinter Deutschland, was die Exporte nach China angeht. Im vergangenen Jahr führten französische Unternehmen Waren und Dienstleistungen im Wert von 10,8 Milliarden Euro nach China aus. Die deutsche Wirtschaft kam auf 27,5 Milliarden Euro.