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Politik

Saudi-Arabien bastelt an seiner Zukunft

26. Oktober 2017

Kronprinz Mohammed bin Salman will Saudi-Arabien reformieren. Nur so lassen sich soziale und wirtschaftliche Herausforderungen bewältigen. Weniger ehrgeizig sind die Pläne für den Wandel der politischen Kultur.

Riad  Future Investment Initiative conference Mohammed bin Salman
Der saudische Kronprinz Mohammed bin SalmanBild: Reuers/H. I Mohammed

Die saudischen Herrscher haben ein Problem: ihre Untertanen. Gemessen an den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die das Land derzeit bietet, sind es einfach zu viele. Zwischen 1980 und 2015 hat sich die Bevölkerung vervierfacht. Derzeit leben rund 30 Millionen Menschen im Land, von denen zehn Millionen aus dem Ausland kommen. Dabei wird es allerdings nicht bleiben, denn die Bevölkerung wächst weiterhin um 2,2 Prozent pro Jahr. Zudem ist sie sehr jung: Gut zwei Drittel sind jünger als 30 Jahre.

Sehr viele dieser Menschen suchen Arbeit. Entwickelt sich der Arbeitsmarkt weiter wie bisher, können sie allerdings kaum hoffen, eine Stelle zu finden. Bereits jetzt sind 12 Prozent der Bevölkerung arbeitslos - den offiziellen Statistiken zufolge. Unter den jungen Menschen bis 24 Jahre suchen sogar bis zu 40 Prozent eine Arbeit. Für die Zukunft verheißt das nichts Gutes: Nach Berechnungen der Saudi-US Trade Group könnten bereits 2020 bis zu zweieinhalb Millionen saudische Bürger ohne Arbeit sein. Bleiben sie arbeitslos, könnte es sein, dass sie langfristig auf die Regierung nicht sonderlich gut zu sprechen sind.

Was dann passieren könnten, haben die Unruhen des arabischen Revolutionsjahres 2011 gezeigt. Damals konnte der Staat seine aufbegehrenden Bürger zwar noch mit Zuwendungen besänftigen. Aber dass diese Art der Beschwichtigung auf Dauer praktikabel und finanzierbar ist, scheint angesichts der desolaten Haushaltsentwicklung zweifelhaft. Der Sturz des Ölpreises bescherte dem Land 2015 ein Rekorddefizit von 98 Milliarden US-Dollar. 2016 gelang es, dies auf 79 Milliarden zu drücken, für das laufende Jahr rechnet man nach Angaben der deutschen Wirtschaftsinformationsgesellschaft Germany Trade and Invest mit einem Minus von 53 Milliarden.

Seit langem abhängig vom Öl. Szene aus der Öl-Region Dahara, Mitte der 50er JahreBild: Getty Images/Hulton Archive

Das Saudi-Arabien der Zukunft

Es muss also etwas passieren. Entsprechend ehrgeizig sind die Pläne des jungen, 2017 zum Kronprinzen ernannten Mohammed Bin Salman, des Sohns des derzeitigen Königs Salman. Wie die anderen 70 Prozent der unter 30 Jahre alten Saudis erklärte auch der 1985 geborene Bin Salman im Februar dieses Jahres in einem Interview mit der Zeitschrift "The Economist", er habe große Erwartungen an die Zukunft: "Das Saudi-Arabien, auf das ich hoffe, ist eines, das nicht vom Erdöl abhängig ist; eines mit einer wachsenden Wirtschaft; eines mit transparenten Gesetzen; eines, das eine starke Position in der Welt hat; eines das die Träume oder Ambitionen jedes saudischen Bürgers erfüllen kann". Der Reigen der Hoffnungen war damit noch nicht zu Ende.

Seine Ziele hat der Kronprinz auch in seiner "Vision 2030" umrissen. Zu den Plänen gehört der Bau der neuen Mega-Stadt "Neom". Die soll 26.500 Quadratkilometer groß werden und Anteile am Staatsgebiet Saudi-Arabiens, Ägyptens und Jordaniens haben. Sie soll, so plant es der Prinz, ein Zentrum moderner Zukunftstechnologien, der Energie- und Wasserwirtschaft, aber auch der Unterhaltungsbranche werden.

Große Pläne: Saudi-Arabien im Zeichen der Vision 2030Bild: Getty Images/AFP/G. Cacace

Ein neues Image

Tatsächlich hat der Kronprinz allen Anlass, die Zukunft des Landes zu gestalten, sagt Sebastian Sons, Politikwissenschaftler und Nahost-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. "Saudi-Arabien muss sich wirtschaftlich modernisieren und reformieren, es muss sich unabhängig vom Öl machen. Es muss Privatinvestoren aus dem Ausland anziehen. Dazu gehört ein gutes Image, und das lässt es ihm angeraten scheinen, sich als Reformer im wirtschaftlichen Bereich darzustellen, aber eben auch im kulturellen und im religiösen Bereich."

Derzeit steht es um dieses Image nicht sonderlich gut: Saudi-Arabien führt seit rund zweieinhalb Jahren eine Militäroffensive im benachbarten Jemen. Über zehntausend Zivilisten sind bereits ums Leben gekommen, darunter zahlreiche Kinder. Im Land hat sich eine Cholera-Epidemie ausgebreitet. Auch wird Saudi-Arabien den Ruf nicht los, mit seiner reaktionären Staatsreligion, dem Wahhabismus, dem internationalen Dschihadismus ideologisch zuzuarbeiten. Zudem zeichnen die Schulbücher des Landes weiterhin ein sehr negatives Bild von anderen Religionen, so auch dem Christentum.

Gesellschaftlicher Pluralismus? Eher nicht

Dass sich das Land auch kulturell erneuert und zu jenem "moderaten Islam" findet, den Bin Salman angekündigt hat, hält Sebastian Sons, Autor einer vielzitierten Studie zu Saudi-Arabien, für eher unwahrscheinlich. Er könne sich nicht vorstellen, dass sich die saudische Königsfamilie vom Wahhabismus abwende, so Sons gegenüber der DW. "Man darf nicht vergessen, dass die saudische Königsfamilie ohne die religiöse Unterstützung der Wahhabiten keine politische Macht hätte. Deswegen wird man diese Allianz zumindest in einigen Bereichen aufrechterhalten."

Das heiße dann aber auch, dass es zu keinen substantiellen Verbesserungen für Angehörige anderer Religionen kommen werde. "Es dürfte keine grundlegende Reform geben, in deren Folge Religionsfreiheit oder gesellschaftlicher Pluralismus möglich werden oder Juden und Christen ihre Religion frei ausüben dürfen oder Schiiten besser integriert werden."

Zustimmung für seine Reformen dürfte Bin Salman in der saudischen Bevölkerung dennoch finden. Gerade die jungen Menschen wisse er hinter sich, so Sons. Sie hoffen auf ein Land, das ihnen jene Chancen bietet, die es vielen derzeit noch verwehrt. Die Pläne des Prinzen sind ehrgeizig. Er wird die kommenden Jahre sehr beschäftigt sein.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika