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Politik

Der Kronprinz jagt seine Konkurrenten

3. Juni 2020

Mit fragwürdigen Rechtsmitteln geht der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman gegen Kritiker und mögliche Konkurrenten vor. Nun wirft der Fall eines inhaftierten Prinzen Licht auf die Methoden von MbS.

Kronprinz Mohammed bin Salman
Kronprinz Mohammed bin SalmanBild: picture-alliance/dpa/Saudi Press Agency

Mit rabiaten Mitteln geht der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, genannt MbS, gegen Konkurrenten und Kritiker vor. Nicht einmal Mitglieder der Königsfamilie sind vor Verfolgung sicher. Bereits in den ersten Monaten dieses Jahres wurden mehrere Angehörige des weitläufigen Familienbundes - er umfasst rund 15.000 Personen - verhaftet.

In einen dieser Fälle ist nun international Bewegung gekommen: Eine Kampagne soll auf die Freilassung des Prinzen Salman bin Abdulaziz hinwirken, der im Januar 2018 zusammen mit seinem Vater verhaftet worden war.

Die Gründe der Festnahme sind bislang nicht bekannt. Der 37-Jährige war vor allem karitativ tätig. Einen Teil seines Vermögens spendete er der französischen Nachrichtenagentur AFP zufolge für soziale Zwecke in unterentwickelten Ländern.

Politischer Ehrgeiz wird dem Prinzen nicht nachgesagt. Allerdings traf er sich im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen mit dem demokratischen Kongressabgeordneten Adam Schiff, einem ausgewiesenen Kritiker von US-Präsident Trump. Trump und der saudische Kronprinz pflegen gute Beziehungen zueinander.

Internationale Appelle für die Freilassung des Prinzen

Um die Freilassung des Prinzen bemühen sich nun zwei internationale Initiativen. Die erste liegt in den Händen der in Washington ansässigen Sonoran Policy Group (SPG), einem kommerziell arbeitenden Lobby-Unternehmen. Beauftragt wurde es Informationen von AFP zufolge von einem in Paris lebenden Vertrauten des verhafteten Prinzen. Der habe mit der SPG einen Kampagnen-Vertrag im Wert von zwei Millionen US-Dollar geschlossen. Abgestimmt ist die Aktion demnach auch mit den Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der Europäischen Union.

Auf die Nachfolge von König Salman (M.) hatten mehrere Prinzen spekuliertBild: picture-alliance/abaca

Parallel zur SPG bemüht sich auch das Europäische Parlament um die Freilassung des Prinzen. Bereits im Februar dieses Jahres war eine Delegation von Abgeordneten nach Riad gereist, um dort auf die Freilassung mehrerer Mitglieder der Königsfamilie hinzuwirken. Er sei zuversichtlich, dass sich die Initiative positiv auswirken werde, erklärte damals Marc Tarabella, stellvertretender Vorsitzender der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zur Arabischen Halbinsel.

Günstiger Zeitpunkt für Verhandlungen

Das saudische Königreich durchläuft derzeit eine schwere ökonomische und politische Krise. Wirtschaftlich hat ihm der Fall des Ölpreises und der Kampf gegen das Coronavirus zugesetzt. Die Regierung ist zudem durch die Intervention im Jemen und die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi international in die Kritik geraten.

Das Elend, das der Krieg im Jemen ausgelöst hat, hat das Image Saudi-Arabiens schwer beschädigtBild: picture-alliance/AA/M. Hamoud

Vor diesem Hintergrund könnte sich Saudi-Arabien gesprächsbereiter als bislang zeigen, kommentiert AFP den Vorstoß der beiden Initiativen. Immerhin hatte die Regierung Ende April eine Justizreform erlassen. Diese schafft unter anderem das Auspeitschen als Bestrafung ab und verbietet die Hinrichtung von Angeklagten, die zum Zeitpunkt der Tat jünger als 18 Jahre waren.

Rabiate Methoden gegen Konkurrenten

Wenn Kronprinz Mohammed bin Salman absehbar die Nachfolge seines Vaters König Salman antritt, wäre er der erste König der neuen Generation an der Staatsspitze - der Generation der Enkel also, die auf die der Söhne des Staatsgründers Abd al-Aziz ibn Saud folgen würde. Nachdem MbS sich gegen andere Kandidaten durchgesetzt habe, müsse er seine Macht nun konsolidieren, sagt Ali Adubisi, Vorsitzender der in Berlin ansässigen Menschenrechtsorganisation European Saudi Organisation for Human Rights (ESOHR). "Es hat unter seinen Cousins eine ganze Reihe von Aspiranten gegeben. Gegen die muss er sich nun absichern", so Adubisi im DW-Interview.

Aus diesem Grund geht MbS gegen Kritiker und potenzielle Rivalen in aller Entschiedenheit vor. Anfang November 2017 ließ er rund ein Dutzend Mitglieder der Königsfamilie, Minister und Geschäftsleute verhaften. Sie hätten sich der Korruption schuldig gemacht, so die Anklage. Die Verhafteten wurden im Ritz-Carlton-Hotel in Riad untergebracht. Gegen eine Zahlung - berichtet wird von bis zu 86 Milliarden Euro -  wurden sie in den folgenden Wochen wieder freigelassen.

Verhaftungen gehen weiter

Auch in diesem Jahr wurden Mitglieder der Königsfamilie verhaftet. So etwa Prinz Ahmed, ein Bruder des amtierenden Königs, sowie Mohammed bin Nayef, ein Neffe des Königs und 2017 ein Konkurrent von MbS im Wettlauf um die Königsnachfolge. Zusammen mit zwei Söhnen wurde auch ein Berater Nayefs, Saad Aljabri, verhaftet. Aljabri ging nach der Freilassung ins Exil nach Kanada. Von dort wollte er seine beiden Söhne nachholen, doch die saudischen Behörden verhängten ein Reiseverbot für die beiden.

Im März wurde Prinz Faisal bin Abdullah al Saud verhaftet, ein Sohn des ehemaligen Königs Abdullah. Er wurde an einem unbekannten Ort festgesetzt. Er war bereits während der Verhaftungswelle im November 2017 festgenommen, bald darauf aber wieder freigelassen worden. Einem Bericht von Human Rights Watch zufolge hatte Prinz Faisal vor seiner damaligen Verhaftung nicht-öffentliche Kritik am politischen System des Königreichs geäußert.

Angst als Herrschaftsgrundlage

"MbS ist sich im Klaren darüber, dass ihm in seinem Umfeld kaum mehr jemand traut", sagt Ali Adubisi. "Für ihn selbst ist das ein zweischneidiger Erfolg. Denn klar ist auch, dass er selbst immer in Angst vor seinen Konkurrenten leben muss."

Nach der Ermordung von Jamal Khashoggi ließ sich MbS (r.) mit dessen Sohn ablichtenBild: picture-alliance/dpa/SPA

Die Herrschaft des Kronprinzen - er ist faktisch der neue starke Mann des Königreichs - gründet ganz wesentlich auf Furcht. Auf Loyalität und Aufrichtigkeit gründende Beziehungen haben es in einem solchen Umfeld schwer. Womöglich wird sich der Kronprinz dieses Umstandes nun bewusst. Als jüngst die Söhne des mutmaßlich mit dem Wissen des Kronprinzen ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi den Mördern ihres Vaters öffentlich vergaben, nahmen Beobachter an, dass der Kronprinz selber sie dazu gedrängt haben könnte. "Er wollte damit zeigen", so Aldubisi, "dass er auch auf ehemalige Gegner zugehen kann und diese ihm vertrauen können. Wer zu ihm hält, so der Hinweis, könne umgekehrt auch auf seine Loyalität rechnen."

Die Verhaftungen der vergangenen Monate wurde international mit Bestürzung aufgenommen. "Trotz Wellen der Kritik hält das gesetzlose Verhalten der saudischen Behörden während der De-facto-Herrschaft von Mohammed bin Salman unvermindert an", sagte etwa Michael Page, stellvertretender Direktor für den Nahen Osten bei Human Rights Watch. "Jetzt müssen wir auch Prinz Faisal zu den Hunderten hinzufügen, die ohne klare Rechtsgrundlage in Saudi-Arabien inhaftiert sind."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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