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Politik

Der undurchsichtige Reformer

6. November 2017

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat mehrere Mitglieder der Königsfamilie mit Vorwurf auf Korruption verhaften lassen. Womöglich will er das Land tatsächlich reformieren, denkbar sind auch andere Motive.

Saudi-Arabien Prinz Mohammad bin Salman al-Saud
Bild: picture-alliance/AA/Bandar Algaloud/Saudi Royal Council

Nicht alles läuft nach Plan im Königreich Saudi-Arabien. Wegen des gefallenen Ölpreises strauchelt die Wirtschaft. Der Krieg im Jemen ist ein Desaster. Die Blockade Katars bringt wenig bis nichts. Und der Erzfeind Iran breitet seinen Einfluss immer weiter aus.

Wo die Gegenwart so wenig Optionen lässt, bietet sich die Zukunft als Fluchtfläche umso mehr an. In ein, zwei Jahrzehnten soll Saudi-Arabien leuchten. Eine neue Megastadt mit dem Namen Neom soll das Königreich zu einem Zentrum der Hochtechnologie machen und Finanziers aus aller Welt anziehen. Bei seinen Plänen zur Erneuerung des Landes kann der junge Kronprinz Mohamed bin Salman, ein Sohn des regierenden Königs durchaus auf Rückhalt in der Bevölkerung rechnen.

Vor allem die jungen Bürger setzen auf ihn, sagt Sebastian Sons, Nahost-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Er ist mit Anfang 30 ein Vertreter ihrer Generation. Er spricht eine klare Sprache, er ist selbstkritisch. Durch seine ambitionierten Pläne erzeugt er Optimismus und gesellschaftliche Dynamik. Die Leute wollen anpacken und ihr Land nach vorne bringen. "

Traditionsbewusstes Königreich: Parade aus dem Jahr 1999 anlässlich des 100. Geburtstages der Al-Saud-DynastieBild: picture-alliance/dpa

Der Beginn einer neuen Phase?

Am Wochenende hat Mohammed bin Salman, kurz MbS, mehrere Mitglieder des Königshauses unter dem Vorwurf der Korruption verhaften lassen. Ein kühnes  Manöver, das die Zeitung Al-Riad, verlegt in der saudischen Hauptstadt, als entscheidenden Schritt in Richtung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Modernisierung feiert.

Saudi-Arabien stünde am Beginn einer neuen Phase, heißt es in dem Blatt. "Es geht um die Prinzipien seriöser Arbeit, um Gerechtigkeit für und Gleichberechtigung aller Bürger. Es soll keinen Unterschied zwischen Mitgliedern der Königsfamilie und anderen Bürgern mehr geben."Letztlich gehe es vor allem darum, die Abhängigkeit des Landes vom Öl zu überwinden und eine neue, auf Innovation und Kreativität setzende Ökonomie zu begründen. "Darin haben Korruption und Vetternwirtschaft keinen Platz. Mit seinem Schritt hat der Prinz demonstriert, dass niemand über dem Gesetz steht."

Die offene Frage der Thronfolge

Fraglich ist allerdings, ob es Mohammed bin Salman tatsächlich in erster Linie um den Kampf gegen die Korruption geht. Es wäre durchaus auch denkbar, dass er nach dem Tod seines Vaters zwar die besten Chancen auf den Königstitel hat, aber mögliche Konkurrenten vorsichtshalber aus dem Weg räumen will.

Ehrgeiziges Projekt: Der Bau der Hightech-Stadt Neom in Saudi-ArabienBild: NEOM

"Es gibt keine Garantie, dass die Regelung der Nachfolge glatt verläuft", heißt es in dem Internetmagazin Al-Monitor. "Die nun erfolgten Verhaftungen deuten darauf hin, dass die Debatte um die Nachfolger schwieriger ist, als es dem König und seinem Sohn recht sein kann. Der König ist nun für eine Anti-Korruptionskampagne verantwortlich, die vor allem danach aussieht, als wolle er seine Feinde bestrafen."

Diese Strategie ist allerdings nicht ohne Risiko, sagt der Saudi-Arabien-Experte Sameh Rashed vom Al-Ahram Center for political and strategic studies in Kairo. Es sei durchaus denkbar, dass sich Teile des Königshauses zusammen täten und dem Kronprinz zu schaden versuchten. "Dazu haben sie zwar nicht mehr so viele Möglichkeiten wie in früheren Zeiten. Aber die saudische Innenpolitik ist voller Überraschungen."

Liberale Reformen eher unwahrscheinlich

Politische Reformen im Sinne größerer Freiheiten, so Rashed gegenüber der DW, seien von Mohammed bin Salman kaum zu erwarten. Stattdessen versuche er die Missstände, denen sich das Land außenpolitisch gegenübersehe, für seine Zwecke einzuspannen. So betone er die Gefahr, die vom Erzfeind des Königsreiches, dem Iran, ausgehe, um auf diese Weise die Gesellschaft zu einen und hinter sich zu bringen. "Nach Innen wird er hingegen mit harter Hand vorgehen, auch gegen konfessionelle Gruppierungen wie etwa die Schiiten im Osten Saudi-Arabiens." Zugleich werde er sich aber auch gegen die mit dem Königshaus verbündeten Geistlichen richten. Sie, erwartet Rashed, dürften ihren privilegierten Status kaum behalten.

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Sein Vorgehen bestehe darin, sich den Weg zum Thron zu pflastern und die Minen aus dem Weg zu räumen. In diesem Sinn dürfte er auch künftig agieren.

Saudi-Arabien braucht einen Imagewechsel

Ebendas lässt es aber auch denkbar erscheinen, dass Mohammed bin Salman es mit seinen Reformen durchaus ernst meint. Das Königreich müsse sich reformieren und modernisieren, so Sebastians Sons gegenüber der DW. "Es muss private Investoren aus dem Ausland anziehen, es muss attraktiv werden, in Saudi-Arabien Geschäfte zu machen." Das gehe nur über einen Imagewechsel. "Darum muss er sich als Reformer darstellen im wirtschaftlichen, aber auch im kulturellen und religiösen Bereich - indem er der Welt sagt, seht her, wir sind nicht so isoliert und so konservativ wie Ihr alle denkt."

Der Kronprinz wirbelt das Königreich auf. Die junge Bevölkerung steht hinter ihm. Ihr scheint jede Veränderung lieber zu sein, als das Verharren im Status Quo. Durch seine Reformen sichert sich der Kronprinz so eine riesige Basis in der Bevölkerung.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika