Saudi-Arabien: Ein neues Zentrum der Hightech-Produktion?
10. Juni 2025
"Made in Saudi Arabia": Seitdem US-Präsident Donald Trump hohe Zölle auf Waren aus China und anderen asiatischen Ländern verhängt hat, findet dieser Slogan immer mehr Anhänger in der Region.
Saudi-Arabien solle versuchen, sich an die Stelle Chinas als Produzent von in den USA benötigten Produkten zu etablieren, schrieb die Historikerin Ellen Wald, Autorin des 2018 erschienenen Buches "Saudi, Inc.: The Arabian Kingdom's Pursuit of Profit and Power", im April auf der Webseite Middle East Eye.
Tatsächlich sind die Golfstaaten in einer guten Position: Während China und andere Länder, darunter Vietnam und Thailand, durch die von Trump verfügten Zollerhöhungen geschwächt sind, wurden die meisten Golfstaaten, darunter Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), nur mit Zöllen in Höhe von zehn Prozent belegt.
Neue "Schlüsselländer" in Nahost?
Sowohl Saudi-Arabien als auch die VAE versuchen derzeit, ihre Wirtschaft vom Erdöl unabhängig zu machen. Darum setzen sie auf eine moderne Fertigungsindustrie, insbesondere im Hightech-Bereich. Die VAE haben die "Operation 300 Milliarden" ins Leben gerufen. Diese zielt darauf ab, den Beitrag des lokalen Industriesektors zum Nationaleinkommen auf 300 Milliarden VAE-Dirham (72 Milliarden Euro) zu steigern. Saudi-Arabien will mit der "Vision 2030" die lokale Produktion und Industrie entwickeln.
Medienberichten zufolge suchen einige der weltweit größten Technologieunternehmen, darunter die US-Marken Dell und HP, Standorte für neue Fabriken in Saudi-Arabien. Das chinesische Unternehmen Lenovo baut im Königreich eine Fabrik für die Montage von Computern und Servern und das saudische, mit rund 100 Milliarden Dollar (88 Milliarden Euro) staatlich finanzierte Unternehmen Alat arbeitet mit der japanischen SoftBank Group im Bereich der Industrierobotik zusammen. Offenbar haben die Saudis zudem das chinesische Unternehmen Foxconn umworben, einen wichtigen Zulieferer für Apples iPhones, ebenso auch das taiwanesische Unternehmen Quanta, das Computer und Computerteile für Unternehmen wie Dell herstellt.
Standorte mit Vor- und Nachteilen
"Länder wie Saudi-Arabien könnten sich als Anlaufstellen für Unternehmen positionieren, die höheren Zöllen entgehen oder Unsicherheiten in ihrem ursprünglichen Umfeld abmildern wollen", sagt Nader Kabbani vom Middle East Council on Global Affairs (ME Council) mit Sitz in Katar.
Saudi-Arabien habe viele Eigenschaften, die zu dieser Entwicklung beitragen könnten. "Das Land verfügt über reichhaltige natürliche Ressourcen, darunter auch Öl. Es hat einen großen Binnenmarkt. Es liegt zentral und dient als Brücke zwischen Asien, Afrika und Europa", so Kabbani zur DW. Die Regierung unterstütze zudem Bemühungen zur wirtschaftlichen Diversifizierung. "Außerdem verfügt das Land über eine recht gut ausgebaute Infrastruktur und ist bereit, Arbeitsmigranten aller Qualifikationsstufen ins Land zu lassen."
Die Region habe durchaus einige Vorteile, sagt auch Frederic Schneider, auch er vom ME Council. So verfügten die Golfstaaten über eine große Logistikbranche. Zudem erhöben einige Länder niedrige oder überhaupt keine Steuern. Da die lokalen Währungen an den schwächelnden US-Dollar gekoppelt seien, könnten ihre Exporte billiger und damit wettbewerbsfähiger werden.
Allerdings gibt es auch eine lange Liste potenzieller Nachteile. "Die bestehende Fertigungsindustrie ist derzeit noch relativ schwach entwickelt und beschränkt sich weitgehend auf Sektoren, die mit der Öl- und Gaswirtschaft in Verbindung stehen", sagt Schneider. Wollten die Saudis im Bereich der Hightech-Fertigung konkurrieren, müssen sie sich gegen Länder wie China, Südkorea, Taiwan, Japan, Deutschland und die Schweiz behaupten. In Sektoren mit einfacherer Technologie konkurrierten sie mit Malaysia, Indonesien und Vietnam.
Saudische Zukunftspläne: Risiken und Kritik
Es gibt noch weitere Probleme, so Schneider weiter. So führe etwa der Umstand, dass immer mehr Ausländer in den zuvor konservativen Golfgemeinden arbeiteten, zu kulturellen Spannungen. Zudem erwärme sich die Region durch den Klimawandel schneller als andere Teile der Erde. Auch seien eine Reihe geopolitischer Konflikte, etwa zwischen dem Iran und den USA, nicht gelöst.
"Auch die Projektrisiken sind beträchtlich", so Schneider weiter. "Zwar ist die Region bestrebt, technologische Innovationen zu präsentieren. Doch viele davon werden nicht realisiert." In diesem Zusammenhang verweist er auf erfolglose Drohnentaxis und Reisen per Hyperloop sowie auf fehlgeschlagene Investitionen in Kryptowährungen und aufgegebene oder verkleinerte Bauprojekte.
Die Aktivistengruppe Never Neom übt zudem heftige Kritik an den saudischen Zukunftsplänen. "Von diesen Plänen gibt es vage Investitionsankündigungen - meist verbunden mit ausländischen Partnerschaften und Projekten, die noch auf dem Papier stehen", schreibt Never Neom auf seiner Website. Die Gruppe weist zudem darauf hin, dass jegliche Kritik an der Regierung willkürliche Verhaftungen und lange Haftstrafen nach sich ziehen kann.
Gefahr durch möglichen Handelskrieg
Die Regierungen in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten bauen zwar zunehmend neue Fabriken mit der Folge, dass Wirtschaftsaktivitäten ohne Bezug zum Öl jedes Jahr einen größeren Beitrag zum Nationaleinkommen leisten. Doch könnten höhere internationale Zölle und ein möglicher Handelskrieg alle Fortschritte zunichte machen.
Den Golfstaaten droht aufgrund der niedrigeren Ölpreise das Geld auszugehen, um ihre ehrgeizigen Pläne umzusetzen. Darum sind in Saudi-Arabien die inländischen Steuern gestiegen. Dies könnte den Kostenvorteil der Sonderwirtschaftszonen gefährden, sagt Frederic Schneider vom ME Council. Zudem dürfte eine globale Konjunkturabschwächung die Ölpreise zusätzlich sinken lassen und sich auch auf die Rolle der Region als Logistikzentrum auswirken.
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.