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Politik

Saudi-Arabien: Frauen ans Steuer

23. Juni 2018

Jetzt fällt in Saudi-Arabien das Fahrverbot für Frauen. Die Vorfreude unter den Fahrschülerinnen ist groß - auch wenn die Fahrerlaubnis nur der erste Schritt in einer ganzen Reihe noch umzusetzender Reformen ist.

Saudi-Arabien erste Frauen mit Führerschein
Bild: picture-alliance/AP Photo/Saudi Information Ministry

Meilenweit freie Fahrt, kein Hindernis, soweit das Auge reicht. Unmöglich also, einen Unfall zu verursachen. Die riesige Wüstenlandschaft rund um Riad ist das ideale Gebiet, um Autofahren zu lernen. "In der Tat ist das der sicherste Platz zum Üben", sagt die Studentin Baya im Gespräch mit DW-Reporterin Fanny Facsar, die sie beim Üben im freien Gelände begleitet. "Die Fahrschule erwartet viele Dinge, die wir noch lernen müssen." Die junge Frau ist eine der noch wenigen Bürgerinnen des Königreichs, die demnächst, sollten sie die Fahrprüfung bestehen, am Steuer eines Wagens sitzen dürfen - ein Novum in Saudi-Arabien, für das die Frauen lange Zeit gekämpft haben. 

Nun, am 24. Juni, fällt in Saudi-Arabien das Frauenfahrverbot. Noch sind es nicht viele Frauen, die bislang den Führerschein erworben haben - Anfang Juni waren es gerade einmal zehn. In den kommenden Wochen soll ihre Zahl aber deutlich steigen, dann dürften insgesamt rund 2000 Frauen den Führerschein erwerben, heißt es in einer Erklärung des saudischen Informationsministeriums.

Reifenwechsel als Akt der Freiheit

Die Führerschein-Kandidatinnen bereiten sich nicht nur in der Wüste vor. Theorie und Technik eigenen sie sich in den Fahrschulen des Landes an. Hier lernen sie, Reifen zu wechseln, das Steuer richtig zu halten, die Geschwindigkeit angemessen einzuschätzen. Ein Großteil des Unterrichts findet vor der Videoleinwand statt, ist einer Reportage der Nachrichtenagentur Reuters zu entnehmen. "Wenn ich den Führerschein habe, möchte ich als erstes meine Familie umherfahren", kommt dort eine der Fahrschülerinnen zu Wort. "Wir werden irgendwo hinfahren, um das zu feiern." Eine andere will an dem Tag, an dem sie zum ersten Mal fahren darf, ihre Mutter zu einer Spritztour abholen. "Im Auto sind dann nur meine Mutter und ich. Darauf freue ich mich."

Fast geschafft. Frauen vor der letzten Führerschein-Prüfung in Riad, Juni 2018Bild: picture-alliance/AP Photo/Saudi Information Ministry

Reformen nur unter Druck möglich

Mit der Aufhebung des Fahrverbots will Saudi Arabien nicht zuletzt sein Image aufpolieren, sagt Ali Adubisi, Vorsitzender von "European Saudi Organisation for Human Rights" mit Sitz in Berlin. Natürlich, die Aufhebung des Frauenfahrverbots sei ein großer Fortschritt, der den Frauen erhebliche Vorteile bringe. Andererseits räume die Regierung den Frauen kaum mehr als ein selbstverständliches Recht ein, sagt Adubisi im Gespräch mit der DW.

Auch sei es falsch, die Fahrerlaubnis als eine von der Regierung aktiv vorangebrachte Reform zu sehen. "Die Veränderung geht viel mehr auf den Druck und die Forderungen der saudischen Gesellschaft wie in Teilen auch der internationalen Gemeinschaft zurück. Allein das hat zu dem Wechsel geführt." Adubisi erinnert daran, dass die ersten Frauen bereits Anfang der 1990er Jahre für eine Aufhebung des Fahrverbots eintraten. 

Außerdem könne das Recht, Auto zu fahren, nur ein erster Schritt zur rechtlichen Emanzipation der Frauen sein. Viele Rechte würden ihnen weiter vorenthalten. So lebten die Frauen weiter unter männlicher Vormundschaft. Dadurch dürfen sie etwa weder eigenständig verreisen noch Verträge unterzeichnen. "Darunter leiden die Frauen sehr, und zwar Tag für Tag", sagt Adubisi. "Wenn wir darum nun das Recht, Auto zu fahren, als neues Recht der Frauen feiern, müssen wir auch nach den anderen Rechten fragen."

Frauen am Steuer - in Riad

05:37

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Unterdrückung im alten Stil

Im Zweifel geht die Regierungen gegen Frauenrechtlerinnen weiter in aller Entschiedenheit vor. Das zeigte sich Ende Mai, als einige bekannte Feministinnen verhaftet wurden. Die Anklage wirft ihnen "verdächtigen Kontakt mit ausländischen Organisationen" vor, die die Aktivitäten der Frauen unterstützten. Außerdem hätten die Angeklagten "mehrere Personen in sensiblen Regierungsämtern" rekrutiert und "feindliche Elemente außerhalb des Landes" mit Geld versorgt.

Unter den Verhafteten ist auch die inzwischen 62 Jahre alte Madeha Alajroush. Sie hatte sich bereits Anfang der 90er Jahre für die Abschaffung des Frauenfahrverbots stark gemacht. Mit ihrem Protest provozierte sie die konservativen Prediger des Landes, die sie als Prostituierte beschimpften. Zudem wurden bei Protesten Bilder der auch als Fotografin anerkannten Feministin verbrannt.

Hoffnung auf Freiheit: die Frauenrechtlerin Madeha AlajroushBild: DW

Unhaltbarer Lebensstil

Die jüngsten Verhaftungen seien vor allem eine Warnung der Regierung an die Frauen, sagt Ali Adubisi. "Sie teilt ihnen auf diese Weise mit, dass sie keine weiteren Forderungen stellen sollen. Wenn die Frauen nicht vorsichtig sind, so die unterschwellige Botschaft, könnten sie ebenso verhaftet werden wie die bekannten Feministinnen des Landes."

Dennoch dürfte sich das Land weiter verändern, erwartet Madeha Alajroush. Einige Monate vor ihrer Verhaftung sprach sie mit DW-Reporterin Fanny Facsar. Die Veränderungen seien unausweichlich, erklärte sie damals. "Unser Lebensstil ist in dieser Form nicht haltbar. Es kann kein wirtschaftliches Wachstum geben, wenn die Hälfte der Bevölkerung sich nicht entfalten kann. Darum war ich mir immer sicher, dass das Land sich verändern würde, die Frage war nur wann. Ich selbst warte seit 30 Jahren darauf."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika