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Politik

"Mehr als nur Scharmützel"

7. November 2017

Rhetorik, Ränkespiele, Raketen: Droht ein offener Krieg zwischen den beiden regionalen Mächten Saudi-Arabien und Iran? Nein, hofft Nahost-Experte Sebastian Sons. Denn ein Krieg würde die gesamte Region ins Chaos stürzen.

Yemen Raketenangriff auf den Flughafen Riad
Die Rakete aus dem Jemen sollte den Flughafen von Riad treffen, berichtet der von den Huthis kontrollierte Fernsehsender Al-Masirah (4.11.)Bild: Reuters/Houthi Military Media Unit

DW: Der saudische Kronprinz bin Salman wirft Teheran vor, hinter einem Raketenangriff auf Riad am Wochenende zu stecken. Er spricht von einem "Kriegsakt". Sind das erste Scharmützel in einem drohenden Krieg der rivalisierenden Mächte?

Sebastian Sons: Das sind eigentlich schon mehr als nur Scharmützel. Die Auseinandersetzung zwischen Iran und Saudi-Arabien hat sich seit 2011 und insbesondere nach dem Nukleardeal 2015 deutlich intensiviert. Wir sehen das im Jemen, wir sehen das in Syrien, in Bahrain, jetzt auch im Libanon. Wenn man jetzt offen von einem Kriegsakt spricht, dann ist das allerdings eine neue Dimension. Das müsste dann ja eigentlich auch dementsprechend beantwortet werden mit militärischen Mitteln. Das ist doch sehr beunruhigend, wenn man sich vorstellt, dass es hier zu direkten Kriegshandlungen kommen kann.

Wie lange noch bis zu einem echten Krieg zwischen den beiden Regionalmächten?

Die Eskalationsspirale dreht sich natürlich sehr schnell weiter und hat nun einen neuen Höhepunkt erreicht. Trotzdem bin ich immer noch guter Hoffnung, dass es nicht zu einem direkten militärischen Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien kommt. Eigentlich können beide Länder an einem solchen Krieg kein Interesse haben. Insbesondere Saudi-Arabien ist militärisch - obwohl sehr hochgerüstet - nicht in der Lage, einen solchen Krieg gewinnen zu können. Von daher glaube ich tatsächlich immer noch daran, dass es bei der rhetorischen Kriegsführung bleibt und das nicht auf dem Schlachtfeld ausgetragen wird.

Stellverteter-Krieg? Saudische Panzer im Jemen im Januar 2017Bild: Getty Images/AFP/S. Al-Obeidi

Was würde denn passieren, wenn der Streit sich aufs Schlachtfeld verlagert? Würde das die gesamte Region in Brand setzen?

Die Region brennt ja schon an allen Ecken und Enden. Und eine direkte Konfrontation zwischen Iran und Saudi-Arabien würde den Nahen und Mittleren Osten vollends ins Chaos stürzen. Daran kann niemand Interesse haben, weder in der Region noch außerhalb der Region. Von daher könnte ich mir vorstellen, dass die Eskalation in der Form weitergeht wie bisher. Dass man also weiterhin seine unterschiedlichen Verbündeten einsetzt wie beispielsweise die Hisbollah, die ja als Verbündeter Irans anzusehen ist im Libanon. 

Im Kampf um Einfluss im Libanon hat das Königshaus ja gerade die Schachfiguren neu sortiert: der libanesische Premier Hariri ist zurückgetreten - während eines Besuchs in Riad. Was ist hier das Interesse Saudi-Arabiens?

Das ist ganz schwer zu beantworten. Bisher war es so, dass man eine Art Übereinkunft mit den Iranern hatte, den Libanon einigermaßen in Ruhe zu lassen. Die Hisbollah war Teil der Regierung. Und jetzt ist mit Hariri sozusagen der pro-saudische Klient weggebrochen oder ist auch auf Druck der Saudis zurückgetreten. Das kann man so deuten, dass die Saudis jetzt auch die Konfrontation mit der Hisbollah suchen. Es gibt Gerüchte, dass die Saudis hoffen, Israel würde jetzt militärisch gegen die Hisbollah mobil machen um sich damit eines iranischen Verbündeten zu entledigen. Ich kann nur hoffen, dass das nicht die Strategie der Saudis ist. Denn das würde mit Sicherheit zu weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen und zu weiterer Instabilität in der Region führen.

Auch Palästinenserpräsident Abbas ist gerade überraschend nach Riad gereist.

Ich könnte mir vorstellen, dass der Libanon auch bei dieser Reise eine Rolle spielt. Allerdings möchte ich mich an dieser Stelle mit Spekulationen zurückhalten, weil da doch sehr viel im Fluss ist. Ich kann nichts Genaues dazu sagen, wie die saudischen Planungen hier aussehen und was sie mit den Palästinensern vorhaben.

Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige PolitikBild: DGAP

Warum überschlagen sich ausgerechnet jetzt die Ereignisse? Neben all den außenpolitischen Verwicklungen hat Kronprinz bin-Salman ja auch die halbe saudische Staatsspitze festnehmen lassen.

Auch hier kann man eigentlich nur spekulieren. Die Verhaftungswelle in Saudi-Arabien ist die Fortsetzung der Politik, die Mohammed bin Salman, der Kronprinz, schon in den letzten Monaten begonnen hat. Die Entmachtung des eigentlichen Thronfolgers Mohammed bin Naif im Juni war der Startschuss. Die Verhaftung von einflussreichen Klerikern war dann der nächste Schritt und jetzt richtet er sich gegen Politiker, Mitglieder der eigenen Familie und gegen Geschäftsleute. Er will damit seine Macht konsolidieren. Er will, niemanden innerhalb oder außerhalb der Königsfamilie fürchten müssen, wenn er König wird früher oder später. Das ist eher eine langfristige Planung, die dahintersteckt.

Traut sich der Kronprinz in die Offensive, weil US-Präsident Trump ihm vorbehaltlos den Rücken stärkt und gegen Teheran wettert?

Die Saudis selbst streiten das vehement ab. Ich bin allerdings der Meinung, dass das sehr wohl ein Grund ist. Donald Trump hat insbesondere mit seinem ersten Auslandsbesuch in Riad deutlich gezeigt: er steht voll hinter Saudi-Arabien. Er gibt ihnen quasi einen Freifahrtschein, machen zu können, was sie wollen. Dass das dann manchmal nicht im Sinne der USA läuft, wie beispielsweise bei der Katar-Blockade, nimmt er in Kauf. Aber das, was jetzt gerade passiert, hat die Unterstützung von Donald Trump. Das ist auch für Mohammed bin Salman ein Zeichen, jetzt auch mit Stärke durchgreifen zu können.

 

Nahost-Experte Sebastian Sons forscht als Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zu den gesellschaftlichen Entwicklungen in Saudi-Arabien.

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