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Politik

Saudi-Arabien: Kann der Kronprinz stürzen?

Kersten Knipp | Emad Hassan
22. November 2018

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman steht nach der Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi international unter Druck. Die Königsfamilie könnte ihn absetzen. Doch entscheidend ist der politische Wille.

Saudi-Arabien König Salman bin Abdulaziz Al Saud & Kronprinz Mohammed bin Salman
Bild: picture-alliance/dpa/SPA

Der angekündigte Bericht der CIA zu den Todesumständen des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi lässt weiter auf sich warten. Doch erste Informationen sickern offenbar durch. Nach einem Bericht der türkischen Zeitung "Hürriyet" besitzt die CIA eine Tonbandaufnahme eines brisanten Telefongesprächs des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salmans. Darin soll der Kronprinz sagen, Khashoggi solle "so schnell wie möglich zum Schweigen gebracht werden", so die Zeitung.

Steigt damit der politische Druck auf den Kronprinzen? Könnte Mohammed bin Salman - MbS, wie er kurz genannt wird - auf internationalen Druck hin womöglich zum Rücktritt gezwungen werden? Er halte das für sehr unwahrscheinlich, sagt Sebastian Sons, Saudi-Arabien-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Es gilt, was offiziell gesagt wurde - nämlich dass jeglicher Druck auf die Königsfamilie eine rote Linie sei." Grundsätzlich würden Forderungen nach einer Absetzung von Mohammed bin Salman als klare Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Königreichs gesehen. "Das sieht nicht nur die Staatsspitze so, sondern auch ein großer Teil der Bevölkerung."

Neues Gremium: die Nachfolgekommission

Eine Absetzung des Thronfolgers ist grundsätzlich möglich. Bevor Mohammed bin Salman im Jahr 2017 zum Nachfolger des amtierenden Königs, seines Vaters Salman, ernannt wurde, hatte Mohammed bin Najef, der Sohn eines früheren saudischen Innenministers, das Amt des Thronfolger inne. Wie MbS ist auch bin Najef ein Enkel des Staatsgründers Abd al-Aziz ibn Saud.

Staatsgründer: Abdul-Aziz ibn Saud an der Spitze seines Heeres, frühes 20.JahrhundertBild: picture alliance/dpa/CPA Media Co. Ltd

Doch dann sprach sich König Salman gegen bin Najef aus. Diese Entscheidung wurde von dem in Fragen der Thronfolge relevanten Gremium, der "Hai'at al-Bay'a" genannten Nachfolgekommission, mit 31 von 35 Stimmen bestätigt.

Die Nachfolgekommission wurde 2007 vor dem Hintergrund der vorherigen Erbfolge-Regelungen eingerichtet. Diese waren mit der Zeit immer weniger praktikabel geworden. Staatsgründer Ibn Saud hatte verfügt, die Nachfolge müsse unter seinen Söhnen geregelt werden - und zwar so, dass sie immer von Bruder auf Bruder übergehe. Das war absehbar ein Modell auf Zeit, das mit fortschreitender Alterung der Söhne - der derzeitige König Salman beispielsweise ist über 80 Jahre alt - nicht mehr funktionierte.

So wurde beschlossen, dass die Thronfolge auch vom Vater auf den Sohn übergehen könne. Das aber hatte die Zahl potentieller Kronprinzen erheblich wachsen lassen - und auch die Spannungen unter den potentiellen Kandidaten. So hatten vor der Gründung der Nachfolgekommission die Anwärter auf die Thronfolge ihre jeweiligen Vertrauten in möglichst hohen Staatsämtern installiert, um ihre Chancen bei der Wahl zu verbessern. 

Der König hat das letzte Wort

Dem beugte die Nachfolgekommission vor. Ihre 35 Mitglieder sollten den neuen Kronprinz mit einfacher Mehrheit bestimmen. "Der amtierende König schlägt hierbei drei Kandidaten vor, für die sich die Mitglieder entscheiden können", heißt es in einer Analyse des Deutschen Orient Instituts. "Befinden sie die Kandidaten mehrheitlich als ungeeignet oder zu alt, liegt es an ihnen, selbst einen möglichen Thronfolger vorzuschlagen." Für den Fall also, dass der König oder der Kronprinz stirbt, schwer erkrankt oder für unzurechnungsfähig erklärt wird, kann die Kommission einen Nachfolger bestimmen.

Allerdings könne der Rat vom König überstimmt werden, sagt Sebastian Sons. Das sei bei zurückliegenden Nachfolgeverhandlungen wiederholt passiert. So habe König Salman die Thronfolgerregelungen geändert, ohne Rücksicht auf Gremien zu nehmen. "Das heißt: Ein rechtliches Verfahren gibt es nicht. Ebenso wenig hat der Rat eine ultimative Entscheidungsgewalt."

Der Vater schützt den Sohn: König Salman und Kronprinz Mohammed bin SalmanBild: Reuters/F. Al Nasser

Für die Diskussion um Kronprinz Mohammed bin Salman bedeutet das: Die Nachfolgekommission könnte ihn theoretisch zwar absetzen. Inwieweit das derzeit aber ernsthaft erwogen wird, ist unbekannt.

Einheit der Familie und des Staats

Die derzeitigen Berichte der Nachrichtenagenturen, wonach hinter den Kulissen bereits über eine Nachfolge debattiert werde, seien übertrieben, sagt Saad al-Faqih, in London lebender Präsident der oppositionellen "Bewegung für Islamische Reformen in Arabien ". "Es gibt innerhalb der Königsfamilie keine große Treffen, auf denen die Zukunft Mohammed bin Salmans debattiert würde. Wohl aber gibt es vereinzelte Diskussionen und Initiativen. Vor allem aber wartet man weitere Signale aus Washington ab", so al-Faqih im Gespräch mit der DW.

Bislang aber habe sich König Salman dafür entschieden, seinen Sohn zu halten, sagt Sebastian Sons."Das macht es allen anderen möglichen Rivalen oder Kritikern sehr schwer, hier tatsächlich Einfluss zu nehmen. Denn als oberste Prämisse gilt weiterhin, dass das Königshaus nach außen mit einer Stimme spricht. Die Einheit der Familie darf nicht gefährdet werden - sonst ist aus Sicht der Herrscherfamilie auch die nationale Stabilität bedroht."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika