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Politik

Popmusik statt Regimekritik?

Nermin Ismail
17. Juli 2019

Internationale Pop-Musik hat auch in Saudi-Arabien viele Fans. Doch sollten Stars tatsächlich in das Land reisen, um dort Konzerte zu geben? Oder unterstützen sie damit indirekt die repressive Politik des Landes?

Südkorea Band Super Junior
Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/Stringer

Neun Studioalben, zahllose Konzertauftritte, Millionen von Fans - in ihrer Heimat Südkorea sind die Mitglieder der Boygroup "Super Junior" absolute Megastars. Aber auch am Golf haben die Koreaner eine große Fangemeinde. Nun sind sie als erste K-Pop-Band überhaupt in Saudi-Arabien aufgetreten. Nach nur wenigen Stunden waren die Eintrittskarten ausverkauft. Dabei war die Show erst zehn Tage vor dem Auftritt der Band angekündigt worden. 

Der Veranstaltungsort, das King Abdullah Sports City, ist überfüllt mit einer kreischenden Masse junger Saudis, die ihr Glück nicht fassen können. Vor wenigen Jahren noch wäre eine solche Begegnung mit ihren Lieblingsmusikern gar nicht denkbar gewesen, heute ist sie Realität. Die Fans singen die koreanischen Texte mit und bewegen blaue Lichtstäbe im Rhythmus zur Musik. 

Es ist ein großes Ereignis für viele junge Saudis, die diese für sie unvergessliche Nacht in den sozialen Netzwerken feiern. 

Auch die koreanischen Musiker zeigen Interesse an ihrer neu entdeckten Fangemeinde, der sie zum ersten Mal live gegenüberstehen. Sie rufen "I love Saudi Arabia" und begrüßen sie auf Arabisch mit "Assalam alaikum".

Die jungen Koreaner sind nicht die ersten internationalen Stars, die vor saudischem Publikum aufgetreten sind. Im Januar teilte sich Mariah Carey die Bühne mit Sean Paul. Mit den Black Eyed Peas, Enrique Iglesias oder David Guetta standen weitere internationale Stars im Rahmen des ersten Formel-E-Rennens in Diriya nahe der saudischen Hauptstadt Riad auf der Bühne. Vor allem David Guettas Auftritt zog einen wahren Shitstorm in den sozialen Medien nach sich, weil er eine Hymne auf den saudischen König Salman remixte. 

Maryam Alkhawaja twitterte, Guettas Auftritt sei "widerlich" gewesen. "Führende Menschenrechtsaktivisten und -aktivistinnen sind inhaftiert und uns liegen Berichte vor, dass sie gefoltert werden", führte die Menschenrechtsaktivistin aus Bahrain weiter aus. Auch der Vorsitzende der Human Rights Foundation, der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow, kommentierte, es sei empörend, dass sich Künstler auf Geschäfte mit einem mörderischen Regime einlassen. 

Bedenken wegen Menschenrechtsverletzungen

Zuletzt sagte die US-amerikanische Rapperin Nicki Minaj ihren Auftritt in Saudi-Arabien ab. "Nach reiflicher Überlegung habe ich beschlossen, mein geplantes Konzert beim Jeddah World Festival nicht zu spielen", schrieb die Sängerin in einer Erklärung. Es sei ihr wichtig, die Frauenrechte, die LGBTQ-Community und die Meinungsfreiheit dadurch zu unterstützen. Das Jeddah World Festival hatte Minaj in der vorigen Woche als Stargast für ein Konzert am 18. Juli angekündigt. Menschenrechtler hatten die Sängerin danach aufgefordert, nicht in Saudi-Arabien aufzutreten. 

Diese Bedenken gegenüber Menschenrechtsverletzungen sind nicht unbegründet. Saudi-Arabien gilt als eines der repressivsten Länder der Welt. Kronprinz Mohammed bin Salman ist zwar bemüht, das Land zu modernisieren und das Königshaus in ein positives Licht zu rücken. Doch politisch scheint keine Liberalisierung vorgesehen zu sein. So kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Zustände im konservativen Land immer wieder scharf.

Auch bei diesem Konzert vor zwei Jahren in Dschidda sind die königlichen Hoheiten präsent gewesenBild: Getty Images/AFP/A. Hilabi

Die Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi zeigte der Welt, wie Saudi-Arabien mit Regimekritikern umgeht. Der US-Senat machte den saudischen Kronprinzen für den Mord an den Journalisten verantwortlich und auch die deutsche Bundesregierung verhängte Sanktionen gegen Riad.

Sind diese Bedenken Grund genug, um sich als Künstler solchen Auftritten zu verweigern? Oder hat die autoritäre Politik des Landes nur wenig mit der kulturellen Öffnung zu tun? Schließlich wollen die saudischen Jugendlichen auch in den Genuss von Musik und Unterhaltung kommen. "Stars könnten eine solche Einladung ja auch als Instrument nutzen, um auf dem Konzert ein klares Zeichen zu setzen und zu sagen: "Ich bin nicht einverstanden damit, wie sie mit den Menschenrechten umgehen!", sagt Susanne Koelbl, Auslandsreporterin des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". 

Susanne Koelbl reist oft nach Saudi-Arabien, Anfang des Jahres war sie bei einem Konzert in DschiddaBild: picture-alliance/dpa/K. D. Gabbert

Koelbl sieht eine klare politische Motivation hinter diesen Konzerten. Sie selbst war bei einem der ersten Konzerte dieser Art in Dschidda dabei und beobachtete dabei eine starke Präsenz des jungen Prinzen Mohammed bin Salman, der über Video auf der riesigen Leinwand eingespielt wurde. Koelbl sieht darin eine neue Plattform, die das Königreich für sich finden will, um sich zu präsentieren. "Das wird mit dem kollektiven Glücksgefühl, das auf Popkonzerten entsteht, verbunden."

Die Auftritte international bekannter Musiker seien für das Regime von großer Bedeutung. "Diese Öffnung aus dem Königreich der Langeweile endlich zu einem Königreich, das auch attraktiv für seine eigenen Bürger ist, ist für die innere Identitätsstiftung wesentlich. Bin Salman wird zu jemandem, der den jungen Saudis eine neue Kultur schenkt. Die Jugend liebt ihn", so Koelbl. Bin Salman nutze diese Modernisierung aber, um seine Botschaft zu verbreiten. Diese Botschaft lautet: Unterhaltung, Wohlstand und Sicherheit, erklärt die Expertin. Dabei soll diese Unterhaltung aber nur von der eigentlichen Unterdrückung ablenken.

Und doch scheint die Strategie des saudischen Königshauses aufzugehen. Für Oktober hat sich schon die nächste koreanische Musikgruppe angekündigt.

 

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