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Saudi-Arabien: Sportswashing mit Formel 1

1. Dezember 2021

Die Formel 1 macht an diesem Wochenende erstmals Station in Saudi-Arabien. Menschenrechtsorganisation sehen hinter dem Grand Prix in Dschidda ein klares Kalkül der saudischen Machthaber.

Saudi-Arabien Jiddaj | Vor dem Grand Prix in Saudi-Arabien
Werbung für den ersten Formel-1-Grand-Prix in Saudi-Arabien am Flughafen in DschiddaBild: Amr Nabil/AP/dpa/picture alliance

Lina Al-Hathlul wird in ihrer Botschaft an den niederländischen Formel-1-Star Max Verstappen deutlich. "Sie haben nun die Wahl: Sie können teilnehmen und das saudische Regime und die Inhaftierung und Folterung von Aktivisten wie meiner Schwester stillschweigend unterstützen. Oder Sie können sich für die Menschenrechte einsetzen und Ihre Stimme erheben, wenn Sie vor Ort sind", sagt die saudische Aktivistin in einem Appell an Verstappen, der über einen niederländischen Radiosender verbreitet wurde.

Lina lebt in Belgien, ihre Schwester Ludschain al-Hathlul, eine saudische Frauenrechtlerin, wurde im vergangenen Februar nach 1001 Tagen hinter Gittern aus der Haft entlassen. Die 32-Jährige hatte sich unter anderem dafür eingesetzt, dass in ihrer Heimat das Fahrverbot für Frauen aufgehoben wurde. Drei Wochen vor der Reform im Jahr 2018 war Ludschain al-Hathful verhaftet und später vom höchsten Terrorgericht zu fünf Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Sie gehört zu einigen Frauenrechtlerinnen, die 2021 zwar freikamen, allerdings nur auf Bewährung. Außerdem dürfen sie Saudi-Arabien in den nächsten Jahren nicht verlassen.

"Miserable Menschenrechtsbilanz"

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International weisen darauf hin, dass trotz einiger Sozialreformen in Saudi-Arabien weiterhin Menschenrechte massiv verletzt werden. Nach ihren Angaben sind immer noch viele Oppositionelle und friedliche Aktivisten im Gefängnis, einige von ihnen würden gefoltert, heißt es. Die Machthaber in Riad nutzten Großveranstaltungen wie den ersten Formel-1-Grand-Prix in der Geschichte des Landes, um "die miserable Menschenrechtsbilanz des Landes weiß zu waschen", wie es Human Rights Watch formuliert.

Nach dem Formel-1-Qualifying am Samstag ist auf dem Kurs in Dschiddah ein Konzert mit Superstars wie Justin Bieber und David Guetta geplant. Zahlreiche Appelle von Musikfans in den sozialen Netzwerken an die Stars, auf den Auftritt in Saudi-Arabien zu verzichten, werden daran wohl nichts ändern.

1,5 Milliarden US-Dollar investiert

Nach dem Rennen in Katar vor zwei Wochen macht der Formel-1-Zirkus erneut in einem Golfstaat Station, dem "Sportswashing" nachgesagt wird, Imagepolitur über den Sport. Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Nichtregierungsorganisation "Grant Liberty" hat Saudi Arabien seit 2014 rund 1,5 Milliarden US-Dollar investiert, um mit dem Glanz des Sports Menschenrechtsverletzungen zu übertünchen - sei es mit dem Box-WM-Kampf im Schwergewicht zwischen Anthony Joshua und Andy Ruiz Jr., der Übernahme des englischen Fußball-Erstligisten Newcastle United, hoch dotierten Pferdesport-, Golf- oder Schachveranstaltungen.

WM-Kampf in der saudischen Hauptstadt Riad: die Schwergewichtler Andy Ruiz Jr. (l.) und Antony Joshua Bild: picture-alliance/AP Photo/PA/N. Potts

Der Löwenanteil der Investitionen, rund 45 Prozent, floss nach diesen Angaben in den Motorsport: in die Rallye Dakar, deren Kurs im vergangenen Januar nahe dem Gefängnis Al-Ha'ir vorbeiführte, wo zu jener Zeit noch die Menschenrechtlerin Ludschain al-Hathlul einsaß, in die Rennserie Extreme E für vollelektrische Geländewagen - und natürlich in die Formel 1. Angeblich lässt sich die saudische Regierung den Zehnjahresvertrag mit der Königsklasse des Automobilsports 65 Millionen Euro pro Jahr kosten, andere Quellen sprechen sogar von 90 Millionen Euro.

Hauptsache, der Rubel oder Dollar rollt

Wie schon unter dem früheren Formel-1-Boss Bernie Ecclestone spielt es auch unter dem aktuellen kommerziellen Rechteinhaber, dem Konzern Liberty Media, keine Rolle, ob im Land eines Grand-Prix-Gastgebers die Menschenrechte eingehalten werden. Hauptsache, das Geld fließt - ob in Russland, Aserbaidschan, China, Bahrain, Katar oder Saudi-Arabien.

Mercedes-Pilot Lewis Hamilton mit seinem Helm in RegenbogenfarbenBild: James Moy/empics/picture alliance

Fast wie ein einsamer Mahner in der Wüste wirkt Weltmeister Lewis Hamilton, der beim Rennen in Katar immerhin öffentlich bemerkte, dass der Golfstaat in Sachen Menschenrechte noch einen langen Weg vor sich habe. Der Brite trug bei seinem Sieg einen Helm in Regenbogenfarben, um ein Zeichen gegen sexuelle Diskriminierung im arabischen Raum zu setzen. Auch in Dschidda will der Titelverteidiger diesen Helm tragen.

Dass Max Verstappen - wie von Lina Al-Hathloul gefordert - seine Stimme erhebt und auf Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien hinweist, ist kaum zu erwarten. Der Niederländer, der sich mit etwas Glück am Wochenende vorzeitig den WM-Titel sichern kann, sagte vor einigen Tagen: "Wir gehen dahin, wo auch immer wir fahren müssen."

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