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Politik

Saudi-Arabien und die atomare Versuchung

Kersten Knipp | Siham Ouchtou
22. Februar 2019

Beliefern die USA Saudi-Arabien schon bald mit ziviler Atomtechnologie? Käme das Königreich in den Besitz dieser Technik, könnte das die gesamte Region destabilisieren. Auch in Israel gibt es Sorge.

USA Washington Saudischer Kronprinz Mohammed bin Salman bei Donald Trump
In strahlendem Lächeln verbunden: Saudi-Arabiens Kronprinz bin Salman und US-Präsident Donald Trump bei einem gemeinsamen Treffen im März 2018Bild: picture-alliance/dpa/SPA

Tut er es oder tut er es nicht? US-Abgeordnete wollen prüfen, ob US-Präsident Donald Trump den Verkauf sensibler Atomtechnologie an Saudi-Arabien vorantreibt. "Mehrere Whistleblower" hätten vor einem möglicherweise strafbaren Interessenkonflikt gewarnt, teilte der dauerhafte Untersuchungsausschuss des US-Repräsentantenhauses in dieser Woche mit. Dessen Mitglieder befürchten, dass das Königreich die US-Technologie für den Bau einer Atombombe nutzen könnte. Dies könnte die Spannungen zwischen Riad und seinem Erzrivalen Teheran weiter vertiefen.

Doch wie groß ist der Schritt von einer zivilen zu einer militärischen Nutzung der Kernenergie? Beide Techniken seien "so eng miteinander verbunden, dass sie sich kaum voneinander trennen lassen", heißt es in einem Papier des Internationalen Konversionszentrums Bonn (Bonn International Center for Conversion - BICC). "Mit der zivilen Anwendung der Nukleartechnik kann Wissen, Material und Technologie gewonnen werden, das auch für ein militärisches Atomprogramm einsetzbar ist."

Allerdings gehe es dem Königreich nicht in allererster Linie um den militärischen Nutzen der Kernenergie, sagt Saudi-Arabien-Experte Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Senior Researcher beim Bonner Forschungsinstitut CARPO. Riad stehe unter erheblichem wirtschaftlichem Druck, Saudi-Arabien versuche, sich gerade aus seiner ökonomischen Abhängigkeit vom Erdöl zu befreien, dessen Export immer noch zu 80 Prozent der Staatseinnahmen beitrage. Daher bemühe sich das Land schon seit längerer Zeit, seine Energiewirtschaft zu diversifizieren, so Sons im Gespräch mit der DW. "Da gibt es massive Anstrengungen, bei denen auch der Bereich nukleare Energie eine wichtige Rolle spielt." In diesem Zusammenhang sei man auf die Zusammenarbeit mit anderen Partnern angewiesen, insbesondere mit den USA. 

Noch immer Saudi-Arabiens Wirtschaftsfaktor Nummer 1: Erdöl. Blick auf ein Ölfeld östlich von RiadBild: picture-alliance/dpa/A. Haider

Saudi-Arabien sei derzeit zwar noch nicht in der Lage, Atomenergie ohne internationale Partner zu produzieren. Generell strebe das Land allerdings nach möglichst weitgehender Unabhängigkeit in dieser Spitzentechnologie. Im März 2018 verabschiedete das Königreich einen Nationalen Atomenergieplan, der den Bau von mindestens 16 Kernkraftwerken in den kommenden 20 Jahren vorsieht. "Dabei spielen große Staatsunternehmen wie Saudi Aramco eine ganz entscheidende Rolle. Aramco wäre natürlich auch bei dem Vorantreiben von Nuklearenergie mit Sicherheit einer der wichtigsten Akteure."

Eine instabile Region

Das Thema Atomenergie sorgt seit Jahren für Unruhe in der Region. Entzündet hatte sie sich ursprünglich am Atomprogramm des Iran, zugleich der größte Konkurrent Saudi-Arabiens in der Region. Seitdem das Mullah-Regime sich intensiv darum bemüht, seine Atomtechnologie auszubauen, denkt auch das Königreich über diese Option nach.

Nachdem die USA den Atomdeal mit dem Iran wieder aufgekündigt haben, schaut die iranische Regierung mit besonderem Misstrauen nach Riad. Die nun veröffentlichte Mitteilung Äußerung des US-Senats veranlasste den iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif zu einer scharfen Kritik über Twitter. "Zuerst ein zerstückelter Journalist; jetzt wirft der unerlaubte Verkauf von Nukleartechnologie an Saudi-Arabien ein Licht auf die US-Heuchelei."

Vorbehalte auch aus Israel

Kritik an möglichen Atomplänen Saudi-Arabiens kommt auch aus Israel. Zwar haben sich Riad und Jerusalem, motiviert durch die gemeinsame Gegnerschaft zum Iran, einander angenähert. Dennoch sieht man die atomaren Ambitionen des Königreichs in Jerusalem skeptisch. Israel sei grundsätzlich dagegen, dass ein arabischer Staat sich in den Besitz von Atomtechnik bringe, sagt der israelische Polit-Analyst Yoni Ben Menahem im Gespräch mit der DW.

Das gelte auch mit Blick auf Saudi-Arabien. "Man weiß nie, wer dort irgendwann einmal die Macht übernehmen könnte. Nähmen dort extremistische Bewegungen das Ruder in die Hand, könnten sie das zivile Atomprogramm auch für militärische Zwecke nutzen", so Ben Menahem. Außerdem könnte das Vorhandensein nuklearer Technologien in Saudi-Arabien andere Staaten der Region dazu bringen, sich ebenfalls um diese Technik zu bemühen. "Und das hieße, die Region könnte in ein nukleares Wettrüsten einsteigen."

In Saudi-Arabiens Nachbarstaat, den Vereinten Arabischen Emiraten, ist bereits ein Kernkraftwerk in BauBild: picture-alliance/AP Photo/Emirates Nuclear Energy Corporation/A. Girija

Diese Gefahr sieht auch Nahost-Experte Sebastian Sons. Kronprinz Mohammed Bin Salman habe erklärt, sein Land müsse reagieren, sollte sich der Iran wieder seinem Nuklearprogramm zuwenden. "In Saudi-Arabien diskutiert man diese Option. Man sieht sich in der Pflicht, gegebenenfalls aufzurüsten." Sollten die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und Iran sich allerdings weiter hochschaukeln, untergrabe dies die Stabilität der gesamten Region.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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