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PolitikNahost

Saudi-Arabien und Iran: Schwierige Annäherung

21. April 2021

Die rivalisierenden Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran sollen kürzlich heimliche Gespräche miteinander aufgenommen haben. Themen gibt es genug - zwischen beiden Ländern bestehen zahlreiche Konflikte. Ein Überblick.

Bildkombo Ajatollah Ali Chamenei und Mohammed bin Salman
Konkurrenten und Rivalen: Ali Chamenei, oberster Führer des Iran (l.), und der saudische Kronprinz Mohammed bin SalmanBild: picture-alliance/dpa/AP/Office of the Iranian Supreme Leader/R. Jensen

Vier Jahre waren die diplomatischen Kanäle gekappt, jetzt sprechen sie offenbar wieder miteinander. Seit der zweiten Aprilwoche verhandeln hochrangige Vertreter Irans und Saudi-Arabiens Informationen der "Financial Times" und inzwischen auch mehreren Nachrichtenagenturen zufolge gut abgeschirmt und heimlich miteinander in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Anfang 2016 hatte Saudi-Arabien die diplomatischen Beziehungen zum Iran abgebrochen, nachdem die Botschaft des Königreichs in Teheran von einer aufgebrachten Menge attackiert worden war. Seit einem Jahr aber bekunden beide Regierungen trotz aller Rivalität immer wieder Willen zur Wiederaufnahme offizieller Gesprächskanäle.

Tatsächlich haben die beiden rivalisierenden Regionalmächte vielerlei Anlass und auch Druck, miteinander zu reden. Nicht nur, weil der Wechsel im Weißen Haus in Washington durchaus noch zu einigen Prioritäten-Verschiebungen in der Region führen könnte. Beide Länder stehen auch wirtschaftlich enorm unter Spannung. Saudi-Arabien verzeichnete insbesondere aufgrund des niedrigen Ölpreises Ende 2020 eine Staatsverschuldung von rund 33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Passanten in Irans Hauptstadt Teheran - die Krise ist überall spürbarBild: Fatemeh Bahrami/Anadolu Agency/picture alliance

Noch stärkerer Druck lastet aufgrund der US-Sanktionen auf dem Iran, der zudem hart von der Corona-Pandemie betroffen ist. Dort lag die Staatsverschuldung zum vergangenen Jahresende bei über 40 Prozent. Die schwierige ökonomische Situation vieler Iraner setzt die Staatsführung auch innenpolitisch enorm unter Druck. Die nun begonnenen Gespräche sollen laut der libanesischen Zeitung "Al-Akhbar", die sich auf iranische Quellen beruft, nächste Woche in Bagdad fortgesetzt werden und dürften sich zahlreichen Konfliktfeldern zuwenden. Hier ein Überblick.

Syrien

Auf das arabische Revolutionsjahr 2011 reagierten die beiden Staaten unterschiedlich: Der Iran betrachtete die Aufstände als Fortsetzung seiner eigenen Revolution von 1979. Saudi-Arabien hingegen sah sie als grundsätzliche Bedrohung der etablierten Ordnung, vor allem mit Blick auf die konservativen Monarchien auf der Golfhalbinsel. Mit Syrien allerdings verhielt es sich aus Sicht Riads anders. Denn dort richtete sich der Protest gegen ein Regime, zu dem Saudi-Arabien seit jeher eine schwierige Beziehung hatte.

Die saudische Führung störte sich seit jeher an dem säkular-sozialistischen Kurs, den Hafiz al-Assad, der Vater des derzeitigen Präsidenten Baschar al-Assad, in der Zeit des Kalten Krieges eingeschlagen hatte. Nach dem Einmarsch der USA 2003 in den Irak dann positionierte sich Syrien gegen die US-Kräfte, mit denen Saudi-Arabien wiederum verbündet war. Nach 2011 unterstützte Saudi-Arabien die syrische Opposition, und zwar auch dann noch, als sich dort zunehmend dschihadistische Gruppen wie etwa der "Islamische Staat" durchsetzten.

Der Iran hingegen unterstützte Präsident al-Assad, in dessen Regierung er einen wertvollen Verbündeten seiner Außenpolitik in der Region sah. Zudem gehört der syrische Machthaber zur Minderheit der Alawiten, die im weiteren Sinne als Teil des schiitischen Islam gelten, während die Mehrheit der Bevölkerung sunnitischer Abstammung ist. Aus Sicht Teherans war und ist Syrien unter Assad ein zentraler Bestandteil des iranischen Einflussbereichs, der bis an die Grenze Israels reicht. Darum unterstützt Teheran das Assad-Regime bis heute. Nachdem Assad in dem Krieg die Oberhand behielt, kann Iran seine Interessen in Syrien heute unmittelbar direkt durchsetzen. Saudi-Arabien hat diese Möglichkeit nicht.

Enge Partner: Irans Außenminister Javad Zarif (l.) und Syriens Machthaber Baschar al-Assad Bild: picture-alliance/AP/SANA

Jemen

Auch im Jemen stehen Saudi-Arabien und der Iran indirekt einander gegenüber. Wie Irak und Libanon gehört der Jemen zu den Ländern, in denen der Iran seinen Einfluss über Unterstützung für schiitische Gruppen zu steigern versucht. Im Jemen sind dies die in den nördlichen Landesteilen lebenden Huthis. Saudi-Arabien sieht in den Rebellen entsprechend eine Iran-ergebene Miliz, die von Teheran ausgerüstet und trainiert werde. So hat das saudische Militär wiederholt von den Huthis abgefeuerte Raketen abgefangen und erklärt, diese seien im Iran produziert worden. Auch die USA erhoben entsprechende Vorwürfe, die Iraner bestritten sie. 

Saudi-Arabien seinerseits unterstützt die offizielle Regierung des Jemen. Dazu hat es sich an die Spitze einer internationalen, überwiegend aus sunnitischen Staaten bestehenden Koalition gesetzt, die seit 2015 aktiv in die Kämpfe eingreift. Dieser Einsatz ist wesentlich mitverantwortlich für das Elend der Bevölkerung im Jemen: 80 Prozent der Bevölkerung - mehr als 20 Millionen Menschen - sind UN-Angaben zufolge auf humanitäre Hilfe angewiesen. Derzeit müht sich Saudi-Arabien offenbar um ein Ende des Krieges.

Der Iran hingegen nutzt die Verbindungen zu den Huthis, um Saudi-Arabien an dessen Südflanke unter Druck zu setzen. Damit unterstützen Angriffe der Huthis die Position Teherans im Kräftemessen, das sich beide Staaten am Golf liefern. Dort waren in den vergangenen Jahren wiederholt technische Einrichtungen der saudischen Erdölverarbeitung attackiert worden.

Flammenmeer: Eine Ölraffinerie im Osten Saudi-Arabiens nach einem mutmaßlich iranischen Angriff im September 2019 Bild: AFP

Atomprogramm

Mit seinem Atomprogramm hat der Iran für erhebliche Sorgen unter seinen Nachbarn, insbesondere Israel und den Staaten auf der arabischen Halbinsel, gesorgt. Zwar hat die iranische Staatsführung immer wieder behauptet, sie verfolge ausschließlich nicht-militärische Ziele. Doch sie vermochte ihre westlichen Gesprächspartner davon ebenso wenig zu überzeugen wie die Golfstaaten - und stieß zudem gegenüber Israel auch immer wieder martialische Drohungen aus. Saudi-Arabien hat wiederholt erklärt, es behalte sich eine atomare Bewaffnung für den Fall vor, dass eine iranische Atombombe nicht verhindert werden kann. "Das ist definitiv eine Option", sagte erst im November 2020 der saudische Staatsminister für Auswärtiges, Adel al-Dschubair, der Deutschen Presse-Agentur.

Vor wenigen Tagen erklärte der Iran nun, er habe mit der Urananreicherung auf 60 Prozent begonnen.Das 2015 geschlossene, 2018 freilich von Donald Trump aufgekündigte Atomabkommen hatte dem Iran lediglich eine Anreicherung  auf 3,67 Prozent zugestanden. Rüstet auch Saudi-Arabien atomar auf, könnte das zu einem Wettrüsten in der gesamten Region führen. 

Israel

Deutlich unterschiedliche Positionen haben Saudi-Arabien und der Iran auch mit Blick auf Israel. Dies zeigte sich etwa anlässlich der Normalisierungsbestrebungen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sowie Bahrain auf der einen und Israel auf der anderen Seite im Sommer 2020. Saudi-Arabien steht dabei vor einer schwierigen Situation: Nach außen mag das Königreich aufgrund seines Status als bedeutendes islamisches Land  - dort liegen die den Muslimen heiligen Städte Mekka und Medina - sich (noch) nicht zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel bekennen. Andererseits deutet aber vieles darauf hin, dass die Führung in Riad genau dies will.

So öffnete Saudi-Arabien im September vergangenen Jahres seinen Luftraum für israelische Flugzeuge. Zudem sind beide Länder längst miteinander im Gespräch. Unbestätigten Presseberichten zufolge soll sich der israelische Premier Benjamin Netanjahu im November vergangenen Jahres in der saudischen Stadt Neom mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman getroffen haben. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und arabischen Staaten wie den VAE wurde in Riad deutlich gut geheißen.  

Der Iran hingegen wendet sich strikt gegen alle Normalisierungsbemühungen mit Israel. "Die VAE haben die Welt des Islam, die arabischen Nationen, die Länder der Region und Palästina verraten", hatte im September das geistliche Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, erklärt. Mit dieser Position dürfte Iran versuchen, auch in der arabischen Welt an Ansehen zu gewinnen, zumindest in jenem Teil der arabischen Bevölkerungen, der ebenfalls gegen eine Normalisierung ist. Zugleich sieht der Iran die Annäherung zwischen Israel und einigen Golfstaaten als militärische Bedrohung. Israel, so die Sorge, könnte Waffen und digitale Ausrüstung liefern, die sich gegen Iran und dessen Militär- und Atomprogramm richtet.

Immer wieder Anlass für Streit: die muslimische Pilgerfahrt "Hadsch"Bild: Reutesr/W. Ali

Konfessionelle Konkurrenz

Saudi-Arabien und Iran erheben beide den Anspruch, religiöse Führungsmächte der islamischen Welt zu sein. Dabei kann das sunnitische Saudi-Arabien auf erhebliche Pluspunkte verweisen: So wurde auf dem Gebiet des heutigen Königreichs der islamische Religionsstifter Mohammed geboren, auch befinden sich dort die zwei wichtigsten heiligen Städte Mekka und Medina. Der saudische König trägt offiziell den Titel "Diener der heiligen Stätten des Islam". Zudem hängt die überwältigende Mehrheit der Muslime weltweit der sunnitischen Richtung an.

Auf zentrale Orte kann der erst später islamisierte schiitische Iran nicht verweisen. Zwar gilt die Stadt Qom als Zentrum schiitischer Gelehrsamkeit. Ebenso befinden sich schiitische Heiligtümer auf iranischem Gebiet. Doch die bedeutendsten Pilgerstätten finden sich nicht im Iran, sondern im Irak, in Nadschaf und Kerbala. Vor der Corona-Pandemie pilgerten jedes Jahr auch Millionen Iraner dorthin.

In den vergangenen Jahren hatte sich die Konkurrenz zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zusätzlich an der so genannten "Hadsch", der muslimischen Pilgerfahrt nach Mekka, entzündet. Dort war es 2015 zu einer Massenpanik gekommen, bei der über 700 Menschen ums Leben kamen. Der Iran gab damals Saudi-Arabien eine erhebliche Mitschuld am Unglück. Als Saudi-Arabien im folgenden Jahr ein neues Sicherheitskonzept erstellte, weigerte sich der Iran, dieses anzunehmen. In der Folge konnten iranische Pilger nicht an der Hadsch teilnehmen. Vorfälle wie diese zeigen, dass auch die religiös-kulturelle Konkurrenz ernsthafte Spannungen zwischen beiden Ländern auslösen oder weiter anheizen kann.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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