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Politik

Saudi-Arabien will Allianz am Roten Meer

Kersten Knipp | Emad Hassan
13. Dezember 2018

Die alten Bündnisse bröckeln. Nun sucht Riad neue Partner unter den Anliegern des Roten Meers. Die politischen und ökonomischen Unterschiede sind groß. Die Initiative ist auch eine Botschaft an Riads bisherige Partner.

Saudi Arabien | Außenministertreffen | Abkommen | Rotes Meer
Saudi-Arabiens Außenminister Adel al-Jubeir empfing seine Amtskollegen aus Anreinerstaaten des Roten Meeres Bild: Getty Images/AFP/F. Nureldine

Saudi-Arabien streckt die Hände aus, und zwar in eine politisch bislang eher ungewohnte Richtung: nach Westen und Südwesten. Dschibuti, Somalia, Sudan, das sind die neuen Gesprächspartner der Staatsführung in Riad. Auch mit der Regierung des südlichen Nachbarn Jemen, in dem es seit dreieinhalb Jahren eine militärische Intervention gegen die aufständischen Huthis anführt, haben sich die saudischen Politiker nun an einen Tisch gesetzt.

Mit insgesamt sechs Staaten will Saudi-Arabien ein Bündnis ins Leben rufen, deren zentrales Anliegen die Kooperation rund um das Rote Meer ist. Neben den neuen Partnern soll sie auch zwei Staaten einschließen, mit denen Riad bereits eng zusammenarbeitet, nämlich Ägypten und Jordanien. Alle diese Staaten grenzen an das Rote Meer. 

"Das ist Teil der Aktivitäten, mit denen das Königreich seine Interessen und die seiner Nachbarn schützen will", begründete der saudische Außenminister Adel al-Jubeir am Mittwoch die Initiative. "Es geht darum, die Region, in der wir leben, zu stabilisieren und Synergien zwischen den  verschiedenen Ländern zu schaffen." Die Logik der Initiative liegt für den Außenminister auf der Hand: "Je mehr Kooperation und Absprache es gibt, desto geringer wird ein negativer Einfluss von außen auf die Region einwirken."

Umbrüche in der Golfregion

Die Initiative fällt in eine Zeit, in der sich Saudi-Arabien erheblichen außenpolitischen Herausforderungen gegenüber sieht. Die vom Königreich angeführte Intervention im Jemen steht international stark in der Kritik. Zuletzt hat sie auch das Verhältnis zu den USA belastet. Zusätzlich entfremdet haben sich die beiden Staaten durch die Affäre um den saudischen Journalisten Jamal Khashoggi, der im Istanbuler Konsulat des Königreichs getötet worden war. 

Bild: DW

Auch in der näheren Umgebung knirscht es. Lange hatte sich die saudische Führung vor allem für die nördlichen und östlichen Nachbarn des Königreichs interessiert: die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain, Kuwait, Bahrein und bis vor einigen Monaten auch noch Katar. Das waren die Staaten, mit denen man in Riad zusammenarbeitete, mit denen man sich über die Rohöl-Preise verständigte und mit denen man den generellen politischen Kurs der Arabischen Halbinsel absteckte.

Zu den politischen Instrumenten dieser koordinierenden Politik gehörte zum einen die 1960 gegründete "Organisation erdölexportierender Länder" (OPEC), die allerdings auch Förderstaaten in ganz anderen Weltregionen umfasste; und zum anderen der Golfkooperationsrat (GOC), 1981 ins Leben gerufen angesichts der islamischen Revolution im Iran, auf der anderen Seite des Persischen Golfs.

Schwieriges Verhältnis zu Katar und den USA

Doch vor wenigen Wochen verließ Katar, über das Saudi-Arabien seit anderthalb Jahren einen scharfen Boykott verhängt, die OPEC. Zudem sagte es seine Teilnahme an einem GOC-Treffen Anfang der Woche in Saudi-Arabien ab. Die Führung in Riad hatte Katar zwar zur Teilnahme eingeladen, dort aber konnte man sich nicht zu einer Zusage entschließen. Zwar sind sämtliche Mitgliedsstaaten des GOC durch den Abwehrkampf gegen den Dschihadismus verbunden, durch den sie sich gemeinsam herausgefordert sehen. Doch dieses Anliegen hält das Bündnis immer weniger zusammen.

Insbesondere aber sorge man sich in Riad um das Verhältnis zu den USA, sagt Sebastian Sons, Saudi-Arabien-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Grundsätzlich werde von saudischer Seite zwar immer betont, wie eng und vertrauensvoll das Verhältnis zu den Amerikanern sei - eine Einschätzung, die vor allem auf der gemeinsamen Gegnerschaft zum Iran gründe. "Aber dieses gemeinsame Feindbild übertüncht in gewisser Art und Weise nur die Probleme. Denn tatsächlich hat sich Saudi-Arabien von Donald Trump mehr erhofft", so Sons im Gespräch mit der DW. "So hatte man gerade in der Katar-Krise angenommen, viel stärker auf Trump zählen zu können, als es dann der Fall war."

Enge Partner: der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (li.) und der ägyptische Präsident Abdel Fatah al-Sisi (re.)Bild: Reuters/Courtesy of Saudi Royal Court/Bandar Algaloud

Allianz verbindet starke und schwache Partner

Ähnlich sieht es der Politologe Ghassan al-Attiyah, Direktor des "Iraqi Institute for Development and Democracy". Saudi-Arabien sei auf neue Bündnisse dringend angewiesen. Dem diene auch die geplante Allianz mit den Anrainer-Staaten des Roten Meeres. "Sie verbindet das ökonomisch mächtige Saudi-Arabien mit dem politisch starken Ägypten." Diese Allianz - sie hat sich aus Sicht beider Staaten bereits in der gemeinsam getragenen Intervention im Jemen bewährt - verbinde zwei einflussreiche Staaten in der Region, so Al-Attiyah im DW-Interview. Die Rolle der anderen in der Allianz aktiven Staaten sei hingegen eher bescheiden: "Sie sind alle politisch wie ökonomisch schwach."

Der Sinn der Allianz liege nicht zuletzt in der Botschaft, die von ihr ausgehe, vermutet Al-Attiyah: "Saudi-Arabien will dem Westen und Amerika zeigen, dass es Alternativen hat und sich nicht allein auf seine bisherigen Partner verlassen muss."

Saudi-Arabien verfolge vor allem ein Anliegen, so der saudische Journalist und Politikwissenschaftler Ahmed Adnan: Man habe in Riad den Eindruck, bislang nicht hinreichend um potentielle Partner im Westen geworben zu haben. Dabei sei das Rote Meer eine zentrale Wasserstraße der Welt - mit seinem verlängerten Arm, dem Suez-Kanal, wird es täglich von Tankern mit insgesamt 3,2 Millionen Barrel Erdöl durchquert. "Strategisch, politisch und unter Sicherheitsaspekten ist das Rote Meer darum von höchster Bedeutung für das Königreich", so Adnan im Gespräch mit der DW.

Die Rolle Israels

Allerdings, sagt Politologe Al-Attiyah, fehle ein Staat in der neuen Allianz: Israel, das durch den Golf von Akaba östlich der Sinai-Halbinsel ebenfalls mit dem Roten Meer verbunden ist. Dabei sei Israel der Hauptnutznießer der Konflikte innerhalb der arabischen Welt wie auch zwischen Saudi-Arabien und Iran. "Zudem fühlen sich viele Araber Israel nahe, weil es ebenfalls in Gegnerschaft zum Iran steht."

Gelänge es, Israel für die Allianz zu gewinnen, würde deren politisches Gewicht enorm gewinnen, sagt al-Attiyah. Doch noch sei es nicht so weit. Insgesamt entspringe das neue Bündnis ohnehin vor allem ganz offenbar der neuen Unübersichtlichkeit in der Region: "Die arabische Welt befindet sich derzeit in Aufruhr und Unordnung. Die Golfstaaten werden schwächer. Ich bezweifle aber, dass die Allianz diese Lücke schließen kann."

Der Suezkanal gilt als die wichtigste künstliche Wasserstraße der WeltBild: picture-alliance/dpa/A. Shaker
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika