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Saudi-Arabiens Sportswashing geht weiter

15. Februar 2023

Die FIFA vergibt die Klub-WM 2023 an Saudi-Arabien. Fast schon resignativ wirkt die Kritik von Menschenrechtsorganisationen an den Sportverbänden, die den Golfstaat immer mehr Großereignisse veranstalten lassen.

Die Fußballer von  Real Madrid bejubeln in Rabat in Marokko ihren Sieg bei der Klub-WM.
Der aktuelle Klub-WM-Sieger Real Madrid jubelte in Rabat in Marokko, der nächste wird es in Saudi-Arabien tunBild: 900/Cordon Press/picture alliance

"Die FIFA hat wieder einmal die grausame Menschenrechtsbilanz Saudi-Arabiens missachtet", verkündete Steve Cockburn, der bei Amnesty International die Abteilung für wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit leitet. Das FIFA-Council, das höchste Gremium des Fußball-Weltverbands, hatte zuvor einstimmig beschlossen, die Klub-WM 2023 im kommenden Dezember an Saudi-Arabien zu vergeben. Die FIFA, so Cockburn, setze sich "einmal mehr über ihre eigene Menschenrechtspolitik hinweg und macht sich mitschuldig an eklatantem Sportswashing". Damit ist die Strategie von Regierungen gemeint, mit Hochglanz-Sportveranstaltungen von Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land abzulenken.

Amnesty verweist unter anderem auf die hohe Zahl an Hinrichtungen in Saudi-Arabien - "viele von ihnen nach äußerst unfairen Prozessen" - sowie auf in den vergangenen Monaten verhängte Haftstrafen zwischen zehn und 45 Jahren für Menschen, die sich friedlich im Internet geäußert hätten.

Viel Geld im Spiel

Die Vorwürfe der Menschenrechtsorganisationen gegen den Golfstaat sind nicht neu, und doch treffen sie im Sport offenbar auf taube Ohren. Wie im Falle des letzten WM-Ausrichters Katar scheint auch für Saudi-Arabien zu gelten: Wenn garantiert ist, dass der Dollar rollt, sind die verantwortlichen Funktionäre geneigt, mindestens ein Auge zuzudrücken. An Geld mangelt es den Saudis nicht. So verwaltet der saudische Staatsfonds PIF (Public Investment Fund) ein Gesamtvermögen von rund 500 Milliarden Dollar.

Die neue LIV-Golfserie - hier Phil Mickelson beim Turnier in Bedminster - sorgte 2022 für viel Wirbel Bild: Peter Foley/UPI Photo/Newscom/picture alliance

2021 übernahm der Fonds 80 Prozent der Anteile des englischen Fußball-Traditionsklubs Newcastle United. 2022 startete im Golf-Sport eine umstrittene neue Turnierserie mit sehr hohen Preisgeldern, hauptsächlich finanziert vom PIF. Vorsitzender des Fonds ist der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman, der als Ministerpräsident längst der starke Mann im Staat ist.

Seine Rolle als Regierungschef schützt ihn vor Ermittlungen im Fall Jamal Khashoggi. Der oppositionelle Journalist war 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet worden. US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Bin Salman den Mord nicht nur billigte, sondern sogar persönlich anordnete. Doch inzwischen scheint Bin Salman international wieder hoffähig zu sein. Im vergangenen Jahr traf der Kronprinz unter anderen US-Präsident Joe Biden, den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz.

Erst Ronaldo und Messi, dann die Fußball-WM 2030?

Mit seinem Entwicklungsplan "Vision 2030" will der Kronprinz Saudi-Arabien modernisieren und unabhängiger von Öleinnahmen machen. Auch Investitionen in den Sport spielen dabei eine nicht unbedeutende Rolle. Nach Medienberichten war die saudische Regierung auch an der Finanzierung des Transfers von Fußball-Superstar Cristiano Ronaldo beteiligt.  Dem Vernehmen nach verdient der 38 Jahre alte Portugiese beim saudischen Erstligisten Al-Nassr FC bis Mitte 2025 mehr als 500 Millionen Euro. Ronaldo soll angeblich auch danach weiter fürstlich entlohnt werden: als eine Art "Markenbotschafter" für das Land.

Cristiano Ronaldo (r.) spielt bereits in Saudi-Arabien, über einen Wechsel Lionel Messis wurde zuletzt spekuliertBild: Franck Fife/AFP

Eine solche gut bezahlte Rolle nimmt bereits der argentinische Superstar Lionel Messi ein. Seit 2022 ist der Kapitän der argentinischen Weltmeister-Mannschaft Botschafter für den Tourismus in Saudi-Arabien. Die Tourismusbehörde Visit Saudi will angeblich auch die Frauenfußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Australien und Neuseeland sponsern. "Ich finde es bizarr, dass die FIFA ein Visit-Saudi-Sponsoring der Frauen-WM prüft, während ich, Alex Morgan, in diesem Land nicht einmal unterstützt und akzeptiert würde", sagte die bekannte US-amerikanische Fußballspielerin Alex Morgan. Der Kritik schloss sich auch die Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft, Alexandra Popp, an: "Es ist kein optimaler Sponsor für eine Frauen-Weltmeisterschaft und für das, wofür wir Frauen auch so stehen." Trotz einiger Reformen sind Frauenrechte in Saudi-Arabien weiter eingeschränkt, Homosexualität ist strafbar.

Dennoch macht etwa die Formel 1 seit 2021 Station in der saudischen Stadt Dschidda, seit 2020 wird auch die Rallye Dakar in Saudi-Arabien ausgefahren. Kein Problem sieht darin Mohammed bin Sulayem, Präsident des Automobil-Weltverbands FIA. "Als wir keine Sportevents in Saudi-Arabien hatten, haben alle in den Medien gedrängt, Sportevents hier auszutragen", sagte der Sportfunktionär aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kürzlich in einem Interview des Portals "Motorsport-Total.com":  "Jetzt öffnen sie [die Saudis - Anm. d. Red.] sich." Nicht nur für etablierte Sportarten wie Motorsport, Golf oder Boxen, sondern auch für junge Sportarten.

Der Große Preis von Saudi-Arabien wird seit 2021 in Dschidda ausgefahrenBild: Mark Sutton/Motorsport Images/IMAGO

Im September 2022 kündigte Kronprinz Bin Salman eine ESport-Initiative an. Angeblich will die Regierung fast 500 Millionen Euro investieren. Im kommenden Dezember werden die Global ESports Games in der Hauptstadt Riad ausgetragen. 2029 wird Saudi-Arabien Gastgeber der asiatischen Winterspiele - auf Kunstschnee in der Wüste.

Und das Land bastelt offenbar schon an einem weiteren großen Coup. Angeblich will sich Saudi-Arabien gemeinsam mit Ägypten und Griechenland um die Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft 2030 bewerben. Die FIFA hätte damit wahrscheinlich kein Problem - im Gegensatz zu Menschenrechtsorganisationen. 

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