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Politik

Syrien: Saudi-Arabiens unfreiwilliger Rückzug

4. April 2018

In Ankara treffen sich die Staatschefs Russlands, Irans und der Türkei, um über Syrien zu sprechen. Der Westen verliert dort zunehmend an Einfluss. Besonders der Partner Saudi-Arabien ist kaum mehr nennenswert präsent.

Saudischer Kronprinz besucht USA
Mohammed bin Salman, Kronprinz von Saudi-Arabien, spricht im März mit US-Vizepräsident Mike PenceBild: picture-alliance/dpa/SPA

Es mutet an wie orchestriert: In Ankara treffen sich die Staatschefs Russland, Irans und der Türkei - und wenige Tage vorher denkt US-Präsident Trump laut über einen Abzug der US-Truppen aus Syrien nach. Mit dieser Idee dürfte er insbesondere beim iranischen Präsidenten Rohani auf Wohlgefallen stoßen. Der hatte sich kurz vor dem Treffen Gedanken über die völkerrechtliche Situation rund um Syrien gemacht: "Der Iran glaubt, dass die Präsenz ausländischer Militärs in Syrien ohne die Zustimmung der syrischen Regierung illegal ist und gestoppt werden sollte."

Die Präsidenten Rouhani, Putin und ErdoganBild: picture-alliance/AP Images/K. Ozer

Rohani zielte damit nicht nur auf die USA, sondern auch auf die Türkei. Tatsächlich haben diese beiden Staaten Truppen nicht nur ohne Zustimmung, sondern gegen den expliziten Willen der syrischen Regierung in das Land entsandt. Darin unterscheiden sie sich von Russland und Iran, die ihre militärische Präsenz mit der expliziten Zustimmung des Assad-Regimes begründen und legitimieren können.

Einvernehmen in Ankara

Dass Rohani nun aber ausgerechnet nach Ankara reist, um dort an den Gipfelgesprächen teilzunehmen, deutet darauf hin, dass der Iran auch mit der Türkei ein tieferes Einverständnis pflegt, als seine völkerrechtlichen Überlegungen annehmen lassen. Tatsächlich bestehe zwischen den drei in Ankara versammelten Gesprächspartnern ein grundlegendes politisches Einvernehmen, vermutet Mensur Akgun, Professor für internationale Beziehungen an der Istanbuler Kultur-Universität. "Als in Syrien einflussreiche Akteure haben die drei weder Interesse an einer Fortsetzung der Krise noch an der Präsenz und dem Einfluss der USA in dem kriegsgeplagten Land", sagte Akgun in einem Gespräch mit dem katarischen Nachrichtensender al-Dschasira.

Waffenruhe - zumindest für einen Moment: Szene aus Ost-GhutaBild: Imago/Xinhua/A. Safarjalani

Offenbar überwiegt die gemeinsame Abneigung gegen die Präsenz der USA die politischen Differenzen in anderen Fragen, allen voran die um das politische Schicksal Baschar al-Asads. Während Russland und Iran ihn weiterhin an der Macht halten wollen, arbeitet die Türkei seit Jahren auf seine Absetzung hin. Dessen ungeachtet versuchen die drei in Ankara versammelten Politiker sich in anderen Fragen zu einigen: etwa der nach der humanitären Hilfe, nach De-Esklationszonen, die bis heute nicht in befriedigender Weise eingerichtet wurden, und auch nach einer neuen Verfassung für Syrien.

Saudi-Arabien versus Iran

Wie immer sich die USA in der Frage ihrer Präsenz entscheiden werden, ob sie in Syrien bleiben oder ihre Truppen von dort abziehen: Sie handeln erheblich autonomer als einer ihrer wichtigsten Partner - in Syrien und der ganzen Region: Saudi-Arabien. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass das Königreich von der arabischen Halbinsel in Syrien an Einfluss verliert: Iran dagegen hat seine Präsenz dort enorm ausgebaut, militärisch ebenso wie politisch und ökonomisch. Dass Teheran jetzt in Fragen der neuen syrischen Verfassung zumindest mitreden kann, ist nur ein Hinweis auf Teherans Macht auch in Damaskus.

Das kann Saudi-Arabien nicht recht sein. Das Königreich fürchte eine massive Ausweitung der iranischen Einflusszone in der Region sagt Sebastian Sons im Gespräch mit der DW, Saudi-Arabien-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik: "Dementsprechend ist seine gesamte Außenpolitik darauf abgestellt, Iran zurückzudrängen."

Der Wandel ist weiblich: Eine junge Frau zeigt sich Riad ohne KopftuchBild: DW/F. Facsar

Diese Furcht sei zu Teilen begründet. "Selbstverständlich muss man sehen, dass der Einfluss Irans in der arabischen Welt in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat. Das nimmt man in Saudi-Arabien als Bedrohung der eigenen Sicherheitsinteressen wahr - und dagegen muss man sich das Königreich aus der Sichtweise des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman wehren", sagt Sons.

Harte anti-iranische Rhetorik

Dennoch scheint es derzeit, als käme Saudi-Arabien mit seinen Versuchen, die iranische Einflussszone einzuhegen, nicht recht weiter. Zwar seien sich bin Salman und US-Präsident Trump in der Einschätzung Irans einig. "Das ermutigt den Kronprinzen bin Salman, weiterhin eine sehr harte Rhetorik gegen Iran zu pflegen", sagt Sons, Das habe bislang aber vor allem dazu geführt, dass sich die Fronten weiter verhärteten.

Die Tendenz zum außenpolitischen Machtverlust könnte sich gerade in Syrien fortsetzen: Zögen sich die USA, wie von Trump angedeutet, aus Syrien zurück, schwände damit auch der Einfluss des saudischen Königreichs - umso mehr, als die syrische Regierung im Verein mit Russland und Iran die dschihadistischen Gruppen immer weiter zurückdrängt.

Kaum mehr Ansprechpartner für Riad

Nun gewinnt Damaskus zunehmend auch die Kontrolle über Ost-Ghuta zurück, eine der letzten Bastionen der Islamisten. Kurz vor dem Gipfel in Ankara hatte der russische Präsident Putin die Dschihadistenorganisation "Islamischer Staat" (IS) für "besiegt" erklärt - auch wenn sie weiterhin ein "erhebliches Zerstörungspotenzial" habe. Auf die Islamisten - wenn auch nicht den IS und vergleichbare extremistische Organisation - hatte Saudi-Arabien im Syrien-Krieg aber vor allem gesetzt. Andere Ansprechpartner hat das Königreich in Syrien kaum. So droht es seinen Einfluss vollends zu verlieren.

Mit seinem Vorgehen im Jemen stößt Saudi-Arabien bei westlichen Partnern auf offene KritikBild: Reuters/P. Albouy

Auf Unterstützung durch andere westliche Staaten außer den USA kann Saudi-Arabien zudem kaum hoffen: Sowohl die von Riad angeführte militärische Intervention im Jemen mit ihren katastrophalen humanitären Folgen wie auch der harte Kurs gegen das benachbarte Emirat Katar stoßen trotz einiger Korrekturen im Westen auf Vorbehalte oder sogar offene Kritik.

Riad: politischer Wandel unumgänglich

Insofern, sagt Sebastian Sons, habe Saudi-Arabien starke Gründe, seine Außen- und Innenpolitik zu überdenken und die ausländische Kritik an dem Königreich ernst zu nehmen. "Wir können wohl auch nicht davon sprechen, dass Mohammad bin Salman ein politischer Reformer ist, der das Land weitgehend öffnen wird, der es etwa zulassen würde, dass Kirchen oder Synagogen gebaut würden. Alles das sehe ich nicht. Aber er verändert den Diskurs - und damit auch das Image des Landes. Und darum geht es ihm hauptsächlich."

Ein neues Image aber setzt einen zumindest in Teilen grundlegenden Wandel voraus. Erst dann dürfte das - vor allem westliche - Ausland bereit sein, sein Verhältnis zu Saudi-Arabien zu überdenken.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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