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Schäuble, der Vermittler

Jens Thurau13. April 2014

Finanzminister und doch eher Krisendiplomat: Wolfgang Schäuble hat auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds IWF in Washington fast nur eines im Sinn: Deeskalieren und vermitteln in der Ukraine-Krise.

Wolfgang Schäuble im Rollstuhl auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank 2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Donnerstag Mittag, Berlin: Wolfgang Schäuble tritt entspannt seine kurze Reise zum Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds IWF nach Washington an. Dabei stehen dem deutschen Finanzminister bis zum Samstag Mittag zahlreiche Termine bevor: Nach neun Stunden Flug, Treffen mit seinen Finanzministerkollegen der führenden Industrieländer G7 (Russland ist nicht dabei), Treffen im erweiterten Kreis der Industrie- und Schwellenländer G20 (Russland ist dabei), bilaterale Treffen mit den Finanzministern aus Kanada, der Schweiz, Brasilien, der Ukraine und Russland. Besonders die letzten beiden Gespräche sind bedeutend.

Schäubles Ziel: Deeskalation

Denn die Finanzminister befassen sich diesmal in der amerikanischen Hauptstadt nicht nur mit den Aussichten der Weltwirtschaft, mit Strukturanpassungen in Krisenländern und den zähen Versuche, den IWF selbst zu reformieren - sie betreiben eigentlich Krisendiplomatie auf höchster Ebene. Wie geht es weiter, nachdem Russland die Krim annektiert hat - völkerrechtswidrig, wie der Westen sagt? Eskaliert die Situation weiter, vor allem in der Ostukraine? Für den Fall haben die westlichen Staaten mit harten Wirtschaftssanktionen gedroht, die auch den Westen, auch Deutschland treffen würden. Schäuble will das nicht - und er will seine guten Kontakte zur russischen Regierung nutzen, um zu vermitteln.

Schäuble im Gespräch mit der Vizevorsitzenden der Russischen Zentrakbank Ksenia UdaevaBild: picture-alliance/dpa

Als deutscher Minister für alles Monetäre kommt Schäuble gut gelaunt in die USA: Deutschland ist Anfang der Woche wegen seiner guten wirtschaftlichen Entwicklung von IWF-Chefin Christine Lagarde gelobt worden. Nächstes Jahr soll der deutsche Haushalt ohne neue Schulden auskommen. Die Griechen haben gerade erstmals nach vielen Jahren wieder Staatsanleihen am Markt platziert, was der Minister als gutes Zeichen wertet: "Die Euro-Krise ist noch nicht vorbei, aber wir sind auf sehr guten Weg. Vor noch zwei Jahren hätte uns in Europa das niemand zugetraut", sagt Schäuble dazu nach der Landung in Washington.

Schäuble sieht keine Deflationsgefahr

Es gibt allenfalls kleinere Konflikte: Der IWF sieht in der geringen Preissteigerung in der Euro-Zone eine Deflationsgefahr mit negativen Auswirkungen auf Investitionen und Wachstum. Aus der Bundesregierung heißt es dazu, man werde mit dem IWF darüber reden und deutlich machen, dass die geringen Energiepreise und die niedrigen Löhne vor allem in den Krisenstaaten Südeuropas dafür verantwortlich seien. Kein Grund zur Sorge, findet auch Schäuble. Findet auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der am Freitag morgen in einem Nobelhotel der amerikanischen Hauptstadt neben Schäuble vor der Presse sitzt. Doch der IWF wird später in seiner Abschlusserklärung von Risiken für die Weltwirtschaft sprechen und die geringe Inflation „in einigen Ländern“ erwähnen. Aber das bleibt ein kleiner Konflikt, der Schäuble nicht belastet. Anders die Ukraine.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, die Gaszufuhren in die Ukraine - und vielleicht auch in den Westen - zu drosseln, wenn die Ukrainer nicht endlich pünktlich zahlen. Darauf haben vor allem die Amerikaner ungehalten reagiert und ihre Sanktionen verschärft. Schäuble versucht zu vermitteln: "Ein schwieriges Land ist die Ukraine schon, und sie haben tatsächlich große Außenstände in Moskau." Nur kein zusätzliches Porzellan zerschlagen, die Lage ist ernst genug.

Wolfgang Schäuble und Jens Weidmann bei der IWF-FrühjahrstagungBild: Reuters

Appell an Russland und die USA: keine nationalen Alleingänge

Nur einmal, am Freitag, klingt das etwas anders. Schäuble hält eine Rede im „Council on foreign relations“, nur einen Block entfernt vom IWF- Tagungsgebäude im Herzen Washingtons. Er ruft die USA zu einer Wiederbelebung der transatlantischen Partnerschaft auf. Reden müsse man auf Augenhöhe, freundschaftlich, kooperativ. Die Globalisierung vertrage keine Alleingänge nach alter Großmachtmanier. "Und deshalb wird das, was Russland im Moment macht, genau das bleiben: Ein Momentum", stellt der CDU-Politiker klar. Unilateralismus ist out, globale Probleme müssen global gelöst werden. Gilt aber auch für die USA, Stichwort NSA-Affäre: "Es ist doch lächerlich, wenn nur die NSA glaubt, flächendeckend die Menschen ausspionieren zu dürfen." Also: Nachdenken über bürgerliche Freiheitsrechte im Internetzeitalter – alle zusammen, ohne nationale Alleingänge. Eine schärfere Formulierung in seinem ursprünglichen Redetext, in der von gravierenden Folgen für Politik und Wirtschaft durch die NSA-Affäre die Rede war, lässt der Minister lieber weg. Die Diplomatie. Dann macht er sich auf zum nächsten Termin beim IWF, nur ein paar Blocks entfernt.

In der Abschlusserklärung der G20 kommt die Krise um die Ukraine und Russland nur kurz vor, es heißt, man beobachte die wirtschaftliche Entwicklung in der Ukraine. Russland wird nicht erwähnt. Immerhin: Der IWF wird der Ukraine wohl bis zu 18 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen, gegen harte Auflagen: Höhere Gaspreise für die Verbraucher, um die Rechnungen auch bezahlen zu können, Kampf gegen Korruption, besseres Klima für Investoren, mehr Haushaltsdisziplin. Und: Russland gehört ja mit zu den Geldgebern als IWF-Mitglied und ist in das Verfahren eingebunden. Aus dem Kreis der G20 heißt es aber schon, die Russen hätten etwas am Rande gestanden und seien von den westlichen Staaten frostig empfangen worden. Stimmt das? Schäuble wiegelt wieder ab: „Mit meinem russischen Kollegen Anton Siluanow habe ich seit Jahren ein sehr gutes Verhältnis. Er ist ja fast so lange im Amt wie ich.“

Der IWF stellt Geld für die Urkaine zur Verfügung, allerdings mit harten AuflagenBild: Reuters

Reform des IWF notwendig

Doch fast am Ende klingt dann auch Schäuble einmal ungehalten. Eigentlich wollte der IWF sich schon im Herbst 2012 selbst reformieren: Mehr Einfluss für aufstrebende Schwellenländer wie Indien und China bei der Kreditvergabe, mehr Demokratie also, sogar US-Präsident Barack Obama war dafür, aber die Strukturreform ist bislang am US-Kongress gescheitert. "Die müssen jetzt mal liefern", erklärt Schäuble kurz und knapp. Und auch in der Abschlusserklärung der G20 heißt es, das Verhalten der USA werde mit "tiefer Enttäuschung" zur Kenntnis genommen. Irgendwann ist jede Diplomatie beendet. Und mit den Amerikanern kann man im Moment offenbar ruppiger umgehen als mit den Russen …

Und dann verlässt Schäuble das fast schon sommerliche Washington, während hundertausende Menschen auf den Straßen rund um das Weiße Haus das Kirschblütenfest feiern, mit farbenfrohen Umzügen und Marschkapellen. Sie begrüßen die warme Jahreszeit. Schäuble hat alles dafür getan, dass es nicht zu einer neuen Eiszeit zwischen West und Ost kommt.

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