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Gesellschaft

Schönberg zeigt Flagge gegen Neonazis

Ben Knight
10. August 2018

Bei einem Autounfall stirbt ein kleiner Junge aus Syrien. Dann tauchen an der Unglücksstelle Hakenkreuze auf, mit dem hämischen Zusatz "1:0". Die ostdeutsche Kleinstadt Schönberg steht unter Schock.

Deutschland, Schönberg: Mahnwache
Bild: DW/B. Knight

Mahnwache in Schönberg

02:19

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Einwohner der kleinen Stadt Schönberg in Nordostdeutschland haben eine Mahnwache für einen neunjährigen Jungen aus Syrien abgehalten, der im Juni bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Auf dem Banner der Veranstalter, getragen von Bürgermeister Lutz Götze und anderen, stand in simplen Worten: "Hier ist ein Kind gestorben. Wir trauern". Es war tragischer Unfall - Mazen war mit dem Fahrrad unterwegs als er von einem Auto erfasst wurde. Aber genau genommen sind die Menschen mit Banner und Blumen an diesem Tag nicht deshalb hier. Sondern wegen dem, was danach geschah.

Im Juli mussten die kommunalen Behörden zweimal anrücken, um den Bürgersteig an der Unfallstelle zu säubern. Jedes Mal waren Hakenkreuze auf den engen Gehweg gesprüht worden. Beim zweiten Mal hatte der Sprayer zusätzlich den hämischen Schriftzug "1:0" hinterlassen, wie, um den Tod des Kindes wie ein Fußballergebnis zu feiern. Die Behörden entschieden daraufhin, die Gehweg-Backsteine komplett auszutauschen, denn es gelang nicht, die weißen Flecken komplett zu entfernen. Beide Male hatten Anwohner die Hakenkreuze übermalt, um sie unkenntlich zu machen. Sie hatten sie ausgemalt, Blumen hinzugefügt oder daraus das "Peace"-Symbol gemalt.

Nach dem Vorfall steht die Gemeinde Schönberg unter Schock: Anders als zum Beispiel das nur 30 Kilometer entfernte Jamel ist Schönberg eigentlich nicht bekannt für eine Naziszene. Wenn es diese dort geben sollte, dann müsste diese bisher "unter dem Radar" der Behörden gelaufen sein, sagte ein Polizist vor Ort.

Keine Naziszene in Schönberg?

"Ich hätte sowas nie vermutet," sagte Bürgermeister Götze bei der Mahnwache im DW-Gespräch. "Es hat mich erschüttert. Es ist schon schlimm genug, wenn ein Kind zu Tode kommt. Und wenn es dann mit solchen Dingen kommentiert wird, ist das eigentlich unfassbar." Das was hier passiert sei, zeige deutlich, dass es unter uns noch Menschen gebe, die diesem alten Geist hinterher hingen.

"Die Gefahr, dass die braune Welle wieder an Fahrt gewinnt, ist damit gegeben. Dieser wollen wir entgegentreten, weil wir hier in unserer Stadt Neonazismus nicht brauchen. Und Fremdenfeindlichkeit auch nicht. Und zum anderen wollen wir damit ein Signal setzen für ein friedliches Miteinander aller Kulturen und aller Herkunftsländer."

Beim zweiten Mal wurde das Hakenkreuz durch um den hämischen Schriftzug "1:0" ergänzt - so, als wolle man den Tod des Jungen feiern Bild: Efrem E.

Die Mahnwache, an der etwa 60 Menschen teilnahmen, war von der örtlichen Linkspartei organisiert worden. Die Teilnehmer, so betonte es der Bürgermeister, kämen aber aus allen politischen Richtungen.

Viele, so wie Sigrid Sandmann, erschienen aus Pflichtgefühl. "Man muss doch ein Zeichen setzen gegen Hakenkreuze und das ganze rechte Gedankengut," sagte sie. "Ich war erschrocken, sehr erschrocken, und wusste auf den ersten Augenblick nicht, wie man darauf reagieren soll. Ich bin froh, dass man das [Anm. der Red.: die Mahnwache] dann hier einberufen hat."

Rassistischer Vandalismus auf einer belebten Straße

Das zweite Hakenkreuz wurde von Efrem gemeldet, einem Eritreer, der seit zwei Jahren in der Gegend wohnt. Er sagte, er sei überrascht gewesen, dass er der erste war, der auf das zweite Hakenkreuz aufmerksam machte. Schließlich führt die Straße entlang mehrerer Supermärkte, wo hunderte Menschen jeden Tag einkaufen gehen.

"Das war kurz vor 19 Uhr, das war am Samstag," erzählte Efrem der Deutschen Welle. "Ich war einkaufen mit meinem Sohn. Mein Sohn hat das auch gesehen. Er kennt dieses Symbol, und hat zwei oder drei Mal gefragt: '1:0, was heißt das, Papa?' Er weiß: Das ist nicht gut."

Er könne sich nicht vorstellen, dass sie es tagsüber gemacht haben, sagte Jürgen Evers von der Flüchtlings-Hilfsorganisation "Bleib Mensch", der dann das Hakenkreuz der Polizei meldete. "Aber jemand muss es ja vor Efrem gesehen haben."

Efrem hatte nach eigenen Angaben nie Probleme in Schönberg. "Es gibt Leute, aber sie gucken nur böse, sie machen keine Probleme," sagte er. "Wir haben keine Angst, aber wir wissen, es gibt einige wenige Leute, die sind gegen uns."

Die Stadt tauschte die Backsteine an der Unfallstelle ausBild: DW/B. Knight

Ein paar Idioten, ein schlechter Ruf

Am Montag verkündete die Staatsanwaltschaft die Festnahme zweier Männer im Alter von 22 und 23 Jahren. Die Hinweise auf die beiden kamen aus der Bevölkerung. "Eine Durchsuchung der Wohnräume der Beschuldigten führte zwar nicht zum Auffinden der Sprühfarbe, der Tatverdacht besteht aufgrund der weiteren Ermittlungsergebnisse jedoch nach wie vor," so die Schweriner Staatsanwaltschaft. Bis Ende der Woche gab es keinerlei neue Informationen - weder, ob offiziell Anklage erhoben worden ist, noch, woher die Verdächtigten stammen. "Ich hoffe nur, dass sie nicht von hier sind," sagte Bürgermeister Götze.

In Deutschland ist das Verbreiten von Nazisymbolen verboten. Der Verfassungsschutz überwacht rechtsextreme Gruppierungen. Aber die Einwohner der ruhigen Kleinstadt betonen, dass Schönberg bisher kein Problem mit Neonazis hatte.

Auf dem kleinen Marktplatz in Schönberg befindet sich eine Pizzeria. Der Besitzer würde keine rassistischen Äußerungen in seinem Laden dulden, sagte er. Jeder in der Stadt habe von der Hakenkreuz-Geschichte gehört. Er findet, dass zu viel Wind drum gemacht würde.

Ein paar Idioten brächten das ganze Dorf und die Umgebung in Verruf, sagte Bernd Räsenhöft, der auf der anderen Seite des Marktplatz seinen Buchladen hat. Er sagt, die Neonazis in der Gegend seien bekannt: "Wir haben die Leute hier, die kriegen sie nicht weg - die Nazis meine ich jetzt. Die meisten von denen kennt man auch. Es ist nicht die Mehrheit. Aber jetzt reden alle über sie."

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