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GesellschaftAsien

Beauty-Tipps zur Stärkung afghanischer Frauen

10. Januar 2022

Geringe Wertschätzung ist für viele Afghaninnen Alltag. Um sie zu unterstützen, hat die Stylistin Laila Hamidi ihre Beauty-Show konzipiert.

Deutschland "Laila Hamidis Beauty Face", Hamburg
Stylistin Laila Hamidi aus DüsseldorfBild: Streetstyleshooters/Getty Images

Die Taliban haben nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan den Prozess des Aufstiegs und der Anerkennung von Frauen in Politik und Gesellschaft erst einmal gestoppt.  Allerdings hatten auch schon zuvor die Frauen in der konservativ-patriarchalisch geprägten afghanischen Gesellschaft einen schweren Stand und wenig Gelegenheit, Selbstwertgefühl zu entwickeln.

Um dazu einen kleinen unterstützenden Beitrag zu leisten, lancierte die in Afghanistan geborene und in Deutschland lebende Stylistin Laila Hamidi (Artikelfoto) 2020 ihre Casting-Show "Laila Hamidis Beauty Face". Macht Schönheit selbstsicher? Dass dem so ist, davon ist Laila Hamidi überzeugt und unterstützt die Frauen in ihrer alten Heimat Afghanistan und auch im Ausland lebende Afghaninnen auf ihre Weise: Mit Tipps und Ratschlägen zu Kosmetik und Make-Up. Die Frauen sollen sich auf natürliche Weise schön finden, sagt Hamidi. Wer sich selbst als attraktiv empfinde, habe ein ganz anderes Selbstwertgefühl als jemand, der glaubt, keines Blickes würdig zu sein. Eben das nähmen in Afghanistan sehr viele Frauen ab einem gewissen Alter von sich an. Ihnen wolle sie mit ihren Mitteln unter die Arme greifen.

"Schönheitsfragen sind auch wichtig"

Sie wisse natürlich, dass Afghanistan ganz andere Probleme habe als die Frage nach der richtigen Schönheitspflege, sagt Hamidi - laut der Zeitschrift "Brigitte" eine der erfolgreichsten Stylistinnen Deutschlands - im Gespräch mit der DW. "Ich habe früher Geld gesammelt, um Medikamente und andere wichtige Hilfsgüter nach Afghanistan zu bringen", erzählt die 1981 geborene Hamidi, die ihr Geburtsland als junges Mädchen zusammen mit den Eltern 1997 verließ. "Aber viele Frauen haben auch andere Bedürfnisse. Wenn man ihnen zu mehr Schönheit verhilft, kann man ihnen eine große Freude machen. Und man verschafft ihnen Würde in einem Umfeld, das diese Würde allzu leicht versagt."

Anregungen für den privaten Bereich, nicht für öffentliche Auftritte unter den Taliban Bild: Streetstyleshooters/Getty Images

Natürlich sei sie der Ansicht, dass Schönheit in erster Linie eine Frage der inneren Haltung sei, sagt Hamidi, die im Hauptberuf Prominenten zu mehr Glanz bei öffentlichen Auftritten verhilft. "Aber die kann man auch von außen unterstützen." Das gelte vor allem angesichts der harten Umstände, in denen viele Afghaninnen lebten. "Oftmals heiraten die Frauen bereits im Alter von 15, 16 Jahren. Dann bringen sie in der Regel in rascher Folge Babys zur Welt, so dass sie mit Mitte 20 bereits sechs, sieben Kinder haben."

Ein solches Leben bringe mit sich, dass die Frauen kaum mehr Zeit für sich selbst hätten. Hinzu komme eine vor allem auf Kohlenhydraten basierende Ernährung, so dass viele mit 30 Jahren bereits enorm gealtert seien. "Das ursprünglich schwarze Haar ist grau, die Haut wirft erste Falten. Das setzt den Frauen zu. Bekommen sie dann noch zu hören, dass sie alt ohnehin wenig wert wären, dass ihre Vorstellungen und Wünsche ohnehin nicht zählten, ist ihr Selbstbewusstsein völlig untergraben. Sie sind dann der Auffassung, dass ihre besten Jahre vorbei sind, obwohl diese Jahre tatsächlich doch noch vor ihnen liegen könnten."

Zuviel Frauen-Power für afghanischen Sender

Um ein größeres Publikum anzusprechen, produzierte Hamidi 2020 mit Hilfe von Sponsoren eine Castingshow. Die Kandidatinnen, 300 an der Zahl, waren ausschließlich überwiegend in Europa lebende junge Frauen afghanischer Herkunft. "Viele Männer in Afghanistan versuchen die Frauen glauben zu machen, sie zählten nichts. Die Teilnehmerinnen des Casting wenden sich mit ihrem Auftritt dezidiert gegen solche Vorstellungen. Sie kennen aus Europa ja ganz andere Verhältnisse. Es fiele ihnen nicht ein, ihr Leben nach den Vorstellungen anderer Leute, etwa ihrer Väter, Brüder oder anderer Verwandten zu führen. Und sie wollen das der afghanischen Öffentlichkeit zeigen. Insofern war die Beteiligung so vieler junger Frauen für mich eine kleine Revolution."

Allerdings drohte diese Revolution zunächst zu scheitern. Der Chef des Senders, mit dem Hamidi die Ausstrahlung vereinbart hatte, war bei der Durchsicht der Staffeln während eines Treffens in Istanbul Im April 2021 alles andere als angetan. Die jungen Frauen zeigten zu viel nackte Haut, befand der Fernsehmann und sagte die Ausstrahlung ab. Womöglich übernähmen absehbar die Taliban die Macht in Afghanistan, begründete er seine Entscheidung. Das sei ein Risiko, das er nicht eingehen könne.

"Für Momente jenseits des Alltags" Bild: privat

Aus ihrer Sicht seien die kurzen Ärmel aber nicht das ganze Problem gewesen, sagt Hamidi im Gespräch mit der DW. "Ich hatte das Video so geschnitten, dass die Frauen alle stark und selbstbewusst wirken, also echte Powerfrauen. Mein Ziel war, die Frauen so darzustellen, dass sie auch die Männer beeindrucken. Ich habe den Eindruck, dass der Leiter des Senders auch diese Aussage nicht akzeptieren wollte."

"Ästhetische und moralische Unterstützung"

Um die Show dennoch verbreiten zu können, lud Hamidi sie zunächst auf YouTube hoch. "Ich hatte gerade die dritte Folge hochgeladen, als die Taliban kamen. Nach ihrer Machtergreifung legte ich eine Pause von zweieinhalb Monaten ein. Danach dachte ich, dass es weitergehen muss. Wir Frauen müssen aufstehen. Darum habe ich die drei weiteren Folgen hochgeladen." Allein die jüngste Folge, vor etwa einem Monat eingestellt, wurde über 105.000 Mal geklickt. 

Übermalte Poster an Kabuler Schönheitssalon nach Taliban-MachtübernahmeBild: Haroon Sabawoon/AA/picture alliance

Die Machtergreifung der Taliban sei für die afghanischen Frauen eine Katastrophe. "Das Land ist total zurückgefallen, das hatte ich mir vorher so nicht vorstellen können", sagt Hamidi. Gerade darum brauche es Unterstützung, auch eine ästhetische, die zugleich eine moralische sei. "Wenn es gelingt, die Menschen auch nur für fünf Minuten aus ihrem Alltag zu holen, ist das auch eine Art von Unterstützung. Es gibt ihnen zumindest einen kleinen Moment der Selbstbestimmung und damit auch ein Gefühl von Selbstbewusstsein und Würde."

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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