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Politik

Schützenvereine gegen AfD-Vereinnahmung

Rebecca Staudenmaier hk
12. März 2020

Die Partei versuche, Schützenvereine zu unterwandern - so der Vorwurf des Bundes der Historischen Schützenbruderschaften (BHDS). Der Verband wehrt sich. Zu Besuch bei einer Schützenbruderschaft in Bonn.

Deutschland Bonn Schützenverein Poppelsdorf
Bild: DW/R. Staudenmaier

Das Vereinsheim der St. Sebastianus Schützenbruderschaft im Bonner Stadtteil Poppelsdorf ist klein, doch der Lokalpatriotismus kaum zu übersehen: Tafeln und Pokale mit Gravuren der örtlichen Kirche zieren die Wände des Raums, der in einem unscheinbaren Gebäude an einer belebten Straße liegt.

Einige Mitglieder streifen Jacken mit dem Vereinslogo über und machen sich auf den Weg zu einem einfachen Schießstand am Ende des Raums. Dabei laufen sie an einem Foto vorbei, das an der Wand hängt und ein junges Mädchens zeigt. Es ist das Patenkind des Vereins in Brasilien, das die Schützen aus Bonn finanziell unterstützen.

"Unser Schießstand ist für jeden offen, nur nicht für die AfD", sagt Brudermeister Dieter Spilles. Der 1926 gegründete Verein gehört dem Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS) an - einem Verband, in dem rund 1300 katholische, hauptsächlich in Westdeutschland angesiedelte Schützenbruderschaften organisiert sind.

"Für Glaube, Sitte und Heimat"

Tradition und Geschichte werden beim BHDS großgeschrieben. Entsprechend stolz sind seine Mitglieder auf das historische Motto: "Für Glaube, Sitte und Heimat".

Armbrüste, Ehrentafeln, Orden: Die Schützen in Bonn-Poppelsdorf sind sichtlich stolz auf ihre TraditionBild: DW/H. Kaschel

Es ist dieser Dreiklang - und insbesondere der Begriff "Heimat" -, den die Schützen bedroht sehen durch eine mutmaßliche Vereinnahmung seitens der AfD. Seit Monaten warnt der Bundesschützenmeister beim BHDS, Emil Vogt, die rund 400.000 Verbandsmitglieder vor Bemühungen der rechtspopulistischen - in Teilen rechtsextremen - Partei, Schützenvereine zu unterwandern. Während der Jahresmitgliederversammlung am 8. März kritisierte Vogt die "Vereinnahmungsversuche" scharf und distanzierte sich im Namen seines Verbands von der AfD.

"Ich nehme für unseren Verband politische Neutralität in Anspruch und möchte verhindern, dass auch nur der Eindruck einer inhaltlichen Nähe zwischen Schützen und AfD entsteht", sagte Vogt der DW in einem Telefoninterview. So habe der BHDS in den vergangenen Wochen auf verdächtige Spendenangebote aus Bundesländern aufmerksam gemacht, in denen es gar keine BHDS-Bruderschaften gibt. Ein Spendenangebot habe sich zurückverfolgen lassen auf einen ehemaligen AfD-Wahlkampfchef, der angeblich das Engagement des Verbands für Palliativpflege und Hospize unterstützen wollte - er habe sich aber sofort erkundigt, ob die Organisation Spendenquittungen ausstelle.

Betont die Distanz der Schützen zur AfD: Emil VogtBild: Tobias Herbst

"Wir haben natürlich daraufhin den Kontakt abgebrochen", sagt Vogt. Er glaubt, dass es sich bei der überdurchschnittlich hohen Spendensumme wohl um einen Versuch der AfD gehandelt habe, dem Schützenverband zu schaden, denn dieser hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen die Partei positioniert. Bei einer Annahme der Spende hätte die AfD behaupten können, mit der Neutralität des Verbands sei es nicht weit her, sobald es um Geld gehe.

Ende 2019 habe der BHDS einen Flyer erhalten, so Vogt, in dem die AfD Änderungen des Waffenrechts kritisiert habe. In dem Schreiben habe die Partei Schützen- und Jagdvereinen angeboten, sich politisch für ihre Interessen einzusetzen. Die DW hat die AfD schriftlich um eine Stellungnahme gebeten. Eine Rückmeldung lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels noch nicht vor. 

"Das ist ein Sport und keine politische Sache"

Die Poppelsdorfer Schützenbruderschaft ist Brudermeister Spilles und anderen Mitgliedern zufolge noch nicht von der AfD kontaktiert worden. Sollte sie es versuchen, würde die Partei abgewiesen, sagen sie. "Das ist ein Sport und keine politische Sache", betont Spilles. Zwar brauche jeder Verein Geld - "aber nicht von der AfD".

Während der BHDS-Jugendverband beschlossen hat, keine Mitglieder der AfD und ihrer Unterorganisationen aufnehmen, wie Bundesjugendschützenmeister Stephan Steinert nach Angaben der Nachrichtenagentur KNA erklärte, dürfen die BHDS-Bruderschaften neue Mitglieder gar nicht nach ihrer Parteizugehörigkeit fragen, räumt Spilles ein. Einem Neumitglied, das eine rechtsextreme Gesinnung erkennen ließe, würden sie aber sofort misstrauisch gegenüberstehen, bekennen viele Poppelsdorfer Schützen an diesem Abend.

Will kein Geld von der AfD annehmen: Brudermeister Dieter SpillesBild: DW/R. Staudenmaier

Anhänger einer Rechtsaußenpartei passten nicht zur Atmosphäre des Vereins, findet Achim Lubbers. Der 78-Jährige hat gerade eine Trainingseinheit am Schießstand beendet. "Wenn man gegenüber den Menschen verachtend ist, kann man kein anständiger Schütze sein."

Heimat - ein umkämpfter Begriff

Besonders leidenschaftlich verteidigen die Schützenbruderschaften in diesen Tagen ihre Vorstellung von Heimat gegen eine mögliche Vereinnahmung durch die AfD. Der durch den Nationalsozialismus vorbelastete Begriff hat jüngst eine Renaissance erlebt - sowohl durch den Aufstieg des Rechtspopulismus als auch durch die Versuche anderer Parteien, ihn positiv zu besetzen. So ist Bundesinnenminister Horst Seehofer auch Minister für Heimat.

"Unser Heimatbegriff ist viel weiter zu sehen als der Heimatbegriff der AfD", sagt BHDS-Präsidiumsmitglied Vogt. Aus Sicht des Verbands definiere sich Heimat "nicht über Herkunft, Nationalität, Hautfarbe, oder Religion". 

Im Poppelsdorfer Vereinsheim gibt es unterschiedliche Vorstellungen von Heimat. Sie sei ein Ort, "wo du deine Füße unterm Tisch hast", heißt es. Einer "wo du dich wohlfühlst". Spilles lächelt. Um zu verstehen, was Heimat sei, müsse man in einem Schützenverein sein, findet er. "Heimat ist da, wo Sie hingehören."

Beim Schießen gehe es um Konzentration und Disziplin, betonen die Bonner SchützenBild: DW/R. Staudenmaier

Aus Sicht von Klaus Opitz, seit 20 Jahren Mitglied in der Poppelsdorfer Schützenbruderschaft, nutzt die AfD den Begriff, um Menschen auszuschließen. Dabei sei Heimat eigentlich ein positiver Begriff. "Wenn man den natürlich ausnutzt und sagt: 'Wir wollen die Heimat schützen, wir werden überfremdet' und so weiter, dann ist das natürlich Polemik."

Die AfD wirbt um die Mitte

Die Flyer gegen eine Änderung des Waffenrechts und die Spenden an die Schützenvereine sind Teil einer umfassenden Strategie der AfD. Ihr Ziel ist, für diejenigen, die sich der politischen Mitte zugehörig fühlen, attraktiver zu werden und in der Zivilgesellschaft Fuß zu fassen.

Medienberichten zufolge unterzeichnete die Parteiführung im vergangenen Jahr ein internes Strategiepapier, demzufolge sich die AfD bis 2025 in der politischen Landschaft als Volkspartei etablieren will. In dem Papier werden Parteimitglieder demnach ausdrücklich aufgefordert, mit traditionell konservativen Organisationen wie Jagd- und Sportschützenverbänden sowie Schützenvereinen in Kontakt zu treten.

"Die Strategie ist also ein Marsch in die Mitte, nicht um selbst gemäßigter zu werden, sondern um die Mitte nach rechts zu ziehen", schrieb der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje in einem Gastbeitrag für den Berliner "Tagesspiegel" im vergangenen November.

Nach den rechtsextremen Anschlägen der vergangenen Monate in Deutschland, insbesondere nach dem rassistischen Anschlag in Hanau, lösen mutmaßliche Unterwanderungsversuche durch Rechtspopulisten besonder große Sorge aus.

"Unsere Aufgabe als christliche Vereinigung ist es, einer Partei, die nichts mit christlicher Nächstenliebe, Toleranz und Respekt zu tun hat, deutlich die Stirn zu bieten", sagt Vogt. "Der Widerstand gegen Rechts muss aus der Gesellschaft kommen - und wir setzen hierzu ein deutliches Zeichen."

Mitarbeit: Helena Kaschel

Multikulti im Schützenverein

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