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Elisabeth Pähtz: im Rang eines Großmeisters

8. November 2021

Als erste deutsche Schachspielerin der Geschichte steigt Elisabeth Pähtz in den Rang eines Großmeisters auf. Es ist der (vorläufige) Höhepunkt eines Weges, der vorgezeichnet, aber noch lange nicht zu Ende ist.

Elisabeth Pähtz, Junioren-Weltmeisterin im Schach
Bild: Norbert Michalke/imageBroker/picture alliance

Vom "Turnier meines Lebens" sprach Elisabeth Pähtz nach dem Sieg gegen die Kasachin Bibisara Assaubajewa in der letzten Runde bei der WM-Vorausscheidung in der lettischen Hauptstadt Riga. Der 36-Jährigen war schließlich Historisches gelungen: Mit dem Sieg steigt die aus Erfurt stammende Schachspielerin in den Rang eines Großmeisters auf - als erste deutsche Spielerin überhaupt.

Das ist der (vorläufige) Höhepunkt ihrer Karriere und gewissermaßen eine logische Konsequenz ihrer Herkunft: Als Tochter von Thomas Pähtz, selbst Großmeister und einer der besten Schachspieler der DDR, wird Elisabeth Pähtz das "königliche Spiel" in die Wiege gelegt. "Ohne meinen Vater wäre ich heute keine Schachspielerin", sagt die mittlerweile in Berlin lebende 36-Jährige voller Anerkennung. "Mein Vater, der mich seit dem fünften Lebensjahr kontinuierlich trainiert hat, ist maßgeblich an meinen heutigen Erfolgen beteiligt."

Thomas Pähtz, seit 1990 Großmeister, beendete die eigene Karriere zu Gunsten des Schachspiels seiner Kinder Bild: Kohlmeyer/imago images

Um Elisabeth und dem Sohn Thomas Schach-Karrieren zu ermöglichen, gibt Vater Thomas Pähtz die eigene Karriere Mitte der 90er Jahre auf und widmet sich ausschließlich der Förderung des Nachwuchses. Der Sohn wird 2001 deutscher Jugendmeister, entscheidet sich in der Folge aber für einen anderen Karriereweg und arbeitet heute als Physikprofessor in China. Elisabeth bleibt beim Schach und wird schnell immer besser. 

Karriere und Konfrontation

Früh gilt Pähtz als "Schach-Wunderkind". 1994 gewinnt sie ihren ersten deutschen Meistertitel in der Jugend - neun Jahre ist sie da alt. 1999 wird sie zum ersten Mal deutsche Meisterin bei den Erwachsenen und ist damit bis heute die jüngste Schachmeisterin der Geschichte. In der TV-Show "Darüber lacht die Welt" leitet das "Wunderkind" den als orientalischen Schachspieler verkleideten Großmeister der TV-Comedy, Hape Kerkeling, per "Knopf im Ohr" an. Kerkeling setzt die Bundesliga-Spieler des FC Bayern so reihenweise "schachmatt" - und lässt sie verdutzt zurück.

 

Wenngleich diese Ausdrucksweise im Schachsport nicht üblich ist: Pähtz macht die Gegnerinnen - und auch immer wieder Gegner - reihenweise fertig. 2002 gewinnt sie auf Kreta den WM-Titel der U18-Klasse, 2005 wird sie in Istanbul im Alter von 20 Jahren Juniorenweltmeisterin. Im Schnellschach, eine ihrer Stärken, wird sie 2018 Europameisterin. Im deutschen Frauen-Schach ist sie unbestritten die Nummer eins. Eine Position, die die selbstbewusste Spielerin nutzt, um immer wieder eine bessere Förderung der Frauen im Schach zu fordern. Dabei findet Pähtz nicht nur Verbündete.

2019 erklärt sie sogar zeitweise ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft und begründet dies auch mit der Enttäuschung über den mangelnden Stellenwert des Frauen-Schachs im deutschen Schachbund (DSB). "Seit 2012 habe ich sieben Einzel- und zwei Teamgoldmedaillen für mein Land gewonnen - leider ohne den Eindruck, dass sich damit im Verband etwas an der Grundeinstellung gegenüber dem Frauen-Schach ändern würde", hieß es in ihrem damaligen Statement.

Frauen fordern Männerdomäne Schach heraus

Der Aufstieg in den Rang eines Großmeisters dürfte Pähtz einen bisher nicht gekannten Popularitätsschub verleihen. Doch der Weg der Frauen auf Augenhöhe im nach wie vor als Männerdomäne geführten Schachsport wird wohl noch lang sein. Doch die Koordinaten verschieben sich kontinuierlich. Neben den besten Schach-Spielerinnen der Welt hat daran auch die "Netflix"-Serie "The Queens Gambit", die 2020 mitten in der Corona-Pandemie einen weltweiten Schachboom auslöste, einen Anteil. Die Serie zeichnet den Weg des fiktiven Schach-Wunderkindes Beth Harmon, die es in der ehemaligen Sowjetunion bis zum Duell mit dem männlichen Weltmeister bringt, nach. 

Judit Polgár, Großmeisterin und ehemalige Nr. 8 der Weltrangliste, sieht Frauen im Schachsport auf einem guten WegBild: Judit Polgar Foundation

Die Ungarin Judit Polgár, erfolgreichste Schach-Spielerin der Geschichte und die bislang einzige Frau in den Top-10 der Schachweltrangliste, sieht in der Serie einen "fantastischen Aufschwung" und glaubt daran, dass der Frauenanteil im Schachsport dadurch erhöht werden kann. Die Online-Plattform "chess.com" verzeichnete - bedingt durch die Serie - beinahe eine Vervierfachung der Anmeldungen im November 2020 verglichen mit dem Vormonat Oktober. Der Anteil der Frauen erhöhte sich im gleichen Zeitraum um rund 15 Prozent.

Der große Wurf von Elisabeth Pähtz wird diesem Trend ganz bestimmt nicht schaden. Doch auch, wenn die 36-Jährige sich immer für die Sache der Frauen im Schachsport eingesetzt hat, sind ihre nächsten Ziele individueller Natur. Ihr "schachlicher Traum" sei "eine Top-10-Platzierung" in der Frauenweltrangliste.

David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion