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Politik

Schafft Boris Johnson 2020 den Brexit?

Robert Mudge lh
6. Januar 2020

Im Parlament hat der britische Premier Boris Johnson schon einen Erfolg für sein Brexit-Gesetz errungen. Der Weg zu einem schnellen und umfassenden Abkommen mit der EU erscheint allerdings um einiges steiniger.

Großbritannien London | Fahne Großbritanniens vor dem Parlament in Westminster
Bild: picture-alliance/dpa/PA wire/Y. Mok

Schon vor Weihnachten hat der britische Premier Boris Johnson das Parlament hinter sich versammelt. Mit großer Mehrheit hat das Unterhaus für den Entwurf seines Gesetzestextes zum Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union gestimmt.

Was sind die nächsten Schritte?

Johnsons Plan hat die Rückendeckung seines eigenen Parlaments und wird sehr wahrscheinlich auch vom Europäischen Parlament angenommen werden. Damit dürften erste Gespräche zwischen der EU und Großbritannien im Februar oder März als sicher gelten. Zu diesem Zeitpunkt wird sich Großbritannien bereits in einer Übergangsphase des Austritts befinden. Diese beginnt am 31. Januar. Währenddessen verbleibt Großbritannien im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion.

Am 31. Dezember 2020 endet der Übergangszeitraum, es sei denn beide Seiten sprechen sich für eine Verlängerung bis 2021 oder 2022 aus. Jede Verlängerung muss allerdings bis zum 01. Juli genehmigt werden. Allerdings könnte diese Option ohnehin bereits obsolet sein, denn Johnson hat im Gesetzestext zum Brexit-Abkommen verankert, dass London keine weitere Frist bei der EU beantragen kann.

Boris Johnson kann sich des Rückhalts seines Parlaments gewiss seinBild: picture-alliance/Photoshot

Gefahr der herabgesetzten Standards

Johnsons erklärtes Ziel ist es, bis zum Januar 2021 die Beziehung mit der EU komplett umzukrempeln. Dabei handelt es sich bei ihm eher um Symbolpolitik. Im Prinzip geht es wohl darum, den Druck auf die EU zu erhöhen, ein Handelsabkommen voranzubringen. Johnson konnte aber bislang den Widerspruch nicht auflösen, wie er auf der einen Seite ein umfassendes Handelsabkommen inklusive Finanzdienstleistungen und Zöllen durchbringen will, während er auf der anderen Seite von EU-Richtlinien abweicht.

"Die EU wird darauf bestehen, dass alles auf Augenhöhe geschieht. Das umfasst etwa Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz, Steuern und Staatshilfen. Denn die Hauptsorge der EU ist, dass sich Großbritannien durch Missachtung von EU-Standards Wettbewerbsvorteile verschaffen könnte", sagt Oliver Patel, Institutsleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter am "UCL European Institute" in London. "Was es vermutlich nicht geben wird, ist es umfassendes Abkommen, das freien Waren- und Dienstleistungsverkehr beschließt."

Boris Johnson zeigt sich scheinbar unbeeindruckt von Brüssels roten Linien. Der neue Brexit-Gesetzesentwurf hat Bekenntnisse zu EU-Standards bei Arbeitnehmerrechten gestrichen. Auch die Bereitschaft, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Europa aufzunehmen, wurde verwässert. Zudem sieht ein neues Einwanderungsgesetz vor, dass EU-Bürger "dieselben Einwanderungsprüfungen unterlaufen, wie Nicht-EU-Bürger". Eine solche Änderung wäre das Ende der sogenannten Freizügigkeit, aus Sicht vieler eine der größten Errungenschaften der EU.

Pro-europäische Demonstranten Mitte Dezember in LondonBild: picture-alliance/AP Photo/K. Wigglesworth

Der neue Gesetzestext beinhaltet auch, dass Nordirland in Großbritanniens Zollgebiet verbleiben soll. Allerdings würde das eine faktische Zollgrenze zwischen der britischen Provinz und dem Festland nach sich ziehen. Denn Güter, die in Nordirland aus Nicht-EU-Ländern ankommen und verbleiben, unterlägen britischen Zollvorschriften. Jene Güter aber, die weiter Richtung EU transportiert werden und dabei die Republik Irland passieren, fielen unter das Rechtssystem der EU.

Intensives Verhandeln 

EU-Chefunterhändler Michel Barnier hat erklärt, er wolle Grundsätzliches schnell klären. Dazu gehörten der zoll- und quotenfreie Handel mit Gütern - eine Maßnahme, die ohne Zustimmung der nationalen Parlamente umgesetzt werden könnte.

Boris Johnson allerdings steht vor einem Dilemma. Er muss sich entscheiden: Will er auf ein umfassendes Abkommen drängen, das alles von Sicherheit, über Daten, Luftfahrt, Bildung, Fischerei, bis Bürgerrechte abdeckt - das würde allerdings Jahre dauern. Oder will er sich einen abgespeckten Deal sichern, der sich auf den Export von Gütern, vor allem Autos und Landwirtschaft, ohne Zölle und Quoten beschränkt.

Brexit Anhäger vor dem britischen ParlamentBild: picture-alliance/R. Pinney

Aus der Downing Street hört man, dass sich Johnson auf genau jenes Abkommen, nach dem Vorbild des EU-Kanada-Deals - ohne Zollunion oder Binnenmarkt - konzentrieren und bis Ende nächsten Jahres aushandeln will. Schwerpunkt dieses Abkommens wäre der Handel mit Gütern und nicht mit Dienstleistungen - obwohl die britische Wirtschaft sehr stark davon abhängt. Allerdings, so Patel, ist das ohnehin nicht mehr das Hauptaugenmerk der britischen Regierung. "Wenn man einen guten Deal zu Dienstleistungen hätte haben wollen, wäre man nicht aus der EU ausgetreten", so Patel. "Beziehungsweise, wenn man schon die EU verlässt, würde man zumindest im Binnenmarkt bleiben."

Harter Brexit noch möglich

Um es zu verdeutlichen: Das EU-Kanada-Abkommen (CETA) wurde sieben Jahre lang ausgehandelt. Die Gespräche rund um das Abkommen mit den Mercosur Staaten (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) hielten mit Unterbrechungen zwanzig Jahre lang an. Falls Johnson es nicht schafft ein Abkommen mit der EU auszuhandeln und sich gleichzeitig weigert, über seine eigene Frist hinaus zu verhandeln, würde das womöglich einen harten Brexit nach sich ziehen.

Demonstranten weisen mit Johnson und Trump Masken auf die Gefahren eines Brexits für den Gesundheitssektor hinBild: picture-alliance/NurPhoto/W. Szymanowicz

Angesichts dessen schielt Johnson über den großen Teich. Er hat wiederholt erklärt, ein Abkommen mit den USA sei ein Kinderspiel, auch aufgrund einer "besonderen Beziehung" zu Washington. Diese hat allerdings nicht nur an Glanz verloren, es gibt auch ganz handfeste Bedenken. "Großbritannien darf keine Verträge unterschreiben, solange es sich in der Übergangsphase befindet", sagt Patel. "Außerdem werden andere Länder kein Interesse an Deals mit Großbritannien haben, solange nicht geklärt ist, welche Einigung Johnson mit der EU gefunden hat."

Druck auf Handelsstandards

Patel geht auch davon aus, dass die warmen Worte, die Präsident Trump ausgesendet haben mag, nicht viel mit der Realität gemein haben. "Das primäre Ziel des US-amerikanischen Handelsministeriums ist das beste Abkommen, das sie erreichen können. Und das wird wenig Rücksicht nehmen auf die Interessen Großbritanniens."

Die USA werden ihre eigenen Interesse priorisieren. So wie auch die andere große Handelspartner, wie China, Indien oder Japan. Großbritannien könnte deshalb im Eifer einen lukrativen Deal auszuhandeln, gefährliche Handelsstandards setzen, meint Patel. "Dabei kann es sich um Lebensmittelsicherheit oder die Pharmaindustrie handeln. Die USA wollen offensichtlich besseren Zugang zu britischen Märkten und das bedeutet, Großbritannien müsste in vielen Bereichen eigene Standards senken oder verändern."

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