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Keine Angst vor "Armutsmigration"

28. Dezember 2013

Arbeitsmarktforscher warnen davor, Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien überzudramatisieren. Die CSU will den Zugang zum deutschen Sozialsystem nun erschweren. Doch die SPD warnt ihren Koalitionspartner.

Frau mit Kinderwagen sitzt auf einer Straße (Foto: imago/epd)
Bild: imago/epd

Der harte Kurs der CSU gegen mögliche "Armutsmigranten" im Zuge der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren stößt auf scharfe Kritik des Koalitionspartners SPD. Da Arbeitnehmer aus Rumänien und Bulgarien ab Januar vollständige Freizügigkeit in der Europäischen Union genießen, befürchtet die CSU einen starken Zuzug aus diesen beiden Ländern.

Es sei richtig, dass einige Kommunen in Deutschland vor große Herausforderungen durch sogenannte Armutszuwanderung aus südosteuropäischen EU-Staaten gestellt würden, erklärte die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz. Sie bräuchten aber keinen Populismus, sondern vor allem schnelle und effektive finanzielle Hilfen.

Die stellvertretende Parteivorsitzende der Sozialdemokraten warnte davor, die Arbeitnehmerfreizügigkeit "als Schreckgespenst an die Wand zu malen". "Wer so tut als seien alle Menschen aus Bulgarien und Rumänien arm und würden bei uns nur um Sozialleistungen anstehen, der verkennt die vielen Hochqualifizierten, die bei uns beispielsweise als Ärzte und Pflegekräfte im Gesundheitsbereich arbeiten."

Aydan Özoguz warnt die CSU vor unbegründeter PanikmacheBild: picture-alliance/dpa

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, übte ebenfalls scharfe Kritik an der CSU. "Wer eine solche Melodie intoniert, bereitet den Tanz für die Rechtsextremen", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Die CSU müsse sich "noch daran gewöhnen, dass sie in einer Koalition mit der SPD nicht mehr ohne jede Rücksicht ihre Wahlkampftöne anschlagen kann".

CSU-Pläne gegen Arbeitsmigration

Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuvor aus einer Beschlussvorlage für die Klausur der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth berichtet. Demnach soll "Armutsmigranten" der Zugang zum deutschen Sozialsystem erschwert werden. Geprüft werden solle "eine generelle Aussetzung des Bezuges von Sozialleistungen für die ersten drei Monate des Aufenthalts in Deutschland". Zudem solle es Wiedereinreise-Sperren geben, wenn etwa Dokumente gefälscht wurden oder Sozialleistungsbetrug nachgewiesen wurde. Hier müsse gelten: "Wer betrügt, fliegt", zitierte die Zeitung aus dem Papier.

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", es müsse auf lokaler Ebene "alles getan werden, um Missbrauch von Sozialleistungen zu verhindern". Auf nationaler Ebene seien Gesetzesänderungen erforderlich. So dürfe Kindergeld nicht an Kinder ausgezahlt werden, die anders als ihre Eltern nicht in Deutschland lebten.

Unbegründete Angst?

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erwartet, dass die Zahl der Rumänen und Bulgaren in der Bundesrepublik von derzeit gut 370.000 auf bis zu 550.000 steigen könnte - unter ihnen viele Roma. Die Forscher betonen in ihrem Bericht aber auch, dass die Zahlen zur Beschäftigung und zum Leistungsbezug es gegenwärtig nicht rechtfertigen, die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien pauschal als "Armutszuwanderung" zu qualifizieren. Die Probleme konzentrierten sich auf einige strukturschwache Kommunen wie Duisburg, Dortmund und Berlin.

Der Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, Reiner Klingholz, verwies in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" darauf, dass die bereits in Deutschland lebenden Zuwanderer mit bulgarischem und rumänischem Hintergrund zu 55 Prozent über mindestens einen Fachhochschulabschluss verfügten. "Damit liegen sie nicht nur deutlich über dem Schnitt aller Migranten, sondern auch über jenem der Deutschen."

Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff nannte die volle Freizügigkeit für rumänische und bulgarische Staatsbürger eine Bereicherung für den deutschen Arbeitsmarkt. "Aufgrund unserer demografischen Entwicklung sind wir auf Zuwanderung angewiesen", sagte der CDU-Politiker der Zeitung "Welt". Insgesamt hätten sich auch die Befürchtungen nach der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 nicht bewahrheitet, sagte Schockenhoff. Mehr Sorgen mache ihm die organisierte Kriminalität, die möglicherweise durch die volle Freizügigkeit auch nach Deutschland schwappe.

nis/jm (afp, dpa, epd)

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