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Schatten über Olympia

Andreas Tzortzis

Vielen Griechen war in Athen nicht nach Feiern zumute: Ausgerechnet die griechischen Sprinter-Stars Kostas Kenteris und Ekaterini Thanou erschienen nicht zu einer geforderten Doping-Kontrolle. Ausschluss!

Kostas Kenteris: Die Ersten werden die Letzten sein

Die Nachricht ließ für die Griechen eine Welt zusammenbrechen. Dabei hatten sich - nicht nur in Griechenland - schon seit langem Doping-Gerüchte um Kenteris, der als Favorit für die Entzündung des Olympischen Feuers gehandelt wurde, und Thanou gerankt. Die griechische Presse behandelte das Thema zwar fast wie ein Tabu. Aber das mysteriöse Verhalten der beiden Sprinter gab und gibt immer wieder Anlass zu Spekulationen: Für Dopingkontrolleure sind sie in der Regel nicht auffindbar, an lukrativen Sportfesten nehmen sie häufig nicht teil.

Im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele sorgten Kenteris, der 200-Meter-Olympiasieger von Sydney, und seine Trainingspartnerin Tanou, die Europameisterin über 100 Meter, erneut für negative Schlagzeilen, indem sie zu einem Routine-Dopingtermin nicht auftauchten. Auch zu einer Anhörung vor der Disziplinarkommission des IOC erschienen die beiden nicht. Noch mysteriöser wurde der Fall, als bekannt wurde, dass die beiden Sprinterstars in einem Motorradunfall verwickelt gewesen sein sollen - obwohl die Athener Polizei nichts von diesem Unfall wusste.

Dopingflüchtlinge gesperrt

Die Sportler, die nicht ernsthaft verletzt wurden, aber sich zur Beobachtung in einem Krankenhaus befanden, hatten auch schon im vergangenen Jahr eine Doping-Kontrolle verpasst, sind aber bislang nicht positiv getestet worden. Das schnelle Duo und ihr Trainer Christos Tzekos waren bereits 1997 in eine Aufsehen erregende "Dopingflucht" verwickelt. Damals ahndete der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) das Vergehen lediglich mit einer Verwarnung.

Das Nationale Olympische Komitee Griechenlands schloss die beiden von den Leichtathletik-Wettbewerben aus. "Ich begrüße diese Entscheidung des griechischen NOK, denn die Teilnahme dieser beiden Athleten hätte die Spiele belastet. Sie gelten selbst im eigenen Land schon seit Jahren als dopingverdächtig", erklärte Clemens Prokop, Vizepräsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) für Deutschland und Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).

Die Verweigerung einer Doping-Kontrolle wird nach Paragraf 2.3 des seit dem 1. Januar 2004 gültigen Welt-Anti-Doping-Codes mit einem positiven Testergebnis gleichgesetzt. Es droht eine Sperre von mindestens drei Monaten und höchstens zwei Jahren. Die Nachrichten erschütterten das Weltbild der Griechen. Die Zeitung "Ethnos" befand gar: "Am Fundament Olympias ist eine Bombe mit vielen Megatonnen Sprengstoff detoniert." Dabei war die Zahl der Doping-Affären schon vor Beginn der Spiele bemerkenswert. Für die Funktionäre der weltweiten Anti-Doping-Agentur (WADA) in Montreal sind die Fälle der Beweis dafür, dass alles nach Plan läuft.

Unsicherheit schafft Respekt

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und Athens Drogen-Kontrolleure haben während der Spiele 3500 Tests durchgeführt. Das Athener Labor, das die Proben untersucht, erhöht die Zahl seiner Mitarbeiter während der Spiele von 8 auf 140. Nach Ermittlungen in dem kalifornischen Drogenlabor, das 2003 viele US-Athleten mit der Designer-Droge THG versorgte, hat die WADA Tests entwickelt, die diese Substanz nachweisen können. Das Gleiche gilt für das menschliche Wachstumshormon HGH sowie für EPO, das den Sauerstoffgehalt im Blut erhöht.

"Die Athleten werden so streng kontrolliert wie nie zuvor, und sie wissen nicht, wozu wir alles fähig sind, das ist sehr gut. Die WADA will nicht zu leicht einschätzbar sein", erklärt Ulrich Haas gegenüber DW-WORLD. Der Mainzer Professor leitete ein Team von neun internationalen Beobachtern, die die Tests überwachen. "Wenn sie denken, sie können uns hinters Licht führen, dann laden wir sie ein, es zu versuchen."

23 Athleten in Athen ertappt

Allein sechs Gewichtheber wurden an einem einzigen Tag - dem 19. August 2004 - in Athen nach positiven Dopingproben von den Spielen ausgeschlossen: Wafa Ammouri (Marokko), Victor Chislean (Moldawien), Zoltan Kecskes (Ungarn), Tratima Kumari Na (Indien), Shabaz Sule (Türkei) und Khine Nan (Myanmar).

Die russische Kugelstoßerin Irina Korschanenko wegen Stanozolol-Missbrauchs ihre Goldmedaille zurückgeben. Diskuswerfer Robert Fazekas aus Ungarn erwischt es ebenfalls: Er versucht zunächst, die Dopingkontrolle zu verweigern, um anschließend seine Urinprobe gegen Fremdurin auszutauschen. Von seinen Landsleuten gehen noch weitere ins Netz der Dopingfahnder: Gewichtheber Zoltan Kovacs verweigert die Dopingkontrolle, bei Gewichtheber Ferenc Gyurkovics werden Spuren des anabolen Steroides Oxandrolon festgestellt. Auch der ungarische Hammerwerfer Adrian Annus wird positiv getestet.

"Der Unterschied zwischen Sport und Show"

Für die WADA sind die Fälle ein Zeichen dafür, dass die nationalen olympischen Komitees und Sportverbände das Doping-Thema mittlerweile ernst nehmen. Außerdem habe der Wechsel an der IOC-Spitze ihrer Sache geholfen - 2001 hatte der Belgier Jacques Rogge Langzeit-Präsident Juan Antonio Samaranch abgelöst und beherzt den Kampf gegen die Schwindler aufgenommen.

Öffentliche Abscheu gegenüber Dopingsündern sei die effektivste Waffe der WADA, sagte Haas. Wer von den Athleten versucjt zu manipulieren, fällt schnell in Ungnade. "Was ist faszinierend am Sport? Dass jeder die Chance hat, zu gewinnen", meint Haas. "Sobald jemand betrügt, verändert das alles. Das ist der Unterschied zwischen Sport und Show."

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