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KonflikteFrankreich

Schattenflotten-Tanker soll in Drohnenflüge involviert sein

Veröffentlicht 2. Oktober 2025Zuletzt aktualisiert 2. Oktober 2025

Französische Soldaten haben zwei Crew-Mitglieder eines Öltankers festgenommen. Er gehört mutmaßlich zur russischen Schattenflotte. Das Schiff spielte wohl eine Rolle bei den ungeklärten Drohnenflügen über Dänemark.

Ansicht des Tankers "Boracay"
Der vor der westfranzösischen Küste aufgebrachte verdächtige Öltanker "Boracay" Bild: Damien Meyer/AFP/Getty Images

Die Marine-Soldaten gingen nach Auskunft des Militärs vor der Küste von Saint-Nazaire im Westen Frankreichs an Bord des verdächtigen Schiffes. Sie hatten den Öltanker zuvor gestoppt. Der Staatsanwalt von Brest, Stéphane Kellenberger, sagte, die beiden festgesetzten Besatzungsmitglieder hätten sich als der Kapitän und der Erste Offizier zu erkennen gegeben. Die Justiz leitete Ermittlungen ein.

Kapitän wird in Frankreich vor Gericht gestellt

Der Kapitän, ein chinesischer Staatsbürger, muss sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Brest wegen Nichtbefolgens einer behördlichen Anordnung im Februar vor Gericht verantworten. Offen blieb, ob er auf freien Fuß gesetzt wird. Sein Steuermann, ebenfalls chinesischer Staatsbürger, wurde unterdessen aus dem Polizeigewahrsam entlassen.

Unklar war zunächst noch, ob der Tanker seine Fahrt nach Indien fortsetzen kann. Das Schiff fährt derzeit unter der Flagge des westafrikanischen Staates Benins

Nach Angaben aus Militärkreisen waren die französischen Soldaten bereits am Samstag an Bord gegangen. Am Mittwoch waren sie weiterhin auf dem Schiff. Luftaufnahmen zeigten vermummte Soldaten auf dem Deck des Tankers.

Schon seit Samstag liegt die "Boracay" vor der Küste von Saint-Nazaire Bild: Damien Meyer/AFP/Getty Images

       

Die französische Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) berichtet, eine Analyse von Daten der Webseite Vesselfinder habe ergeben, dass sich das Schiff zum Zeitpunkt der Drohnenvorfälle - zwischen dem 22. und 25. September - nahe der Küste Dänemarks bewegt habe. Bevor der Tanker die Gewässer um Frankreich angesteuert habe, sei er von Russland kommend an den Küsten Polens und Schwedens entlang weiter ins dänische Küstengebiet gefahren.

In der Nacht zum 23. September befand sich das Schiff den Daten zufolge vor der dänischen Insel Lolland - bevor es zum Großen Belt weiterfuhr, der Meeresstraße zwischen den dänischen Inseln Seeland und Fünen.

"Startplattform" für die Drohnen?

Das Fachmagazin "The Maritime Executive" vermutet, dass das Schiff als "Startplattform" für jene Drohnen gedient haben könnte, die in der Nacht zum 22. September den dänischen Flugverkehr gestört hatten. Wegen des Überflugs unbekannter Drohnen musste der Flughafen in der Hauptstadt Kopenhagen am 22. September für einige Stunden gesperrt werden. Weitere Airports und Militärstützpunkte wurden später ebenfalls von Drohnen überflogen.

Auch der dänische Flughafen Aalborg musste in der vorigen Woche für einige Stunden geschlossen werden Bild: Bo Amstrup/Ritzau Scanpix Foto/dpa/picture alliance

Der nun festgesetzte Tanker, der häufig Flagge und Namen gewechselt hat und zuletzt "Pushpa" oder "Boracay" hieß, wird von der Europäischen Union als Teil der russischen "Schattenflotte" betrachtet. Das Schiff steht seit Februar auf der EU-Sanktionsliste.

Als Schattenflotte werden die zahlreichen oft veralteten und unter fremder Flagge fahrenden Schiffe bezeichnet, mit denen Russland die wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängten internationalen Sanktionen umgeht, insbesondere das Öl-Embargo.

Dänemarks Regierungschefin Frederiksen, Frankreichs Präsident Macron, Polens Regierungschef Tusk und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (v.r.n.l.) in Kopenhagen Bild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte am Mittwoch am Rande eines informellen Gipfels der Staats- und Regierungschefs der EU in Kopenhagen, die Besatzung des Schiffes habe "schwere Fehler" begangen, ohne dies zu erläutern. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen erklärte, sie könne die Ermittlungen nicht kommentieren. Generell gebe es aber seit längerem große Probleme mit der russischen Schattenflotte, gerade in der Ostsee.

Ukraine will Dänemark beim Kampf gegen Drohnen helfen

Unterdessen sagte die Ukraine zu, dem NATO-Land Dänemark beim Aufspüren und Abschießen von Drohnen zur Seite zu stehen. Sein Land habe wegen des russischen Angriffskriegs große Erfahrungen bei der Drohnenabwehr, vielleicht sogar die größte Erfahrung weltweit, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beim Gipfel der sogenannten Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG), der an diesem Donnerstag ebenfalls in Kopenhagen stattfindet. Deshalb werde man nicht nur zusehen, sondern Dänemark natürlich unterstützen.

Das EPG-Format war 2022 auf Initiative des französischen Präsidenten Macron nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine ins Leben gerufen worden. Zu den insgesamt 47 Teilnehmerstaaten gehören auch Nicht-EU-Länder wie Großbritannien, die Schweiz, Moldau und Georgien.

Unterstützung für Drohnenabwehrschirm und Sicherung der Ostflanke 

Bei den EU-Beratungen am Mittwoch in Kopenhagen ging es darum, wie die Europäische Union bis 2030 ihre Abschreckung und Verteidigung deutlich ausbauen kann. Nach den Worten von EU-Ratspräsident António Costa gab es in der Diskussion breite Unterstützung für den geplanten Aufbau eines Abwehrschirms für Drohnen und weitere Maßnahmen zur Absicherung der sogenannten Ostflanke. Die EU-Kommission werde in zwei Wochen einen konkreten Fahrplan für die Aufrüstung bis 2030 vorlegen, kündigte der Portugiese an.

EU-Ratspräsident António Costa in Kopenhagen Bild: dts-Agentur/picture alliance

Beim nächsten Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU in drei Wochen in Brüssel sei es dann an der Zeit für Entscheidungen, so Costa. Diplomaten verwiesen allerdings darauf, dass es bei den Beratungen Differenzen unter den Mitgliedsländern im Hinblick auf Koordinierung und Finanzierung gegeben habe. Der Ratspräsident betonte, die Zuständigkeit für Verteidigung liege laut den europäischen Verträgen klar bei den Mitgliedstaaten und nicht bei der EU.

se/AR (afp, dpa, rtr)