Zur Eröffnung der Grünen Woche in Berlin hat Entwicklungsminister Gerd Müller zum Kampf gegen Kinderarbeit aufgerufen. Die weltgrößte Agrarmesse öffnete am Vormittag ihre Pforten für das Publikum.
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Entwicklungsminister Gerd Müller hatte zum Start der Grünen Woche in der Hauptstadt mahnende Worte. "Wir bauen unseren Wohlstand noch viel zu oft auf dem Rücken der Menschen in Entwicklungsländern auf", sagte er. Viele alltägliche Produkte wie Kaffee, Baumwolle oder Metalle für Elektronikgeräte würden unter untragbaren Arbeitsbedingungen oder mit ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt.
Im Kampf dagegen will Müller deutsche Firmen ab dem kommenden Jahr notfalls mit Gesetzen zum fairen Handel verpflichten. Zugleich sieht der Minister auch Verbraucher in der Verantwortung: "Jeder Mensch kann mit seinem täglichen Einkauf etwas gegen Hunger und Kinderarbeit tun."
Demo für Tier- und Naturschutz geplant
Bundesagrarministerin Julia Klöckner sagte beim traditionellen Eröffnungsrundgang auf dem Messegelände: "Landwirtschaft geht uns alle an." Die Grüne Woche bringe städtische Sichtweise und ländliches Kraftzentrum zusammen. Beide seien aufeinander angewiesen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hob die Chancen hervor, mit neuen Technologien ressourcenschonender zu arbeiten und damit auch Ansprüchen vieler Verbraucher nachzukommen.
Bis zum 27. Januar werden in den Hallen unter dem Funkturm in Berlin rund 400.000 Besucher erwartet. Sie können sich über die Lebensmittelproduktion oder neue Landtechnik informieren und Spezialitäten probieren. Diskussionsthemen bei der Messe sind auch Tier- und Umweltschutz und die weitere Digitalisierung der Landwirtschaft.
Mit 1750 Ausstellern aus 61 Ländern ist die Beteiligung an der Grünen Woche nach Veranstalterangaben so groß wie nie in ihrer 93-jährigen Geschichte. Am Samstag wollen in Berlin anlässlich der Messe Tausende für mehr Tier- und Naturschutz in der modernen Landwirtschaft demonstrieren. Klöckner lädt zu einer internationalen Agrarministerkonferenz.
ie/jj (dpa, epd, kna)
Agrar-Atlas 2019: Keine Agrarwende in der EU
Fast 60 Milliarden Euro fließen pro Jahr in die Agrarpolitik der Europäischen Union, doch wenig davon wird in nachhaltige Landwirtschaft investiert. DW fasst die wichtigsten Kritikpunkte des Agrar-Atlas zusammen.
Bild: picture-alliance/Forum Moderne Landwirtschaft/S. Lüdtke
Wer viel hat, bekommt viel
Mit durchschnittlich 267 Euro pro Hektar werden vor allem industrielle Großbetriebe gefördert, immer mehr Kleinbauern geben auf. Je größer der Betrieb, desto mehr Geld wird gezahlt, kritisiert der neue Agrar-Atlas, herausgegeben von der Umweltorganisation BUND, der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und der Monatszeitung Le Monde diplomatique.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert
Gülle im Trinkwasser
Große Flächen werden mit viel Dünger fruchtbar gemacht. Oft mit Gülle, die bei der Massentierhaltung im Überfluss anfällt und von den angebauten Pflanzen nicht mehr aufgenommen werden kann. Ergebnis: Das Grundwasser in Europa überschreitet immer häufiger die von der EU festgelegten Grenzwerte für Nitrat (50 Milligramm pro Liter).
Bild: Imago/J. Koehler
Pestizide in Haarproben
Die Verkaufszahlen von Pflanzenschutzmitteln in der EU zeigen, dass der Gesamtumsatz seit 15 Jahren konstant ist. Eine Laboruntersuchung aus sechs EU-Ländern, bestellt von der Fraktion Grüne/EFA im Europaparlament, zeigte Rückstände von fünfzehn verschiedenen Pestiziden in den Haarproben der freiwilligen Probanden. Die Ergebnisse dürften in den anderen 22 EU-Ländern ähnlich ausfallen.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene
Das Bienensterben
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und vor allem die Vernichtung von naturnahen Flächen zugunsten großer Monokulturen lassen die Artenvielfalt schrumpfen. Auch Bestäuber wie die Bienen sind gefährdet – in Deutschland sind rund 40 Prozent der Wildbienen akut bedroht.
Bild: Imago/Eibner
Klimatäter, Klimaopfer
Die Landwirtschaft in der EU gehört zu den großen Verlierern des Klimawandels, gleichzeitig trägt sie auch wesentlich zur globalen Erwärmung bei. Nach Energieerzeugung und Verkehr ist die EU-Landwirtschaft der drittgrößte Erzeuger von Treibhausgasen in Europa. Massentierhaltung und massiver Einsatz von Düngemitteln sind die beiden Hauptverursacher von Klima-Emissionen in der Landwirtschaft.
Bild: S. Hasselmann
Wenn Essen krank macht
In der Europäischen Union ist jeder zweite Mensch übergewichtig, fast jeder sechste adipös. Die Europäer essen zu viel und zu ungesund – was durch die industrielle Massenproduktion in der Landwirtschaft gefördert wird. Die Auswirkungen von Rückständen von Düngemitteln, Pestiziden, Hormonen und Antibiotika auf die Gesundheit der Konsumenten sind wenig erforscht.
Bild: picture-alliance/Helga Lade Fotoagentur GmbH, Ger
Tierquälerei mit System
In einem EU-Land geboren, in einem anderen gemästet, in einem dritten geschlachtet. Massentierhaltung in der Europäischen Union ist alles andere als artgerecht. Die EU-Verbraucher würden laut einer Umfrage von Eurostat mehr Geld für Tierschutz in der Landwirtschaft ausgeben. Allerdings gebe es kaum Fleisch aus artgerechter Haltung, sagten die meisten Befragten.
Bild: DW/O. Pieper
Wie grün darf es sein?
Wer sich für das Bio-Siegel der EU zertifizieren lässt, muss nach der EU-Bio-Verordnung produzieren. Die Verordnung gilt jedoch als mangelhaft. So kam die Schweizer NGO-Stiftung Pusch zu dem Ergebnis: "Die EU-Bio-Verordnung schneidet schlechter ab als andere Bio-Standards, da sie in den Bereichen Bewässerung, Biodiversität, Klima und Soziales nur wenige oder gar keine Anforderungen stellt."
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd
Ausbeutung mit EU-Zuschuss
In der spanischen Provinz Almeria werden Gemüse und Obst in Gewächshäusern angebaut und geerntet. Die Arbeiter, oft illegale Einwanderer, werden in der Regel weit unter Mindestlohn bezahlt, sind nicht sozialversichert und arbeiten und leben unter menschenunwürdigen Bedingungen. Aufgrund von EU-Zuschüssen und der Ausbeutung kann Gemüse hier billiger produziert werden als in Afrika.
Bild: DW
Verheerende globale Auswirkungen
Die Agrarpolitik der Europäischen Union hat verheerende Auswirkungen auf die globale Umwelt. Um Soja als Futtermittel anzubauen werden Urwälder in Lateinamerika und Asien gerodet. Beim Export von Geflügelfleisch gingen 2017 über 40 Prozent der EU-Exporte in Länder südlich der Sahara. Die Landwirte können nicht mit den subventionierten EU-Bauern konkurrieren.
Bild: picture-alliance/R. Chalu
Was werden die nächsten Jahre bringen?
Alle sieben Jahre wird die EU-Agrarpolitik überarbeitet; zurzeit wird über die Agrarreform 2021 verhandelt. Die Agrarindustrie macht in Brüssel Lobbyarbeit auf Hochtouren. Auch Umwelt-, Verbraucher-und Tierschutzverbände wollen mitreden, doch ihr Einfluss ist bescheiden. Quelle: Agrar-Atlas 2019 (BUND, Heinrich-Böll-Stiftung, Le Monde diplomatique)