Scheichs in der Krise
8. Oktober 2008Die internationale Finanzkrise macht auch vor dem Nahen Osten nicht Halt und schlägt besonders in den erdölreichen Staaten der Arabischen Halbinsel ein: Der größte Finanzmarkt der arabischen Welt, Saudi-Arabien, erlebte allein am Dienstag (08.10.2008) einen Rückgang um sieben und in zwei Tagen um sechzehn Prozent: Zusammen mit den Emiraten und Scheichtümern am Persischen Golf verlor Saudi-Arabien innerhalb von drei Tagen 150 Milliarden Dollar – mehr als ein Sechstel des Gesamtvolumens, das jetzt bei rund 800 Milliarden Dollar liegt. Seit Anfang des Jahres ist der saudische Finanzmarkt – wie auch der ägyptische – um 40 Prozent zurückgegangen.
Entwicklungen lösten ebenso hektische wie panische Aktivitäten im gesamten Nahen Osten aus: Die Beiruter Börse beklagte erneut einen Index-Abfall von 3,4 Prozent und die Verkäufe gehen weiter. Libanesische Finanzexperten führen dies direkt auf die Krise in Saudi-Arabien und am Persischen Golf zurück: Durch die schweren Verluste der letzten Tagen sind die dortigen Investoren unter Druck geraten und versuchen nun, ihren Liquiditätsmangel mit Geldern aus dem Libanon zu decken. Betroffen sind vor allem große Immobilien- und Baufirmen, wie das Unternehmen des ehemaligen Ministerpräsidenten Hariri, "Solidere", das immer schon eng mit Saudi-Arabien verbunden war.
Starke Turbolenzen
Man erlebe eine Katastrophe, klagt der saudische Finanzexperte Abdelwahab Abou Dahech, und dies werde so lange weitergehen, wie man so eng mit den internationalen Finanzmärkten verbunden und damit deren Turbulenzen direkt ausgesetzt sei.
Saudi-Arabien ist das wichtigste, aber nicht das einzige Opfer dieser Entwicklung in der Region: In Dubai ging der Index um 4,14 Prozent zurück, in Abu Dhabi um 4,6 und in Kuwait immerhin noch um 2,6 Prozent. Oman verzeichnete einen Rückgang um 7,3 Prozent und Doha 1,55 Prozent. Nicht am Golf und kein wichtiger Finanzplatz - aber politisch nicht unwichtig: In Palästina verzeichnete die Börse ebenfalls einen Rückgang von 3,69 Prozent innerhalb eines Tages.
In Israel hingegen zeigen sich Sprecher der Staatsbank zuversichtlich, dass man die Entwicklungen nicht nur unter Beobachtung, sondern auch unter Kontrolle habe. Die Wirtschaftslage Israels sei außerdem heute besser als seit langem: Man habe keine Auslandsschulden und eine leistungsfähige Industrie und Exportwirtschaft. Infolge der weltweiten Finanzkrise sind jedoch auch in Israel erste Auswirkungen zu spüren: Große Immobilien-Firmen konnten sich nur noch durch den Verkauf einiger großer Objekte – vornehmlich an Versicherungsgesellschaften – über die Runden retten.
Isoliertes Iran bleibt verschont
Ganz andere Sorgen hat hingegen der Iran: Präsident Ahmadinedschad erklärte bei der Einführung des von ihm berufenen neuen Zentralbank-Chefs, Länder wie der Iran sollten ein auf ihre speziellen Bedingungen zugeschnittenes Wirtschaftssystem einführen. Etwa das islamische, das unter anderem Zinsen verbietet. Offensichtlich sei es eine Lüge, dass alles durch einen freien Markt reguliert werde. Der stelle nur "die Interessen von Dieben und Scharlatanen sicher".
Trotz erhöhter Einnahmen aus dem Erdöl-Geschäft leidet der Iran schon länger an einer Wirtschaftskrise. Von den weltweiten Problemen könnte er aber makabererweise aus ganz anderem Grund verschont bleiben: Washington hat in den vergangenen Jahren erfolgreich die Beziehungen des Iran zu vielen wichtigen Banken im Ausland hintertrieben und den Bruch dieser Beziehungen herbeigeführt. Vielleicht mit dem Effekt, dass die Krise dieser Banken nun nicht auch auf den Iran überschwappt.