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Kenyatta in Den Haag

Andrea Schmidt7. Oktober 2014

Als einfacher Bürger will Kenias Präsident Uhuru Kenyatta heute vor den Internationalen Strafgerichtshof treten. Der Prozess dürfte eingestellt werden. Doch der Gerichtshof muss gestärkt werden, fordert Andrea Schmidt.

Uhuru Kenyatta Präsident Kenia Rede Parlament Nairobi
Bild: Getty Images/AFP/S. Maina

Der historische Prozess gegen den ersten amtierenden Staatschef vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ist quasi gescheitert, bevor er offiziell begonnen hat. Chefanklägerin Fatou Bensouda forderte bereits vor Wochen, den Prozess gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta aus Mangel an Beweisen auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Die Statuskonferenz, ein Treffen der Prozessparteien an dem der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta heute (8.10) persönlich teilnehmen muss, erscheint ein letzter Versuch des Gerichthofs, in diesem Fall Stärke zu zeigen.

Das Verfahren stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Bereits bei der Prüfung zur Aufnahme des Verfahrens waren sich die Richter uneinig. So stimmte der kürzlich verstorbene deutsche Richter Hans-Peter Kaul gegen ein Verfahren in Den Haag, weil seiner Meinung nach die Verbrechen vor einem kenianischem Gericht abzuurteilen seien. Die mühseligen Recherchen von Bensoudas Vorgänger Moreno Ocampo in Kenia nach den Unruhen 2008 mit über 1000 Toten und Hunderttausenden Vertriebenen wurden massiv behindert. Mit der Zeit sprangen immer mehr Zeugen ab, waren plötzlich nicht mehr glaubwürdig oder verschwanden spurlos. Wichtige Dokumente wurden nicht oder nur bruchstückhaft herausgegeben.

Und nun will der Präsident nicht mit seiner Amtswürde - die er seit Jahren nutzt, um internationale Lobbyarbeit gegen den IStGH zu machen - vor Gericht stehen. Sein Amt hat er für die Zeit der Reise nach Den Haag demonstrativ an seinen Stellvertreter übergeben. Mit seinem Erscheinen will Kenyatta offenbar nur verhindern, dass ein internationaler Haftbefehl gegen ihn ausgestellt werden könnte.

Andrea Schmidt leitet die Kisuaheli-Redaktion der Deutschen WelleBild: DW

Im Laufe des vergangenen Jahres war der Prozessbeginn bereits mehrfach verschoben worden. Die Anklage lautet indirekte Mittäterschaft an Mord, Vertreibung und Verfolgung durch finanzielle Unterstützung der Täter. Forderungen der Chefanklägerin Bensouda seine finanziellen Transaktionen offen zu legen, lehnte Kenyatta ab, obwohl er zuvor immer beteuert hatte, mit dem Strafgerichtshof zu kooperieren.

Wenn der Prozess jetzt wegen der dürftigen Beweislage platzt oder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird, ist es nicht nur ein herber Rückschlag für den internationalen Gerichtshof, sondern für die Gerechtigkeit in der Welt. Der Gerichtshof war geschaffen worden, um die Straflosigkeit bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beenden. 122 Staaten haben das Römische Statut ratifiziert, Kenia hatte es am 15.März 2005 unterschrieben. An diesem Statut, das dem IStGH zugrunde liegt, haben viele afrikanische zivilgesellschaftliche Organisationen mitgewirkt, weil sie nicht länger hinnehmen wollten, dass Menschenrechtsvergehen in ihren Ländern nicht geahndet wurden.

Für Kenyatta gilt wie für alle Angeklagten zunächst die Unschuldsvermutung. Doch für Menschenrechtsgruppen, für die Opfer und die Hinterbliebenen in Kenia wäre es ein fatales Zeichen, wenn der Prozess nur aus Mangel an Beweisen scheitert. Sie hatten die legitime Erwartung, dass der das Gericht die Wahrheit ans Licht bringt und alles in seiner Macht stehende unternimmt, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden.

Die Bilanz seiner bisherigen Verfahren ist dürftig. Lediglich drei Urteile - zwei Schuldsprüche und ein Freispruch - haben die Richter bisher gefällt. Der Strafgerichtshof ein zahnloser Tiger? Das darf nicht sein! Dafür müssen dringend einige Geburtsfehler behoben und der IStGH besser ausgestattet werden, finanziell aber auch strukturell. Bisher ist der Gerichtshof völlig auf die Kooperation der betroffenen Staaten angewiesen. Das muss sich ändern. Das Gericht benötigt eine eigene Polizei, die eigenständig ermitteln und mutmaßliche Täter auch verhaften kann. Immunität von Staatsoberhäuptern muss ausgeschlossen bleiben. Die Ermittler müssen zudem genügend finanzielle Mittel bekommen, um einen effektiven Zeugenschutz sicherzustellen. Sie müssen ohne Einschränkung vor Ort recherchieren können. Und sie müssen schneller, sorgfältiger und effizienter werden.

Es gibt keine Alternative zum Strafgerichtshof in Den Haag. Straflosigkeit von Kriegsverbrechen, Völkermord sowie Hetze und Anstiftung dazu muss ein Ende haben. Opfer und ihre Familien müssen die Gewähr haben, dass das Weltgericht unabhängige, faire Verfahren garantiert und Täter - egal welchen Rang sie bekleiden - zur Verantwortung gezogen werden.

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