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Scheitern ohne Chance

Marcus Bösch3. Juli 2003

Eine Geschichte ohne Helden und ohne Happy End. "Sweet Sixteen" des Regisseurs Ken Loach erzählt von der Trostlosigkeit der schottischen Vorstädte. Der englischen Zensurbehörde hat der Film nicht so gut gefallen.

Traum vom kleinbürgerlichen IdyllBild: AP


Pickelige Jungs in Bomberjacken lungern auf verdreckten Parkbänken rum. Blondierte minderjährige Mädchen schieben sichtlich gelangweilt Kinderwagen durch die trostlose Gegend. Ken Loachs neuster Film "Sweet Sixteen" zeigt ein tristes schottisches Industriegebiet irgendwo zwischen Glasgow und Edinburgh – irgendwo zwischen stillgelegten Schiffswerften am River Clyde und dem Rand der Gesellschaft. Hier lebt Liam.

Kein Sozialkitsch

Die Schule hat er seit Monaten nicht mehr von innen gesehen. Seine drogenabhängige Mutter sitzt im Gefängnis. Stiefvater Stan dealt hauptberuflich und prügelt nebenher. Denken und Handeln des 15-Jährigen sind einzig auf einen Tag in zehn Wochen gerichtet. Dann wird die Mutter entlassen und dann wird Liam 16. Ein Zuhause will der Junge schaffen, ein kleinbürgerliches Idyll ohne Gewalt und Abhängigkeit, ein Zwischending aus Wohnwagen und Wochenendhäuschen mit Blick auf den Fluss soll es sein. Doch der Zigarettenschmuggel mit seinem Kumpel Pinball wird niemals die erforderlichen 6000 Pfund abwerfen. Und so kommt es wie es kommen muss, wenn es keinen Ausweg mehr gibt: Liam gleitet ab, klaut dem Stiefvater eine Lieferung Heroin und beginnt selbst zu dealen.

Ken LoachBild: AP

Loach ist eine bemerkenswerte Sozialstudie über die heruntergekommenen Randbezirke jenseits von Glasgow gelungen. Unerbittlich, ohne jeglichen Pathos erzählt Loach vom Niedergang der Familie und der Region. Lange Einstellungen und unruhige Kameraaufnahmen nähern sich vorsichtig dem Protagonisten und erzeugen eine fast dokumentarische Ästhetik. Loach und seinem langjährigen Drehbuchschreiber Paul Laverty geht es weder um Perfektion noch um besondere Virtuosität, es geht ihnen um die Geschichte und um die beteiligten Menschen. Jeglicher Vorwurf des Sozialkitsches prallt dabei am Werk ab, zu glaubwürdig kommt das Drama daher.

Stolz und Scheitern

Insbesondere Martin Comptson, der von der Straße gecastete Hauptdarsteller, verkörpert authentisch eine ziellose Wut, ein unerfülltes Verlangen und einen selbstzerstörerischen Stolz. Sein Traum vom sinnerfüllten Leben mit der Mutter und der Halbschwester scheitert kläglich. Als Kleingangster verspielt er die Chance, die er eigentlich gar nicht hatte. "Mein Akku ist gleich leer", sagt er am Ende – einsam am steinigen Strand vor einem grauen Himmel.

Die milieugerechten Dialoge und der Dreh an Originalschauplätzen mit vielen Laiendarstellern haben die Jurys zahlreicher Filmfestivals überzeugt: Neben Festivalpreisen in Toronto und Santa Barbara, dem British Independent und dem Europäischen Filmpreis haben Loach und Laverty auch den Preis für das beste Drehbuch in Cannes gewonnen. Nur die britische Zensurbehörde war mit den gut 200 Flüchen in 100 Minuten Film heillos überfordert. Sie setzte eine Altersbegrenzung ab 18 Jahren durch, gegen die Loach und Laverty heftig protestieren.

Auf die Straße gehen

"Vielleicht sollten die Verantwortlichen mal auf die Straße gehen und sich anhören wie die Leute da draußen reden", sagt Loach. Und vielleicht sollten auch ein paar Verantwortliche mal in die Vorstädte zwischen Glasgow und Edinburgh reisen, um eine andere Wirklichkeit wahrzunehmen. Eine Wirklichkeit von der "Sweet Sixteen" berichtet.

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