"Schengen" steht für Reisen ohne Pass
6. Juni 2012Am 14. Juni 1985 unterzeichneten Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande im luxemburgischen Dorf Schengen ein Abkommen, das den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen vorsah. Fünf Jahre später unterzeichneten die fünf Staaten ein weiteres Abkommen, in dem geregelt wurde, unter welchen Voraussetzungen der freie Personenverkehr gewährleistet werden kann.
Wiedervereinigung verzögert Inkrafttreten
Es dauerte noch einmal fünf Jahre, bis zum 26. März 1995, bis das Schengener Abkommen endgültig in Kraft trat - die Verzögerung lag auch an der deutschen Wiedervereinigung. Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Spanien und Portugal schafften an diesem Tage ihre Grenzkontrollen ab. Der 1999 in Kraft getretene Vertrag von Amsterdam integrierte das Schengener Abkommen in das EU-Recht, was zur Verwirklichung der Freizügigkeit - einem der wichtigsten Prinzipien des Binnenmarkts - beigetragen hat.
In 142 Artikeln sind neben dem Wegfall der Grenzkontrollen unter anderem eine Angleichung der Visa- und Asylpolitik, die gemeinsame Bekämpfung von Drogenkriminalität und verstärkte Kontrollen an den Außengrenzen festgeschrieben. Außerdem wurde das Schengener Informationssystem (SIS) geschaffen, mit dem heute alle Polizeidienststellen der EU sekundenschnell Daten über gesuchte Personen austauschen können. Ein weiteres System zur elektronischen Erfassung von Visa-Daten und zur Ein- und Ausreise von Personen in den Schengen-Raum ist in Vorbereitung.
"Schengen-Raum" deutlich gewachsen
Nach mehreren Erweiterungen wird das Schengener Abkommen mittlerweile in 25 Ländern Europas angewandt. Neben 22 Mitgliedsländern der Europäischen Union (Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn) nehmen an dem Abkommen auch Island, Norwegen und die Schweiz vollständig teil. Sonderregelungen gelten für Irland und das Vereinigte Königreich.Die EU-Länder Bulgarien, Rumänien und Kroatien sind noch keine Vollmitglieder des Schengen-Raums. Für Zypern ist die Abschaffung der Grenzkontrollen unklar, solange es keine Lösung im Zypernkonflikt gibt. Die Grenzkontrollen werden für diese Länder weiterhin aufrecht erhalten.
Für EU-Bürger ist heute der freie Personenverkehr innerhalb des "Schengener Raumes" weitgehend verwirklicht. In Ausnahmefällen, zum Beispiel während internationaler Großveranstaltungen, können die Grenzkontrollen an den Binnengrenzen vorübergehend wieder eingeführt werden. Dies geschah zum Beispiel bei Europa- und Weltmeisterschaften im Fußball, sowie im Vorfeld von G8- oder Nato-Gipfeln. Einige EU-Staaten unter Führung von Frankreich und Deutschland wollen Grenzkontrollen auch dann wieder einführen können, wenn über einen EU-Außenstaat zu viele Flüchtlinge in den Schengen-Raum einreisen. Der Versuch Dänemarks, dauerhaft wieder Zollkontrollen an den eigenen Grenzen zu installieren wurde 2011 nach wenigen Monaten wieder aufgegeben. Die Erteilung von Visa für den "Schengen-Raum" ist auch Teil des Asylverfahrens in der Europäischen Union. Flüchtlinge und Asylbewerber erhalten meist nur die Aufenthaltsgenehmigung für das Einreiseland und können sich deshalb nicht überall in Europa frei bewegen.