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Neue Suche nach Diesel-Lösung

Thomas Kohlmann mit Agenturen
17. September 2018

Der Wahlkampf wirft seine Schatten voraus: Um Fahrverbote in Frankfurt für ältere Diesel zu verhindern, steigt der Druck aus dem Kanzleramt. Noch in dieser Woche muss Verkehrsminister Scheuer eine Lösung präsentieren.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer beim KBA
Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Die Zeit wird langsam knapp: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU muss auf Veranlassung der Kanzlerin noch in dieser Woche eine Lösung für den Ausweg aus dem Diesel-Dilemma finden, das mehr als eine Million Besitzer von Dieselfahrzeugen in Deutschland betrifft. Und die Zeit drängt, denn Fahrverbote in Städten wie Frankfurt werden immer wahrscheinlicher und schon in einem Monat stehen Landtagswahlen in Bayern und Hessen an.

Besonders groß ist der Leidensdruck der Unions-geführten Regierung in Hessen. Denn dort ist der Anteil von Pendlern, die einen Diesel fahren, der von einem Fahrverbot in Frankfurt wegen zu hoher Stickoxidwerte betroffen wäre, außerdordentlich hoch. Und vor unzufriedenen Diesel-Besitzern unter den Wählern hat der Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier offenbar einen gehörigen Respekt.

Wie das Handelsblatt berichtete, habe Bouffier deshalb bei Angela Merkel interveniert, den Druck auf die Autobauer zu erhöhen, um sie zu Umrüstungen zu zwingen. Und prompt verpflichtete die Kanzlerin ihren Verkehrsminister Andreas Scheuer, in den nächsten Tagen eine Lösung zu finden, wie sich die bei Dieselfahrern verständlicherweise äußerst unpopulären Fahrverbote noch verhindern lassen. Das Handelsblatt beruft sich auf Teilnehmer einer Kabinettssitzung, auf der die Kanzlerin "Andi" Scheuer angekündigt habe: "Wir werden diese Woche noch reden."

Der Druck der Kanzlerin zeigt offenbar Wirkung: Der Bundesverkehrsminister setzt im Kampf gegen die Diesel-Abgase zwar noch immer den Schwerpunkt auf eine Erneuerung der Diesel-Flotte. Und noch immer wiederholt er sein Mantra: "Hardware-Nachrüstung halte ich für den falschen Weg" - zuletzt am Montag bei seinem Besuch im brandenburgischen Schönewalde. Doch im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung forderte Scheuer: "Den Besitzern alter Diesel müssen höchst attraktive Angebote für den Wechsel in saubere Autos gemacht werden."

Mehr als 40 Prozent der Autos in Frankfurt am Main werden von einem Diesel angetrieben - mehr als irgendwo sonstBild: picture-alliance/dpa/W. Steinberg

Feilschen um Rücknahmeprämie

Zumindest für die besonders schmutzigen Diesel-Fahrzeuge mit Euro-4-Norm kann weder ein Software-Update, noch die so genannte Hardware-Lösung die Abgaswerte ausreichend absenken. Und selbst bei den neueren Fahrzeugen sieht Scheuer Grenzen der technischen Machbarkeit: Eine Ausrüstung mit Katalysatoren sei selbst bei den insgesamt 5,5 Millionen Fahrzeugen der Euro-5-Norm nur bei etwa zwei Millionen möglich. Der Verkehrsminister setzt daher vor allem auf Anreize zum Kauf neuer Autos. Und dafür müsse die Industrie attraktivere Angebote als bisher machen: "Die Hersteller sind in der Pflicht", so Scheuer. Sie hätten schließlich den ganzen Schlamassel durch Manipulationen (mit-) ausgelöst. Der Steuerzahler solle nicht belastet werden, so sein Versprechen - vor den anstehenden Landtagswahlen.

Die Debatte war durch das Urteil für Fahrverbote in Frankfurt neu befeuert worden. Für die Stickoxid (NOx)-Belastung in den Städten sind zum erheblichen Teil Diesel-PKW verantwortlich. Scheuer bestätigte neue Gespräche mit den Autoherstellern, schränkte aber gleich wieder ein: "Wir werden aber kein Rundum-Sorglos-Paket schnüren können, so ehrlich muss man sein."

Eine Nachrüstung mit Katalysatoren würde je nach Fahrzeug um die 3000 Euro kosten. Die Finanzierung ist noch unklar. Darüber hinaus geht es auch um rechtliche Probleme. Kein Fahrer kann zur Nachrüstung gezwungen werden. Dazu kommt, dass die nachgerüsteten Diesel mehr Kraftstoff verbrauchen und weniger Leistung haben. Außerdem sperren sich nach wie vor die Autobauer, die sich weder an den Kosten noch an der Umrüstung beteiligen wollen. Volkwagen-Cheflobbyist Thomas Steg zufolge ist es "ausgeschlossen, dass die Autoindustrie selbst die Nachrüstung machen wird, dass sie Garantie und Haftung übernehmen wird."

Die sozialdemokratische Umweltministerin Svenja Schulze pocht auf technische Nachrüstungen auf kosten der Hersteller Bild: Imago/Sven Simon/E. Kremser

Absage an "schlaue Umstiegsmodelle"

Unterdessen lässt Andreas Scheuer keine Gelegenheit verstreichen, um zu betonen, wie wenig er von Hardwarelösungen hält: "Meine Priorität ist: Schlaue Umstiegsmodelle von den Herstellern zu erwirken, um eine Flottenerneuerung zu erreichen, und nicht in altes Material durch Nachrüstungen zu investieren", sagte Scheuer am Montag im Fernsehsender Phoenix.

Somit schwelt der monatelange Streit in der Regierung über den Umgang mit der Dieselkrise weiter. Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD unterstrich gegenüber der Süddeutschen Zeitung: "Entscheidend ist, dass die Luft in den belasteten Städten sauberer wird". Die einzige Maßnahme, die wirklich viel bringt, sei die technische Nachrüstung von Diesel-Pkw in den von Fahrverboten betroffenen Regionen.

"Umtauschprämien für Euro-5-Modelle werden nicht ausreichen", sagte Schulze weiter. "Nicht jede oder jeder hat so viel Geld, sich mal eben ein neues Auto zu kaufen, selbst wenn es dafür einen Rabatt gäbe." Außerdem sei es weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll, ein wenige Jahre altes Euro-5-Fahrzeug zu verschrotten, das deutlich mehr wert sei als eine Nachrüstung kostet.

Der Verkehrsexperte des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Jens Hilgenberg, erklärte: "Das Konzept der Umstiegsprämien klingt, als sei es dem Minister von der Autoindustrie ins Hausaufgabenheft diktiert worden." Statt Strafen oder Entschädigungen wolle der Minister den Konzernen offensichtlich helfen, noch schnell die Fahrzeuge auf unsere Straßen zu bringen, die nicht den neusten Abgasnormen entsprechen.

Lob für Scheuers Ansatz von Verbraucherschützer

Der Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller, begrüßte hingegen Scheuers Bemühungen. Sein Vorschlag: Alle Dieselbesitzer, die wegen Fahrverboten ihr Auto nicht mehr nutzen können, sollten ein Angebot von den Autoherstellern bekommen. Angemessen sei der Rückkauf ihres Fahrzeuges zum Zeitwert zuzüglich 1.000 Euro. "Dann wäre Scheuers Konzept ein sinnvoller Vorschlag", erklärte Müller.

Neben den Diesel-Autos sind etwa 1,2 Millionen Transporter auf den Straßen unterwegs, die ebenfalls nachgerüstet werden könnten. Busse und Kommunalfahrzeuge werden bereits nachgerüstet. Scheuer sagte, zusammen mit den beschlossenen Software-Updates von gut sechs Millionen Autos mache sich dies bereits bei der Luftbelastung bemerkbar.

 

 

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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