Afrikanische Union
15. Juni 2010Von den "Vereinigten Staaten von Afrika" träumte Libyens Revolutionsführer Muammar Ghaddafi. Er hatte die Idee von der Afrikanischen Union (AU) angestoßen, 2002 trat die Gründungscharta der Union in Kraft. 53 Länder, 2000 Sprachen und 40 Währungen – es sind keine Vereinigten Staaten geworden, aber die Afrikanische Union setzt sich dafür ein, dass ihre Mitgliedsländer miteinander kooperieren für mehr Wohlstand und Stabilität.
Hans Illy ist Professor für Politikwissenschaft am Freiburger Arnold-Bergstraesser-Institut. Er hält die Afrikanische Union für einen enormen Fortschritt: "Afrika hat mit der Schaffung der Afrikanischen Union eine Signalfunktion an die Welt gegeben: Der Kontinent will sein Schicksal selbst in die Hand nehmen."
Militäreinsätze zu humanitären Zwecken
Die Afrikanische Union will die Konflikte auf dem Kontinent selbst lösen. Die Mitgliedsländer haben sich im Statut der AU das Recht gesichert, aus humanitären Gründen in ein anderes Mitgliedsland einmarschieren zu dürfen. In Darfur und Somalia sowie auf den Komoren hatten Truppen der Union ihre ersten Einsätze.
Ibrahim Kansaye ist zurzeit an der Bundeswehr-Führungsakademie in Hamburg. Er ist Offizier der Armee Malis. Für ihn sind die afrikanischen Truppen eine echte Alternative zu den Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen. "Ich denke, die Afrikanische Union ist besser geeignet als die Truppen, die von außen kommen. Denn die Vertreter der Afrikanischen Union sind wie die Konfliktparteien Afrikaner. Sie sehen die Probleme in ihrem Kontext und verstehen sie deshalb besser als ein Außenseiter."
Doch bei den bisherigen Einsätzen zeigten sich viele Probleme. 8000 Soldaten hat die AU beispielsweise für Somalia versprochen, nur 5000 sind bisher tatsächlich vor Ort. In Darfur konnte die gemeinsame Friedensmission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union die Sicherheit der Bevölkerung nicht garantieren.
Pochen auf nationale Souveränität
Bei der wirtschaftlichen Integration hat die Afrikanische Union ebenfalls viele ihrer Pläne nicht umsetzen können. In dem Wirtschaftsstrategiedokument NEPAD setzen sich die Staats- und Regierungschefs eine Reihe von Zielen, darunter Transparenz und Rechtsstaatlichkeit. Die Organisation will die Armut bekämpfen und den Handel erleichtern. Doch hohe Zölle erschweren nach wie vor die Ein- und Ausfuhr zwischen den einzelnen Staaten. Die Länder pochen auf ihre nationale Souveränität und wollen nicht auf die Zolleinnahmen verzichten.
Nicht zuletzt will die Afrikanische Union gute Regierungsführung fördern. 2008 suspendierte sie die Mitgliedschaften von Guinea, Madagaskar und Niger wegen der dortigen Militärputsche. Gegen die Menschenrechtsverletzungen von Diktatoren wie Robert Mugabe in Simbabwe ist die AU bisher aber nicht vorgegangen. "Zurzeit sind einige nicht unbedingt beispielhafte Staats- und Regierungschefs in Afrika an der Macht, ganz klar. Aber es gibt immerhin heute mehr Stimmen aus der Afrikanischen Union, die sich gegen solche Regierungsführung erheben", sagt Offizier Ibrahim Kansaye. Er ist optimistisch, dass diese Stimmen in Zukunft lauter werden. Schließlich sei die AU noch jung und erst im Aufbau. "Aber langfristig gesehen wird die Afrikanische Union sicher ein würdiger Vertreter des ganzen Kontinents."
Konkurrenz mit regionalen Organisationen
Die Afrikanische Union konkurriert mit mehreren regionalen Organisationen. Schon 1975 gründeten fünfzehn westafrikanische Staaten das Wirtschaftsbündnis ECOWAS. Die Mitgliedsländer planen eine gemeinsame Währung – einen eigenen Gerichtshof und ein Parlament gibt es schon. Ähnliche Strukturen hat auch die Afrikanische Union. Hinzu kommen die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas SADC, die Ostafrikanische Gemeinschaft EAC und etliche andere.
Mit einer Spaghetti-Schüssel vergleichen deshalb Experten die Situation in Afrika: unzählige Regionalorganisationen, überlappende Mitgliedschaften. Hans Illy vom Arnold-Bergstraesser-Institut plädiert dafür, diese regionalen Organisationen zu stärken. "Danach muss man genau bestimmen, wie die regionalen Zusammenschlüsse mit der African Union als Spitzenorganisation zusammenarbeiten." Die regionalen Organisationen seien besser als die AU in der Lage, wirtschaftliche Probleme zu lösen. "Auf dieser Ebene haben die Regierungen schon einige Erfahrungen gemacht, und man kennt sich untereinander."
Experten meinen, dass jenseits der Regierungsorganisationen große Länder wie Nigeria und Südafrika mehr tun müssen. Zum Beispiel sollten sie Druck auf Diktaturen wie Simbabwe ausüben. Schließlich könne die Afrikanische Union nicht besser sein als ihre Mitgliedsstaaten.
Autorin: Brigitta Moll
Redaktion: Klaudia Pape