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Politik

Schicksalswahl für Brasilien: Lula oder Bolsonaro?

30. Oktober 2022

Bei der Stichwahl in Brasilien geben sich der rechtsradikale Amtsinhaber Jair Bolsonaro und sein linksgerichteter Rivale Luiz Inácio Lula da Silva siegesgewiss. Der tief gespaltenen Gesellschaft droht eine Zerreißprobe.

Kombobild Bolsonaro und Lula
Heftiger Machtkampf: Jair Bolsonaro (links) und Luiz Inacio Lula da SilvaBild: Douglas Magno/AFP/Mateus Bonomi/AA/picture alliance

Nach einem mit äußerst harten Bandagen geführten Wahlkampf, in dem sich die verfeindeten Lager mit Beleidigungen und Falschinformationen überzogen, wählt Brasilien einen neuen Präsidenten. In der Stichwahl treten der rechtsradikale Amtsinhaber Jair Bolsonaro und der linksgerichtete Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva gegeneinander an. Insgesamt sind im größten Land Lateinamerikas 156 Millionen Bürger zur Stimmabgabe aufgerufen.

Beim ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl in Brasilien am 2. Oktober hatte Lula 48 Prozent der Stimmen erzielt, Bolsonaro kam auf 43 Prozent. Umfragen hatten damals einen deutlich größeren Vorsprung Lulas vor dem 67-jährigen Amtsinhaber vorausgesagt. Der 77-Jährige war bereits Präsident von 2003 bis 2010.

Beobachter erwarten für die Stichwahl ein knappes Rennen. Umfragen sahen Lula zuletzt vorn - allerdings nur mit einem leichten Vorsprung, der zuletzt noch etwas zurückging. Eine unmittelbar vor Beginn der Stichwahl veröffentlichten Meinungsumfrage des Instituts Datafolha sah Lula bei 52 Prozent, Bolsonaro bei 48 Prozent. Damit konnte der Amtsinhaber im Vergleich zu einer Umfrage vom Donnerstag einen Prozentpunkt zulegen.

Beide Kandidaten geben sich siegessicher

"So Gott will, werden wir heute Abend gewinnen", sagte Bolsonaro, nachdem er seine Stimme in Rio de Janeiro abgegeben hatte. "Oder noch besser, Brasilien wird heute Abend siegreich sein", betonte der Amtsinhaber, der ein T-Shirt in den Farben der brasilianischen Flagge trug.

Amtsinhaber Jair Bolsonaro im Wahllokal Bild: Bruna Prado/Pool/AP/picture alliance

Sein Herausforderer Lula sagte nach seiner Stimmabgabe in São Bernardo do Campo im Südosten des Landes, er sei "zuversichtlich für den Sieg der Demokratie". Im Falle seines Wahlsieges wolle er den Frieden zwischen den Brasilianern wiederherstellen.

Ex-Präsident Lula da Silva bei der StimmabgabeBild: NELSON ALMEIDA/AFP

Die Wahllokale schließen am Sonntagabend 21.00 Uhr MEZ. Das Abstimmungsergebnis wird in der Nacht zum Montag erwartet. Außerdem wurden am Sonntag Gouverneure in einem Dutzend Bundesstaaten gewählt - etwa im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Bundesstaat São Paulo. In der ersten Runde hatten Gefolgsleute Bolsonaros bereits eine Reihe wichtiger Gouverneursposten erobert. Seine Liberale Partei (PL) stellt künftig auch die stärkste Fraktion im Kongress vor Lulas Arbeiterpartei (PT).

Ausschreitungen befürchtet

Befürchtet wird, dass es je nach Wahlausgang zu Gewaltakten kommen könnte. Bolsonaro hatte mehrfach Zweifel am Wahlsystem gestreut und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen. Seit der Lockerung der Waffengesetze in seiner Amtszeit haben viele seiner Unterstützer kräftig aufgerüstet. Einige Anhänger des Amtsinhabers forderten unverhohlen einen Militärputsch.

Auch vor einem Wahllokal in Berlin gab es am Sonntag lange WarteschlangenBild: Clarissa Neher/DW

Der Wahlkampf hatte zuletzt immer mehr einer Schlammschlacht geglichen. Bolsonaro nannte seinen Herausforderer Lula, der wegen seiner Verwicklung in den Korruptionsskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras 2018 und 2019 insgesamt 18 Monate im Gefängnis saß, einen "Dieb", "Alkoholiker" und eine "nationale Schande". Lula bezeichnete seinen Kontrahenten Bolsonaro als "Pädophilen", "Kannibalen" und "kleinen Diktator".

Was bedeutet die Wahl für den Regenwald?

Der Ausgang der Wahl ist auch international von großer Bedeutung. Naturschützer befürchten, dass das Wahlergebnis das Schicksal des Amazonas besiegeln könnte. Unter Bolsonaro hatten Brände und Abholzungen im Regenwald stark zugenommen. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle.

Für viele Brasilianerinnen und Brasilianer standen im Wahlkampf hingegen mit Armut, Hunger und Korruption andere Themen im Vordergrund. Angesichts der angespannten Lage auf dem Energie- und Lebensmittelmarkt wegen des Ukraine-Kriegs ist das Land mit seinen enormen natürlichen Ressourcen ein wichtiger Handelspartner.

kle/hf (dpa, afp)

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