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Schicksalswahl in Sri Lanka

Dennis Stute17. November 2005

Die Präsidentschaftswahl in Sri Lanka wird auch darüber entscheiden, ob der blutige Bürgerkrieg im Land beendet werden kann. Ein Waffenstillstand mit den separatistischen Rebellen wird immer brüchiger.

"Wahl ohne Kugeln": Wahlaufruf in ColomboBild: AP
Wahlkampf hinter kugelsicherem Glas: Ranil WickremesingheBild: AP

Der Tiger gibt sich unbeteiligt. "Die Wahl interessiert uns nicht", sagt Thaya Master, Sprecher der "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE), die für eine Unabhängigkeit des tamilischen Nordens und Ostens von Sri Lanka kämpfen. "Zwischen den Kandidaten gibt es keinen Unterschied - sie werden das Tamilen-Problem genauso wenig lösen, wie die vorherigen Präsidenten." Die LTTE hätten allerdings auch nicht zum Boykott aufgerufen: "Wir bleiben neutral."

Rekruten der LTTE (1996)Bild: AP

Tatsächlich dürfte der Ausgang der Präsidentschaftswahl am Donnerstag (17.11.2005) jedoch ganz entscheidende Auswirkungen auf die LTTE habe: Mit der Wahl entscheidet sich auch, ob die Bemühungen weitergehen, den blutigen Bürgerkrieg zu beenden, dem in den vergangenen zwei Jahrzehnten rund 65.000 Menschen zum Opfer fielen. Denn die beiden aussichtsreichsten der 13 Kandidaten stehen für ganz verschiedene Positionen.

Harte Linie gegenüber den LTTE

Ranil Wickramasinghe, Kandidat der Vereinigten Nationalpartei UNP, will die Friedensgespräche unter norwegischer Vermittlung fortsetzen, die vor zweieinhalb Jahren zu einem Stillstand kamen. Als Premierminister hatte er 2002 ein Waffenstillstandsabkommen mit den LTTE unterzeichnet, das zurzeit immer brüchiger wird: Seit Anfang des Jahres verzeichnete das Land rund 200 politische Morde. Insbesondere nach der Erschießung von Außenminister Lakshman Kadirgamar im August mehrten sich in der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit die Rufe nach einer härteren Linie gegenüber den Befreiungstigern.

Dafür steht Premierminister Mahinda Rajapakse, der sich als Präsidentschaftskandidat der regierenden Freiheitspartei SLFP ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Wickramasinghe liefern wird. Er wolle Frieden, doch nicht um jeden Preis, erklärte Rajapakse im Wahlkampf. Eine Autonomie für die Tamilen-Gebiete lehnt er ab - dabei war es ein enormer Durchbruch der Friedensgespräche, dass die LTTE statt der Unabhängigkeit auch einen Autonomie-Status akzeptieren.

Radikale Kleinparteien als Mehrheitsbeschaffer

Premierminister Mahinda RajapakseBild: AP

Das von der scheidenden Präsidentin Chandrika Kumaratunga durchgesetzte Abkommen, die Tsunami-Hilfsgelder mit den LTTE zu teilen, will Rajapakse nicht umsetzen. Die Flutwelle hatte mehr als 30.000 Menschen getötet und auch in den Tamilen-Gebieten schwere Verwüstungen angerichtet. Zwar schließt Rajapakse Friedensgespräche nicht aus - doch zuvor wolle er einen Konsens in der singhalesischen Bevölkerung erreichen. Das jedoch dürfte schwierig werden, da er auf die Unterstützung zweier nationalistischer Kleinparteien angewiesen ist, die keinerlei Zugeständnisse gegenüber den LTTE dulden.

Der offenkundige Unterschied zwischen den Kandidaten ficht den LTTE-Sprecher Master nicht an. Dass Wickramasinghe sich für Friedensgespräche stark macht, habe nichts zu bedeuten, sagt Master: "Alle Präsidentschaftskandidaten treten mit einem Friedensmandat an - und vergessen es nach der Wahl." Wenn es einen neuen Präsidenten gebe, werde man weitersehen: "Unsere Führer sind immer bereit, das Problem auf demokratische Weise zu lösen."

Düstere Prognose

Demonstration von Anhängern eines von der LTTE ermordeten Politikers (2004)Bild: AP

Jehan Perera vom Nationalen Friedensrat in Colombo schenkt den Neutralitätsbekundungen der Separatisten keinen Glauben. Während die Organisation erkläre, sie überlasse es jedem einzelnen, an den Wahlen teilzunehmen, dränge sie indirekt auf einen Boykott. "Zivile Unterorganisationen der LTTE rufen öffentlich dazu auf", sagt Perera und zieht eine düstere Schlussfolgerung: Wenn die LTTE auf diese Weise die Chancen des Oppositionskandidaten schmälerten, bedeute dies, dass die Separatisten ein endgültiges Ende des Friedensprozesses anstrebten. Darauf deute auch hin, dass die LTTE in den Rebellengebieten während der vergangenen sechs Monate Milizen aus der Bevölkerung rekrutiert hätten.

Schelte von der Präsidentin

Präsidentin Chandrika KumaratungaBild: AP

Zu einer Wiederaufnahme der Gespräche gebe es langfristig keine Alternative, glaubt Perera, denn die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass es keine militärische Lösung gebe: "Regierung und LTTE müssen über kurz oder lang Verhandlungspartner werden - ob es ihnen nun gefällt oder nicht." Die Präsidentschaftswahlen seien ein Referendum über den Friedensprozess. "Wenn Rajapakse von einer 'neuen Herangehensweise' an die Friedensgespräche redet, bedeutet das in Wirklichkeit die Rückkehr zu einer Politik, die nach 1995 zu einem verheerenden Krieg geführt hat", sagt Perera

Die harte Linie von Rajapakse stößt auch bei seiner Vorgängerin Chandrika Kumaratunga auf Kritik, die 1999 bei einem LTTE-Anschlag ein Auge verlor. Die scheidende Präsidentin glaubt, dass der Staat stärker auf die Bedürfnisse der verschiedenen Bevölkerungsgruppen eingehen müsse und daher eine föderale Struktur unumgänglich sei. Rajapakses Bündnis mit den beiden nationalistischen Parteien JVP und JHU bezeichnete sie als einen Fehler.

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