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Schickt China Häftlinge zum Arbeiten nach Nigeria?

27. Dezember 2023

In Nigeria ist eine Debatte neu entbrannt: Chinesische Sträflinge sollen in dem afrikanischen Land für chinesische Unternehmen arbeiten. Gerüchte gibt es viele, aber Beweise sind schwer zu finden.

Schnellzug an der Ebute-Metta Station in Lagos, Nigeria
Ein chinesisches Unternehmen baut in Nigeria unter anderem diese Schnellzuglinie von Abuja nach Ibadan Bild: AFP via Getty Images

Es ist ein altes Gerücht, das in Nigeria erneut die Runde macht: Einige chinesische Unternehmen, heißt es, würden Gefangene aus China importieren, um sie in Nigeria arbeiten zu lassen. Nun kochte es wieder einmal hoch. Zuletzt sprach der Vorsitzende des Senatsausschusses für innere Angelegenheiten Adams Oshiomhole davon.

"Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Gefangene aus dem Ausland in Nigeria als Bauarbeiter arbeiten", sagte Oshiomhole Anfang des Monats. Etwas später formulierte er mit anderen Worten: "Ich glaube sogar und wage zu sagen, dass es ausländische Gefangene gibt, die in Nigeria arbeiten. Sie wurden in unser Land verlegt, um ihre Haftstrafe zu verbüßen."

Die neu ernannte Chefin der Einwanderungsbehörde, Caroline Wura-Ola Adepoju, äußerte sich vor Kurzem zu den Anschuldigungen, ohne sie zu bestätigen oder zu dementieren: "Die Behauptung, dass chinesische Gefangene nach Nigeria gebracht und in ihren Unternehmen beschäftigt werden, ist sehr subjektiv", sagte Adepoju. "Es verstößt gegen die internationale Konvention, eine bestimmte Rasse zu nennen. Bevor jedoch jemand ins Land kommt und einen Visumsantrag ausfüllt, wird er gründlich überprüft" sagte Adepoju und betonte, sie werde Unregelmäßigkeiten nicht dulden.

Nigeria in der Krise

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Kein Platz für ausländische Gefangene in Nigeria

"Das nigerianische Arbeitsrecht, das internationale Arbeitsrecht und das nigerianische Einwanderungsgesetz - nirgendwo sehen die Gesetze vor, dass ein ausländischer Häftling eine Arbeitserlaubnis erhält und den Status eines Arbeiters eines ausländischen Unternehmens in Nigeria bekommt", erklärt Zakari Sokga, ein Anwalt aus Kaduna, der DW. Auch bilaterale Vereinbarungen dazu gebe es nicht - kurz: "Eine solche Praxis ist illegal und kann rechtlich nicht verteidigt werden."

"Wenn chinesische Gefangene durch die Hintertür nach Nigeria kommen, haben sie weder Rechte noch eine Arbeitserlaubnis. Das ist illegal", sagt der nigerianische Wirtschaftswissenschaftler Zuhumnan Dapel. Es sei die Aufgabe der Immigrationschefin Adepoju, derartige Praktiken im Zweifel - in Zusammenarbeit mit der chinesischen Botschaft - zu unterbinden. "Die Einwanderungsbehörde ist eine Strafverfolgungsbehörde. Sie tragen Schusswaffen, um das Gesetz durchzusetzen", so Dapel. Es sei naheliegend, dass die Behörde Zugang zu anderen Informationen habe. Er selbst könne die Gerüchte aber nicht verifizieren.

Warum sich Gerüchte über chinesische Arbeiter verbreiten

Der Sozialwissenschaftler und China-Experte Barry Sautman geht seit mehr als einem Jahrzehnt Gerüchten über chinesische Gefangene nach, die in verschiedenen afrikanischen Ländern kursieren: Neben Nigeria nennt er Sambia, Tansania und Angola. Klare Belege für eine solche Praxis habe er bisher nicht gefunden.

"Nicht eine einzige Person hat jemals irgendeinen Aspekt davon bestätigt", so Sautman im Gespräch mit der DW. Der in Hongkong ansässige Akademiker ist für gründliche Recherchen bekannt, steht bisweilen aber in der Kritik, mit seinen Positionen auf einer Linie mit der Regierung in Peking zu stehen.

Im Oktober 2023 sagte der chinesische Präsident Xi Jinping weitere Investitionen über mehrere Milliarden US-Dollar in Nigeria zuBild: BRITTANY HOSEA-SMALL/REUTERS

Für chinesische Geschäftsleute sei das Narrativ von Gefangenen, die nach Afrika geschickt würden, unvorstellbar, sagt Sautman. "Sie haben ja so schon alle möglichen Probleme, ihr Personal nach Afrika zu bringen. Sträflinge mitzubringen und auch noch absichern zu müssen - das ist für sie völlig abwegig."

Eine Ursache für das Gerücht sieht Sautman in den gut bewachten und gesicherten Wohnanlagen, in denen chinesische Arbeiter in afrikanischen Ländern leben. "Einige Afrikaner, mit denen ich darüber spreche, denken: 'Das sieht für uns wie ein Gefängnis aus'. Sie wissen auch, dass die Unternehmen ihre Arbeiter als Gruppe zum Einkaufen und zu Unterhaltungsevents fahren und gemeinsam zurückbringen." Das wecke in diesen Ländern, wo Menschen meist selbstständig unterwegs sind, den Eindruck von Gefangenentransporten.

Die Politik hinter den Anschuldigungen in Nigeria

Um die Dynamik hinter den Gerüchten zu verstehen, hilft ein Blick auf den jeweiligen Kontext. "Diese Anschuldigungen tauchen meist während Wahlzyklen auf", sagt Wirtschaftswissenschaftler Dapel. "In Nigeria stand 2019, als die Vorwürfe aufkamen, die Wahl des Präsidenten an." Damals habe es auch Proteste von arbeitslosen nigerianischen Hochschulabsolventen gegeben, erklärt Dapel: "Die Aussage der Proteste: 'Ihr übernehmt die Jobs, die wir machen sollten.'"

Das gleiche Argument bringen Menschen vier Jahre später immer noch vor: "Es ist mehr oder weniger so, dass man Leute, die eine gute Arbeit machen, überflüssig macht", beklagt eine Frau in Nigerias Hauptstadt Abuja im Gespräch mit der DW. "Warum sollte man Leute, die im Gefängnis sitzen, ihre Strafe in einem anderen Land absitzen lassen? Das ist unfair."

Sozialwissenschaftler Sautman meint, in anderen Ländern verhalte es sich ähnlich: "In den afrikanischen Ländern, in denen die Opposition China zum Thema gemacht hat, kann die Idee, dass chinesische Gefangene den Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen, gelegen kommen." Bei seinen Recherchen in Sambia habe er festgestellt, dass mehrere Oppositionspolitiker, die gegen die chinesische Dominanz auf dem Kontinent waren, ihre Haltung lockerten, als sie selbst an der Regierung waren.

Viele chinesische Unternehmen in Afrika

Ein Hauptgrund für die Empörung scheint die starke Präsenz chinesischer Unternehmen in Afrika zu sein, die im Ruf stehen, vor allem Arbeitskräfte aus China unter Vertrag zu nehmen. Die Gerüchte von den chinesischen Sträflingen machten in Nigeria erstmals 2019 die Runde - also just in dem Jahr, in dem laut der US-amerikanischen Johns-Hopkins-Universität die Zahl chinesischer Arbeitskräfte in dem Land mit knapp über 12.000 einen Höchststand erreichte.

Auch in Kenia beschäftigen Firmen aus China viele chinesische Mitarbeiter in Großprojekten (Archivbild)Bild: YASUYOSHI CHIBA/AFP

Auch die Wahrnehmung, dass es bei Abkommen mit chinesischen Unternehmen an Transparenz fehlt, könnte den Boden für die Debatte bereitet haben, deutet Ökonom Dapel an: "Die Staats- und Regierungschefs sind es ihrem Volk schuldig, die Wahrheit zu sagen und transparent zu sein. Wenn es Grauzonen gibt, versuchen die Menschen, das Unbekannte zu verstehen, und dabei entwickeln sie Verschwörungstheorien." Mit Offenheit und Transparenz lasse sich dem am besten entgegenwirken.

Laut Dapel sorgt zudem für Irritationen, dass chinesische Unternehmen lokale und internationale Konkurrenten immer wieder unterbieten würden - obwohl der Mindestlohn in China etwa siebenmal höher sei als in Nigeria.

China-Experte Sautman hat dafür indes eine Erklärung: "Viele chinesische Unternehmen haben nicht die gleiche Vorstellung von Gewinnen." Westliche Unternehmen würden Projekte als rentabel ansehen, wenn sie 30 bis 35 Prozent Gewinn abwerfen. Bei chinesischen Unternehmen sei das anders: "Fünf bis zehn Prozent Gewinn sind völlig in Ordnung, denn auf dem chinesischen Markt liegt die Gewinnmarge bei einem bis vier Prozent." Das mache es ihnen leicht, Mitbewerber in Afrika zu unterbieten - und dennoch mehr Profit zu machen als in der Heimat.

Dieser Artikel erschien zunächst auf Englisch.

Mitarbeit: Ben Adam Shemang.

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