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Schifffahrtskrise im Roten Meer verschärft sich

Nik Martin
29. Juli 2024

Gegenseitige Raketenangriffe zwischen Israel und den Huthi im Jemen erschweren den Seehandel über das Rote Meer. Israels Attacke auf den jemenitischen Hafen in Hudaida dürfte die Situation weiter verschärfen.

Ein großes Feuer am Hafen von Hudeida im Jemen erhellt den Nachthimmel
Feuer in Hudeida: Ziel der israelischen Luftangriffe auf die jemenitischen Hafenstadt war vor allem die militärische Infrastruktur der Huthi-Miliz Bild: Houthi Military Media/REUTERS

Um insgesamt 80 Prozent ist der Seeverkehr durch das Rote Meer seit dem vergangenen Jahr zurückgegangen. Seitdem attackieren die jemenitischen Huthi-Rebellen internationale Containerschiffe,  um die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen gegen Israel zu unterstützen. Die Hamas wird von den USA, der EU und anderen Staaten als Terrorgruppe eingestuft. Über das Rote Meer werden vor allem Waren von Asien nach Europa transportiert, doch viele Reedereien lenken ihre Schiffe nun über das südliche Afrika um.

Vor einer Woche am 19. Juli brachte die islamistische Huthi-Miliz eine Drohne in der mehr als 2000 Kilometer entfernten israelischen Hauptstadt Tel Aviv zur Explosion. Dabei wurde ein Mann getötet, acht Menschen wurden verletzt. Als Reaktion attackierten israelische Kampfjets die Hafenstadt Hudaida im westlichen Jemen, die von den Huthi kontrolliert wird. Dabei wurden laut dem jemenitischen Gesundheitsministerium sechs Menschen getötet und 83 weitere verwundet.

Nur noch wenige Schiffe fahren über das Rote Meer

Trotz des Risikos, von den Huthi attackiert zu werden, durchqueren nach wie vor zahlreiche Schiffe das Rote Meer, das an seiner engsten Stelle nur 30 Kilometer breit ist. "Es sind größere, internationale Containerschiffe, die bisher [von den Huthi ] ins Visier genommen wurden", sagt im DW-Gespräch Emily Stausboll, leitende Schifffahrtsanalystin bei der dänischen Beratungsfirma Xaneta. "Kleinere Schiffe wurden nicht in demselben Ausmaß beschossen." Daher würden manche Betreiber eine Durchfahrt durch das Rote Meer trotz des Angriffsrisikos noch als "einigermaßen sicher" ansehen.

Die Huthi-Angriffe richteten sich bislang vor allem gegen Containerschiffe, weniger gegen Massengutfrachter und Tanker. Zudem ließen die Huthi auch China und Russland wissen, dass sie deren Schiffe nicht angreifen würden, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg im März berichtete.

Huthi-Angriffe gegen Schiffe halten an

Obwohl der Schiffsverkehr auf dem Roten Meer massiv eingebrochen ist, werden immer noch Schiffe von den Rebellen angegriffen. Auf der Höhe von Al Mukha, südlich des Hafens von Hudaida, schlugen Drohnen in der Nähe der unter liberianischer Flagge fahrenden "Pumba" ein und verursachten leichte Schäden. Der Kapitän eines weiteren Schiffes berichtete, er sei von drei kleinen Booten angegriffen worden, die sein Schiff gerammt und beschossen hätten. Die Vorfälle wurden von der britischen Marine bestätigt.

Israelischer Angriff auf Hudaida: beschädigte Öllager und Hafenkräne

Bei den israelischen Luftangriffen auf Hudaida, die der Drohnenattacke auf Tel Aviv folgten, wurden nach Angaben der Huthi Treibstofflager im Hafen und ein nahegelegenes Kraftwerk beschädigt. Ein namentlich nicht genannter Angestellter des Hafens von Hudaida sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Hafen, die Container und die Schiffe seien "unversehrt" geblieben.

Laut dem britischen Sicherheitsunternehmen Ambrey lagen zum Zeitpunkt des Angriffs vier Handelsschiffe im Hafen, acht weitere hätten davor geankert. Die in den USA ansässige Analysten-Gruppe Navanti erklärte, fünf Container-Hafenkräne seien nun "höchstwahrscheinlich nicht mehr betriebsbereit".

Während der jemenitische Journalist Basem Ganani davon ausgeht, dass der Hafen innerhalb weniger Tage wieder in Betrieb genommen werden könnte, zitiert die unabhängige Nachrichtenagentur Yemen Monitor anonyme Quellen mit der Aussage, der Hafen könne aufgrund der Schäden vorerst keine Ölderivate und kein Gas mehr importieren und es könnte mehr als sechs Monate dauern, bis der normale Betrieb wiederhergestellt sei.

Hudaida ist zwar kein wichtiger Anlaufpunkt für internationale Containerschiffe, aber die Anlage ist der wichtigste Hafen des Jemen und Eingangspunkt für bis zu 80 Prozent der Importe von Treibstoff, Lebensmittel und humanitärer Hilfe für das ärmste Land der Arabischen Halbinsel.

Der Hafen wurde 1961 mit Hilfe der Sowjetunion fertiggestellt, 2015 während des jemenitischen Bürgerkriegs von den Huthi eingenommen und drei Jahre später von Saudi-Arabien angegriffen. Riad führt die Militärallianz zur Wiederherstellung der früheren, international anerkannten Regierung des Landes an. Die Vereinten Nationen einigten sich später auf ein Paket von mehr als 45 Millionen Euro zur Behebung der Kriegsschäden am Hafen.

Netanjahu: Hudaida ist kein "unschuldiger Hafen"

Die Angriffe auf den Hafen von Hudaida wurden allgemein verurteilt und als eklatante Verletzung des Völkerrechts bezeichnet. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu verteidigte die Entscheidung mit den Worten, Hudaida sei "kein unschuldiger Hafen". Die Anlage sei "der Eingangspunkt für Waffen, die vom Iran an seine terroristischen Huthi-Vertreter geliefert werden" und die für Angriffe auf Israel und arabische Staaten in der Region verwendet würden.

Hudaida sei kein unschuldiger Hafen, sagte Israels Premier Netanjahu nach den Luftschlägen auf die Huthi-HochburgBild: ANSARULLAH MEDIA CENTRE/AFP

Sowohl Israel als auch die Huthi haben erklärt, ihre Angriffe aufeinander zu verstärken. Die schiitische Islamistengruppe verkündete, sie könne ihre Drohnen- und Raketenangriffe auf den Seehandel in der Region ausweiten. Der Angriff auf Tel Aviv und die jüngsten Angriffe auf die Stadt Eilat zeigen, dass die Huthi durchaus Ziele mit größerer Reichweite angreifen können.

Lange Schifffahrtswege: hohe Verbraucherpreise, hohe CO2-Emissionen 

Der umgeleitete Handel hat mittlerweile zu einer Überlastung der Häfen in Asien und Europa geführt und die Schifffahrtskosten in die Höhe getrieben. Die Schifffahrtsroute um das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung dauert bis zu zwei Wochen länger als die Fahrt durch den Suezkanal - allein der zusätzliche Treibstoff koste knapp eine Million Euro pro Fahrt, schätzt das auf die Schifffahrt spezialisierte Beraterunternehmen LSEG Shipping Research.

Die Preise für den Warentransport per Containerschiff waren bereits durch Lieferkettenengpässe infolge der Corona-Krise gestiegen und hatten vor zwei Jahren die Inflation angeheizt. Nun gibt es Befürchtungen, dass eine Eskalation zwischen Israel und den Huthi die Verbraucherpreise weiter steigen lassen könnte.

Der Umweg hat auch Auswirkungen auf die Umwelt: Laut Bloomberg stiegen die CO2-Emissionen aus dem Schifffahrtssektors in der ersten Hälfte des Jahres um 23 Millionen Tonnen an. Die Emissionen von Containerschiffen stiegen im selben Zeitraum um insgesamt 15 Prozent.

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

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