Schikane bei Gebirgsjägern hat Methode
10. Februar 2010Beim Gebirgsjäger-Bataillon im oberbayrischen Mittenwald kennt sich Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) aus. Dort hat der Verteidigungsminister seinen Wehrdienst abgeleistet. Ausgerechnet hier gibt es einem Zeitungsbericht zufolge einen neuen Fall von Missbrauch Untergebener. Ein ehemaliger Wehrdienstleistender beschwerte sich beim Wehrbeauftragten Reinhold Robbe über entwürdigende Mutproben und Aufnahmerituale bei den Gebirgsjägern, wie die "Süddeutsche Zeitung" am Mittwoch (10.02.2010) berichtete.
Seltsame Aufnahmerituale in Mittenwald
Dabei rückt eine Art Ritus in den Fokus: Bei den Gebirgsjägern scheint es laut der Beschwerde unter den Mannschaftsdienstgraden einen sogenannten "Hochzugkult" geben. Demzufolge können Soldaten erst nach Absolvieren verschiedener Aufnahmerituale in der Hierarchie aufsteigen.
Was sich nach einem harmlosen Initiationsritus anhört, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Schikane: Bei dem "Hochzugkult" würden Soldaten gezwungen, erhebliche Mengen Alkohol zu trinken sowie rohe Schweineleber und Rollmöpse mit Frischhefe zu essen. Die Frischhefe bewirke, dass sich die Betroffenen innerhalb kürzester Zeit heftig übergeben müssten. Außerdem wurden Soldaten anscheinend gezwungen, sich vor Kletterübungen vor versammelter Mannschaft zu entkleiden.
Bundeswehr bestätigt Vorwürfe
Die Bundeswehr bestätigt die Vorwürfe. "Die Rituale haben sich zwischen Mannschaftsdienstgraden vollzogen", sagte ein Sprecher der für die Gebirgsjäger zuständigen Einheit im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Ältere Soldaten des Hochgebirgsjägerzuges hätten von jüngeren bestimmte Aufnahmerituale verlangt, um - so der Bundeswehr-Sprecher - "als echte Gebirgsjäger zu gelten". Vorgesetzte seien aber nicht beteiligt gewesen.
Anscheinend haben mehrere Soldaten Kameraden schikaniert. "Es wurden etliche Beschuldigte genannt in dieser Sache", sagte der Sprecher. Einige davon gehörten der Bundeswehr inzwischen nicht mehr an. Nach den bisherigen Ermittlungen des Bataillons sei es außerhalb der Dienstzeit und außerhalb der Kaserne zu den Ritualen gekommen. Die vor einigen Tagen begonnenen Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen.
Brauch soll seit den 80er-Jahren üblich sein
Die Beschwerde ging Ende Januar bei Robbe ein und stammt von einem ehemaligen Wehrpflichtigen. Demnach existiert bei den Gebirgsjägern des Bataillons 233 unter den Mannschaftsdienstgraden schon seit den 80er-Jahren der Brauch, sich dem schikanösen Kult zu unterwerfen. Vorgesetzte hätten davon Kenntnis gehabt, seien aber nicht eingeschritten. Erste ihm vorliegende Informationen hätten die Beschwerde des ehemaligen Soldaten bestätigt, schrieb Robbe nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" an den Ausschuss.
Selten sind solche Übergriffe bei der Bundeswehr nicht. In den vergangenen Jahren gingen beim Wehrdienstbeauftragten einige Mobbing-Vorwürfe ein. Körperverletzungen und Misshandlungen fanden dabei in vielfältiger Form unter Kameraden, aber auch zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, statt.
Und wie reagiert der Verteidigungsminister zu den Vorgängen in seiner ehemaligen Wehrdienst-Einheit? Im Gespräch mit dem ZDF verlangte Karl-Theodor zu Guttenberg: "Aufklären, abstellen und Konsequenzen ziehen."
Autor: Marcus Bölz (afp, dpa)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot