Schimmel in den Organen - gefährliche Pilzinfektionen
Sophia Wagner
14. Dezember 2017
Pilzinfektionen, die dem Menschen schaden, sind auf dem Vormarsch. Während die Fälle zunehmen, hinken Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten weiter hinterher.
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Pilzinfektion: wenn der Schimmel Organe befällt
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In der Systematik des Lebens haben Pilze ihr eigenes, vielfältiges Reich. Sie veredeln Käse, produzieren Antibiotika, landen als Pilz-Omelett auf dem Teller und sie sind verantwortlich für 1,5 Millionen Todesfälle pro Jahr.
"Es gibt ungefähr 150.000 beschrieben Pilzarten, aber nur 150 können dem Menschen gefährlich werden", sagt Axel Brakhage. Der Infektionsbiologe leitet das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena. Hier wird an Pilzen geforscht, die die inneren Organe des Menschen befallen. Solche Erkrankungen werden als "invasive Pilzinfektion" bezeichnet.
Wenn die Hefe in die Lunge geht
In Europa am weitesten verbreitet sind Infektionen mit Candida albicans, einem Verwandten der Backhefe. Eigentlich ist dieser Pilz harmlos. Zusammen mit anderen Mikroben wächst er auf der Schleimhaut vieler Menschen ohne dass seine Träger davon etwas merken. "Wenn das Immunsystem aber geschwächt ist, zum Beispiel durch eine Chemotherapie oder nach einer Organtransplantation, dann kann es gefährlich werden", sagt Brakhage.
Dann kann der Körper den Pilz nicht mehr im Zaum halten: Seine Hyphen - seine langen Ausleger - dringen ins Gewebe unter der Schleimhaut ein. Der Pilz durchbricht Gefäße und wird vom Blutstrom mitgerissen. So gelangt Candida albicans tief in den Körper, zu den inneren Organen. Hier lagert er sich ab und fängt an zu wachsen. Weltweit gibt es etwa 400.000 derartige Infektionen pro Jahr.
"Im Vergleich mit Erregern wie der Grippe, sehen 400.000 Fälle natürlich aus wie ein kleines Problem. Leider können wir Pilzinfektionen aber nur sehr schlecht behandeln. Das heißt, das Sterberisiko ist brutal hoch. Für Candida albicans liegt es in Deutschland bei 20 bis 30 Prozent. An anderen Pilzinfektionen sterben aber bis zu 90 Prozent der Patienten", sagt der Biologe.
Immungeschwächte Patienten am stärksten gefährdet
Weil es weltweit immer mehr immungeschwächte Patienten gibt, steigt auch die Zahl der invasiven Pilzinfektionen. "Die Menschen werden älter als früher, sie kriegen Krebs, bekommen eine Chemotherapie oder Organtransplantationen und sind dann sehr anfällig für Pilzinfektionen", sagt Brakhage. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn viele Pilzinfektionen bleiben unentdeckt. Eine Auswertung alter Laborproben in den USA hat aber jüngst gezeigt, dass sich die Zahl der Infektionen schon von 1980 bis 1997 verdreifacht hatte.
Weil Pilzinfektionen von außen wie bakterielle Infektionen aussehen können, werden sie oft falsch behandelt. Doch auch wenn die Ärzte auf Grund der Patientengeschichte schnell auf einen Pilzinfektion tippen, vergehen oft Tage bis man weiß um welchen Pilz es sich handelt. Der Pilz muss zuerst isoliert, ausgestrichen, kultiviert und bestimmt werden. Das sind Tage in denen der Pilz im Körper weiter wächst und die Überlebenschancen des Patienten immer weiter sinken.
"Wir haben leider nur drei Klassen von Antimykotika, also quasi Antibiotika gegen Pilze. Die sind alle schon relativ alt und haben teilweise schwere Nebenwirkungen. Wir brauchen dringend neue Medikamente, auch weil die Resistenzbildung zunimmt", sagt Brakhage.
Resistent gegen Medikamente
Antimykotika-Resistenzen gibt es vor allem bei Aspergillus fumigatus, einem Schimmelpilz aus der Luft, den wir ständig einatmen. Er steht in Europa auf Platz zwei der Liste mit den häufigsten Pilzerkrankungen und führt zu schlimmen Lungenentzündungen. Die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einer solchen Infektion liegt in den schlechtesten Fällen nur bei zehn Prozent.
Im Gegensatz zu Candida albicans, der nur den Menschen besiedelt, ist Aspergillus fumigatus ein wahrer Rumtreiber. Er wächst auf Brot, im Kühlschrank und in der freien Natur, wo er auch Getreide befällt.
Um ihre Ernte zu schützen und den Pilz zu töten spritzen viele Landwirte Pilzgift auf ihre Felder. Dieses Gift ähnelt den Antimykotika. In einer Studie des Universitätsklinkums Essen von 2014 wiesen 30 Prozent der isolierten Aspergillus-Stämme Resistenzen gegen mindestens eines der gängigen Medikamente auf.
"Wie genau der Zusammenhang zwischen Landwirtschaft und Resistenzen ist kann ich aber noch nicht sagen. Wir forschen dazu bei uns am Institut, haben aber noch keinen abschließenden Ergebnisse", sagt der Biologe Brakhage.
Mobilität beschleunigt Verbreitung
Er ist überzeugt, dass die Zahl der invasiven Pilzinfektionen auch in Zukunft weiter steigen wird, auch durch die ständige Zunahme des Reiseverkehres. Denn dass sich ein gefährlicher Pilz heutzutage extrem schnell ausbreiten kann, hat der Fall von Candida auris gezeigt. Es ist ein naher Verwandter von Candida albicans und wurde zum ersten Mal 2009 in Japan identifiziert.
Seit dem hat sich der multi-resistente Pilz bis nach Europa und Nordamerika ausgebreitet. Vor allem in England und den USA kam es immer wieder zu größeren Ausbrüchen. In Deutschland gab es bisher indes nur Einzelfälle - einen in 2015 und drei in 2017.
Pilz bedroht Lurche
In Europa rafft ein grausamer Pilz unzählige Salamander und Molche dahin. "Batrachochytrium salamandrivorans" wurde aus Asien eingeschleppt. Dort sind Schwanzlurche immun, in Europa droht ihnen die Ausrottung.
Bild: picture-alliance / dpa
Massensterben möglich
Es ist dramatisch, was der Pilz "Batrachochytrium salamandrivorans" mit Salamandern und Lurchen in Europa anrichtet. Er frisst sie regelrecht auf. Er nistet sich in der Haut ein, verursacht dort schlimme Nekrosen, das Tier stirbt in kürzester Zeit. Es besitzt keinerlei Abwehrkräfte gegen diesen fremden Erreger.
Bild: imago/JuNiArt
Ursprung Asien
Sehr viele asiatische Salamander und Molche sind mit dem Pilz infiziert, erkranken aber nicht. Sie haben sich - wie dieser asiatische Feuerbauchmolch - im Laufe der Evolution angepasst und Resistenzen entwickelt. Ihre Verwandten in allen anderen Ländern der Welt, haben dem Krankheitserreger jedoch nichts entgegenzusetzen. Er wird durch den weltweiten Amphibienhandel aus Asien eingeschleppt.
Bild: imago/blickwinkel
Hochgradig gefährdet
2010 kam es in den Niederlanden plötzlich zu einem Feuersalamander-Massensterben. Bis 2013 blieben nur vier Prozent übrig. Belgische Wissenschaftler entdeckten den Pilz und untersuchten, wie gefährlich er für andere Amphibien ist. Sie infizierten 35 Arten mit Pilzsporen. Ergebnis: Fast alle europäischen und nordamerikanischen Salamander und Molche sind hochgradig anfällig.
Bild: imago/blickwinkel
Lage ernster als gedacht
Auch dieser Alpensalamander ist Batrachochytrum salamandrivorans hilflos ausgeliefert. Auch er könnte in kürzester Zeit aussterben, befürchten die belgischen Forscher. Im Wissenschaftsmagazin "Science" schreibt An Martel von der Universität Gent, die Lage sei ernster als gedacht.
Bild: picture-alliance / dpa
Auch Frösche gefährdet
Frösche und Kröten zeigten sich in den Studien der Wissenschaftler immun gegen den Salamanderfresser-Pilz. Doch sie kämpfen gegen einen anderen - eng verwandten - Übeltäter: Batrachochytrum dendrobatidis ist verantwortlich dafür, dass vor allem in tropischen und subtropischen Regionen Frösche massenweise sterben.
Bild: Andreas Hertz
Über 200 Amphibienarten ausgestorben
In den vergangenen Jahren sind etwa 200 Amphibienarten weltweit ausgestorben. Der Pilz war in fast jedem Fall beteiligt. Doch wahrscheinlich spielen auch andere Faktoren in Kombination mit dem Krankheitserreger eine entscheidende Rolle - vor allem Umweltverschmutzung und der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.
Bild: picture-alliance / dpa
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Bakterien, Viren, Pilze: Lebensbedrohlich und unverzichtbar
Am Weltgesundheitstag macht die WHO auf die Bedeutung der Lebensmittelsicherheit aufmerksam. Wir stellen Pilze, Bakterien und Viren vor, die Lebensmittel verderben - aber auch einige, die nützlich sind.
Bild: imago/Gerhard Leber
Igittigitt!
So ein verschimmeltes Brot ist nicht ungefährlich. Zwar gibt es ungefährlichen Schimmel - etwa auf Camembert - viele Schimmelarten produzieren aber giftige Abbauprodukte. Auch können die Pilzsporen Allergien hervorrufen. Im schlimmsten Fall und bei hohen Konzentrationen kann ein immungeschwächter Mensch durch Schimmelbelastung in Luft und Nahrung sogar sterben.
Bild: imago/imagebroker
Nützlicher Schimmel als Biokatalysator
Schimmel kann aber auch nützlich sein: Schimmelpilze zersetzen Kohlenhydrate, Fette und Proteine so effizient wie kaum ein anderer Organismus. Das macht sich die Industrie zunutze. Diese gentechnisch optimierte Schimmelpilzart Aspergillus niger bildet technisch nutzbare Enzyme, die in Nahrungs- und Waschmitteln verwendet werden - sozusagen wie eine lebende Fabrik.
Bild: BASF
Es geht um die Wurst
"Botulus" ist das lateinische Wort für "Wurst". Arbeiten Fleischer bei der Wurstherstellung nicht ganz sauber oder gibt es Verunreinigungen beim Einkochen von Fleisch- oder Gemüsekonserven, kann es zum "Botulismus" kommen. Das ist eine lebensbedrohliche Vergiftungskrankheit, ausgelöst durch das Bakterium "Clostridium botulinum".
Bild: picture-alliance/dpa
Lebensraum ohne Sauerstoff
Das Clostridium botulinum fühlt sich dort besonders wohl, wo es keinen Sauerstoff gibt. Es produziert ein Nervengift, dass als "Botox" gerne in der kosmetischen Chirurgie eingesetzt wird, um Hautpartien zu glätten. Bildet sich das Gift in verdorbener Nahrung, erleidet der Patient Lähmungen, spricht undeutlich und sieht doppelt. Eine Lähmung der Atemmuskulatur oder des Herzmuskels führt zum Tod.
Bild: picture alliance/OKAPIA
Rohkost ist nicht immer gesund
Bockshornklee-Sprossen waren bis 2011 beliebt bei Kunden, die Wert auf gesundes Essen legten. Dann kam heraus, dass eine Verunreinigung von ägyptischen Bockshornklee-Samen mit Enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) Bakterien verantwortlich für eine Infektionswelle in Deutschland war. 53 Menschen starben daran. Die Sprossen waren in Deutschland produziert worden.
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Ausbrüche schon seit 1982
EHEC produziert ein Gift, dass die Zellen der Darmwand zerstört und später Gehirn und Nieren angreift. Der erste große EHEC-Ausbruch trat 1982 in den USA auf, vermutlich zurückzuführen auf nicht ausreichend erhitztes Hackfleisch. 1996 erkrankten in Japan etwa 9000 Schulkinder nach dem Genuss von Rettich-Sprossen. Auch durch Rohmilch kann EHEC übertragen werden. Dagegen hilft: Abkochen
Bild: picture-alliance/dpa
Nützlicher Verwandter
Nicht alle Stämme der Escherichia coli Bakterien sind indes gefährlich. Im Dickdarm der Menschen produzieren sie normalerweise das für die Knochenbildung, das Zellwachstum und die Blutgerinnung wichtige Vitamin K. In der Biotechnologie nutzt man E. coli um Insulin und Wachstumshormone herzustellen. Die Bakterien können auch genutzt werden, um aus Mikroalgen Alkohol-Biotreibstoffe herzustellen.
Bild: Harvard’s Wyss Institute
Bakterien machen Produkte haltbar
Milchsäurebakterien hat der Mensch schon vor Jahrtausenden zu nutzen gelernt. Ohne die verschiedenen Stämme der Lactobacillales gäbe es keinen Joghurt, Kefir, Sauermilch und Käse. Erwärmt man Rohmilch auf über zwanzig Grad fühlen sich die Bakterien besonders wohl: Nach zehn Stunden wird die Milch sauer. Einige Arten der Milchsäurebakterien können aber krank machen.
Bild: imago/imagebroker
Gut für Sauermilch - schlecht fürs Blut.
Eine der vielfältigen Formen von Milchsäurebakterien sind Streptokokken. Sie spielen eine Rolle bei der Herstellung von Sauergemüse, Silage und Sauermilchprodukten. Streptokokken siedeln ganz normal an Pflanzen, Menschen und Tieren. Einige sind aber auch Krankheitserreger und verursachen Eiter, Karies und im schlimmsten Fall auch eine Blutvergiftung - die sogenannte Sepsis.
Bild: picture-alliance/OKAPIA
Die häufigsten Durchfallerreger
Stäbchenbakterien bzw. Campylobacter werden meist von Tieren auf den Menschen übertragen. Das geschieht entweder in der Tierhaltung oder auch auf dem Teller: Wird Rinder-, Schweine oder Geflügelfleisch nicht gründlich durchgebraten, kann es zur Infektion und damit zu Durchfallerkrankungen kommen.
Vorsicht vor rohen Eiern
Auch Salmonellen gehören zu den Stäbchenbakterien. Besonders häufig treten Erkrankungen nach dem Genuss weichgekochter Eier auf. Typhus ist eine gefährliche Form der Salmonellen Erkrankung, die mit hohem Fieber, schwachem Herzschlag und Darmverstopfung einhergeht. Unbehandelt kann sie zum Tod führen. Jährlich erkranken weltweit etwa 32 Millionen Menschen daran - oft durch unsauberes Trinkwasser.
Bild: picture-alliance/dpa
Nicht nur Bakterien verursachen Durchfall
Noroviren werden von Mensch zu Mensch über Schmierinfektionen von Erbrochenem oder Stuhl übertragen. Bereits 100 winzige Noroviren-Partikel reichen für eine Infektion aus. Die kann bei unzureichender Hygiene auch leicht über kontaminiertes Trinkwasser und Nahrungsmittel erfolgen.