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Schimmelpfennig: "Sportsystem optimieren"

16. November 2016

Die Reform der Förderung des deutschen Spitzensports sorgt für Unsicherheit bei Sportlern und Verbänden. "Die meisten halten die Reform für richtig", sagt Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Sport beim DOSB, im DW-Interview.

Brasilien Dirk Schimmelpfennig vom DOSB in Rio de Janeiro
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Als Vorstand Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist Dirk Schimmelpfennig maßgeblich an der Entwicklung der Spitzensportreform beteiligt. Der ehemalige Trainer und Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes arbeitet seit zwei Jahren beim Deutschen Olympischen Sportbund und soll den deutschen Sport wieder in die Weltspitze führen.

DW: Das Ziel der Spitzensportreform ist klar: Olympische Medaillen statt Mittelmaß, das Ganze aber bitte ohne Doping. Klingt erstmal gut. Kann denn dieser hehre Wunsch überhaupt realistisch sein?

Dirk Schimmelpfennig: Ja! Wir wollen das deutsche Sportsystem optimieren. Die Voraussetzung ist klar, dass wir einen sauberen Leistungssport betreiben wollen, aber ich denke schon, dass es Möglichkeiten gibt, die Qualität und die Effizienz der deutschen Sportstrukturen zu verbessern.

Können Sie nachvollziehen, dass es bei Verbänden, vor allem aber bei den Sportlern wegen PotAS, dem computergestützten Analyseverfahren, auf dessen Basis über die Zukunft der förderungswürdigen Disziplinen entschieden wird, eine große Unsicherheit gibt?

Ja, die kann ich nachvollziehen, weil einige nicht wissen, wie das Ergebnis dieser PotAS-Analyse aussehen wird. Die Athleten kann ich an dieser Stelle beruhigen - es geht darum vor allem darum, Verbände und Disziplinen zu bewerten und nicht einzelne Athleten.

Dennoch haben Sportler und Wissenschaftler massive Zweifel geäußert, dass man zukünftige Erfolge anhand von mathematischen Formeln voraussagen kann. Max Hoff, Olympiasieger im Kanu, hat zum Beispiel gesagt, er wäre in diesem System durchgefallen. Was entgegnen Sie ihm?

Max Hoff (2.v.r.) war bei den Olympischen Spielen in Rio sehr erfolgreichBild: Getty Images/AFP/W. West

Es soll eine objektive Grundlage sein, die dann in ein Strukturgespräch mündet. Und da wird dann Max Hoff zum Thema, in dem man fragt: Was kann man für den Athleten tun, was braucht er im Programm? Das ist ja ein wesentlicher Punkt der Leistungssportreform, dass man sich mehr auf den Athleten abstellen will und für die Athleten, die Potenziale und Möglichkeiten haben, international erfolgreich zu sein, rundum die Bedingungen besser auszustatten als heute.

"Verbände sind reformbereit"

Von rund 200 Bundesstützpunkten sollen 40 wegfallen, von 19 Olympiastützpunkten nur 13 bleiben. Was bedeutet das konkret für die Sportler?

Man muss sich konzentrieren auf weniger Stützpunkte - dort aber mit Top-Ausstattung. Das bedeutet aber auch, weil man nicht alle top ausstatten kann, dass man auf der anderen Seite reduziert. Die Länder haben klar gesagt, dass  diese Stützpunkte, die man dann verliert, als starke Landesleistungsstützpunkte weiter durch Ländermittel gefördert werden sollen.

Nach außen hin heißt es: Es gibt einen nie dagewesenen Schulterschluss der Spitzensportverbände zu dieser Reform. Dabei haben die Verbände nun fast keinen Einfluss mehr auf die Verteilung der Fördermittel. Sportler berichten von Grabenkämpfen, was nicht verwunderlich wäre, weil es schlicht und einfach um Geld geht. Was stimmt denn nun?

Was passiert mit den Olympiastützpunkten?Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Ich denke, das Entscheidende ist, dass die Verbände in ihrer Gesamtheit, nachdem über Jahre nichts im deutschen Leistungssport passiert ist, reformbereit sind. Aber eine Unsicherheit da ist. Die leistungsstarken Verbände müssen sich nicht so viele Gedanken zu machen, das ist klar. Die anderen Verbände warten ein Stück weit ab, wie es am Ende aussieht. Da schließt sich auch der Kreis. Wenn man insgesamt bereit ist, für den Sport deutlich mehr zu investieren, dann wird es auch weniger Verbände geben, die verunsichert sind.

"Der Sport hätte sich ein Signal gewünscht"

5,2 Millionen Euro zusätzlich zu den 162 Millionen Euro soll es vom Bund für nächstes Jahr geben. Der DOSB hatte allerdings mit deutlich mehr gerechnet, bis zu dem Dreifachen der Summe. Sind Sie enttäuscht?

Das Wesentliche ist, dass die Mitgliedsverbände reformbereit sind, wenn man weiß, dass die Politik auch diese Reform unterstützen wird, das hat die Politik im ersten Schritt nicht getan, weil man eben gesagt hat, man will abwarten, ob der Beschluss erfolgt, ob sich die Verbände hinter die Reform stellen (Anm. d. Red: am 3. Dezember stimmt die DOSB-Mitgliederversammlung über die Reform ab) und nicht etwas unterstützen, von dem man nicht weiß, ob es am Ende existieren wird. Der Sport hätte sich ein Signal gewünscht. Denn wenn ich eine Reform will, dann muss auch die Investition in den Sport steigen.

Gibt es noch viele Änderungsvorschläge? Wie zuversichtlich sind Sie, dass die DOSB-Mitgliederversammlung die Reform am 3. Dezember beschließt?

Ich denke, dass die Inhalte der Reform auch in der Öffentlichkeit wenig diskutiert werden, weil die meisten sie eigentlich für richtig halten. Die PotAs-Regelung ist in der Kritik, weil man nicht weiß, wie es aussieht. Das wird auch der Bereich sein, auf den wir uns am stärksten konzentrieren müssen. Welche Attribute sind es, wie werden sie gewichtet? Um auf der einen Seite den Verband zu klassifizieren und auf der anderen Seite dem Verband zu zeigen, wo er sich verbessern muss. PotAS ist auch ein Mittel zum Qualitätsmanagement.

Das Interview führte Olivia Gerstenberger am Rande der 6. Sportkonferenz des Deutschlandfunks "Aus Geld mach Gold".

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