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Politik

Schlägt der "Pulse of Europe" noch?

Julius Fastnacht Brüssel
5. Februar 2018

Vor gut einem Jahr begannen die Kundgebungen der Bürgerbewegung. Sie zeigten eindrucksvoll, welchen Stellenwert die EU noch in der Bevölkerung besitzt. Ob sie das verflixte zweite Jahr übersteht, ist aber unklar.

Berlin - Pulse of Europe
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

"Wir haben Europa wieder sexy gemacht", sagt das Mitglied der Brüsseler Gruppe von "Pulse of Europe", Thorsten Petrowski. Bürger und Politiker würden sich eher trauen, positiv über die EU zu reden. Auch der eher zurückhaltende Teil der Bevölkerung habe Engagement gezeigt. Das seien Erfolge, die "Pulse of Europe" nach gut einem Jahr Bestehen für sich beanspruchen kann.

Die vom Frankfurter Rechtsanwalt Daniel Röder und seiner Frau ins Leben gerufene Bürgerbewegung sollte der immer lauter gewordenen anti-europäischen Stimmungsmache etwas entgegensetzen. Anfang 2017 mobilisierte die Bewegung zunächst in Deutschland und dann auch in vielen anderen europäischen Länder zahlreiche Menschen. "Ich habe es toll gefunden, dass nach langen Jahren der Europa-Abstinenz wieder jemand in Europa auf die Straße geht, und dass jemand in der Lage ist, für Europa zu mobilisieren", sagt Ulrike Guérot, Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems.

Luftballons reichen nicht

Pulse schaffte es tatsächlich, das Bild der gescholtenen Union aufzupolieren. Aber wie geht es mit der Bürgerbewegung weiter? Sie ist nicht mehr so sichtbar wie 2017. Die Beteiligung an den sonntäglichen Demonstrationen ist zurückgegangen, die Treffen finden  nur noch einmal im Monat statt.

Schon im vergangenen Jahr prophezeite Ulrike Guérot "Pulse of Europe" ein schnelles Ende, sollten die Beteiligten keine konkreten programmatischen Appelle entwickeln. Pulse sei zwar einfach zugänglich, aber unpolitisch, meint Guérot auch heute noch. "Luftballons reichen nicht. Wir haben überfällige politische Forderungen, die aufgenommen werden müssen," sagt Guérot.

Auf Tuchfühlung mit der Politik

Für Thorsten Petrowski ist das zentrale Ziel von "Pulse of Europa" dagegen klar. "Was unsere Eltern und Großeltern in den vergangenen Jahrzehnten geschafft haben, möchten wir behalten", sagt er. Zwar gebe es noch keine Patentlösung, um die Menschen weiterhin so zahlreich zum Mitmachen zu bewegen. "Das ist unsere große Aufgabe für das anstehende Jahr", sagt Petrowski.

Gleichzeitig will Pulse die Kritik berücksichtigen. Um den Demokratisierungsprozess in Europa zu unterstützen, hält Petrowski die vom französischen Präsidenten Emanuel Macron vorgeschlagenen europaweiten "demokratischen Konvente" für eine erfrischende Idee. Bürgerversammlungen also, die konkrete politische Empfehlungen an die Politik übermitteln. Wenn eine EU-Institution die von Pulse in offener Diskussion entwickelten Vorschläge direkt in Erwägung ziehe, "wäre mal eine Veränderung", findet Petrowski.

Eine Bewegung - keine Partei

"Wir wollen keine Partei werden oder anderweitige Strukturen annehmen" sagt Pressesprecherin Stephanie Hartung. Bürgerkonvente, so Hartung, seien zwar eine Überlegung, mit der sich Pulse beschäftige. "Etwas Spruchreifes gibt es hierzu allerdings noch nicht." Der Wille, den Austausch zwischen Bürgern und Politik weiterzuentwickeln, ist jedenfalls da. Erst kürzlich traf sich Pulse-Gründer Röder am Rande der Koalitionsgespräche mit SPD-Chef Martin Schulz. Inhaltlich sei es darin um die Entwicklung wirkungsvoller Bürgerbeteiligungsmodelle gegangen, so Hartung.

Ulrike Guérot, Gründerin European Democracy Lab BerlinBild: DW

Ulrike Guérot bewertet den Willen, die Bewegung weiterzuführen, grundsätzlich positiv. "Ich glaube, der Anfangsenthusiasmus ist vorbei. Im Sommer war ein wenig die Luft raus", befindet sie. So habe Pulse im Bundestagswahlkampf auch keine große Dynamik mehr entfalten können. Sie fragt sich zudem, ob Pulse überhaupt das richtige Forum für die Übermittlung spezifischer Forderungen ist. "Vielleicht", so Guérot, "liegt die Lösung tatsächlich darin, dass Pulse of Europe für dieses niedrigschwellige Fähnchenschwenken zuständig ist, um einfach ein europäisches Grundrauschen zu erzeugen."

Pulse erfreut sich nach wie vor prominenter Unterstützung. Joschka Fischer und Sigmar Gabriel statteten erst kürzlich einen Besuch ab. Zum Jahresende erhielt die Bürgerbewegung für ihren Einsatz den prestigeträchtigen Marion Dönhoff-Förderpreis. Vor den Parlamentswahlen in Italien Anfang März will Pulse besonders intensiv für Europa werben, im Mai plant die Bewegung außerdem einen Festakt in der Frankfurter Paulskirche. Fakt ist aber: War 2017 ein entscheidendes Jahr für die EU selbst, ist 2018 eines für Pulse.