Schlammschlacht vor Neuwahl in Niedersachsen
10. August 2017Alle Fraktionen sprachen sich bei einer Sondersitzung des Landesparlaments in Hannover dafür aus, die Abstimmung am 15. Oktober abzuhalten. Für die Neuwahl ist eine Auflösung des Landtags nötig, darüber abstimmen wollen die Abgeordneten erst am 21. August, weil laut Landesverfassung zuvor eine Karenzzeit von mindestens elf Tagen einzuhalten ist. Die Landtagswahl war ursprünglich für Anfang Januar 2018 geplant.
Die Debatte über die Parlamentsauflösung war geprägt von wechselseitigen Vorwürfen und vielen Zwischenrufen. "Der inhaltsleere Machtkampf schadet dieser demokratischen Ordnung", sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). "Macht darf immer nur Mittel zum Zweck sein". Mit Blick auf Spekulationen über mögliche CDU-Angebote an Elke Twesten forderte Weil Aufklärung. "Das ist kein normaler Vorgang, über den wir hier reden." Die Vorwürfe dürften nicht unbeantwortet bleiben.
SPD-Fraktionschefin Johanne Modder sagte an die Adresse von Twesten gerichtet: "Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Ihre Verhaltensweise ist legal, aber sie hat keine moralische Rechtfertigung." Modder sagte außerdem, Wähler sollten über Mehrheiten entscheiden, nicht "einzelne, enttäuschte Abgeordnete".
Aufgeheizte Stimmung
Die Landtagsabgeordnete Elke Twesten hatte am vergangenen Freitag mit ihrem angekündigten Wechsel von den Grünen zur CDU eine Regierungskrise ausgelöst. Die rot-grüne Koalition von Ministerpräsident Weil verlor dadurch ihre Ein-Stimmen-Mehrheit. Die überraschende Entscheidung Twestens vergiftete die Stimmung zwischen den Parteien. Grünen-Fraktionschefin Anja Piel hielt Twesten vor, mit ihrem Wechsel dem Ansehen des Landtags geschadet zu haben. "Es wäre glaubwürdiger gewesen, wenn Sie Ihr Mandat niedergelegt hätten und für einen Nachrücker Platz gemacht hätten."
CDU-Fraktionschef Björn Thümler sagte im Plenum, die Landesregierung sei ungeachtet des Twesten-Wechsels gescheitert. "Tatsache ist: Diese rot-grüne Landesregierung war lange vor dem schwarzen Freitag ins Straucheln geraten." Der rot-grünen Koalition warf er Versäumnisse in der Bildungs- und Sicherheitspolitik vor.
Die FDP bezeichnete Weils Kritik an Twesten als "Mitleidsnummer". "Herr Ministerpräsident, Sie sind an sich selbst gescheitert und nicht an Elke Twesten", sagte Landeschef Stefan Birkner. Von Anfang an sei die rot-grüne Regierung von Chaos, Versagen und Genossenfilz geprägt gewesen.
Keine Mehrheiten
Die Regierungsbildung nach der Neuwahl könnte unterdessen schwierig werden. Wenn schon an diesem Sonntag Landtagswahl wäre, würde es weder für SPD und Grüne noch für CDU und FDP zu einer Mehrheit reichen, wie aus einer neuen Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag des NDR hervorgeht. Deutlich stärkste Partei mit 40 Prozent ist derzeit die CDU, die SPD könnte mit 32 Prozent rechnen. Die Daten wurden am Dienstag und Mittwoch erhoben - also wenige Tage nach Twestens Wechsel. In der Umfrage sprechen sich nur noch 9 Prozent für die Grünen aus. Die Liberalen können derzeit mit 7 Prozent rechnen, bei der Wahl 2013 kamen sie auf 9,9 Prozent. Hoffnung auf Einzug in den Landtag kann sich die AfD machen, die bei 6 Prozent liegt.
rk/kle (afp, dpa, rtr)